
Japanese Echoes - Hommage à Claude Debussy - Werke für Klarinette und Harfe
Echo aus der Ferne
Label/Verlag: TYXart
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das Duo Imaginaire schlägt eine musikalische Brücke zwischen französischem Impressionismus und japanischer zeitgenössischer Musik und lässt die Grenzen zwischen Raum und Zeit mit expansiver Klanggestaltung verschwinden.
Inspiriert von der japanischen Kunst auf den Pariser Weltausstellungen in den Jahren 1889 und 1900, integrierte Claude Debussy (1862–1918) in seinen Werken neben der Pentatonik zunehmend auch ästhetische Elemente Asiens, welche unter anderem in seinen 'Préludes pour piano' (1909–1913) ausgekostet wurden. Frei von strukturellen Zwängen, eingebettet in eine stille, sinnliche, geräumige Form, in der sich der einzelne Ton bzw. Klang wie eine ‚Farbe in rhythmisierter Zeit‘ (Debussy) entfalten kann – konzeptionell scheint der Grenzgänger Debussy nicht nur aus geografischer Perspektive von Interesse zu sein: Seine Musik ist modern und bietet viele Anknüpfungspunkte mit der Gegenwartsmusik, welche oftmals das akustische Moment in den Vordergrund rückt und mit experimentellen Klangfarbenspiel und synästhetischen Reizen hantiert. Mit der Platteneinspielung 'Japanese Echoes' auf dem Label Chromat Classics greift das Duo Imaginaire, bestehend aus John Corbett (Klarinette) und Simone Seiler (Harfe), eben diese zeitübergreifende Relevanz ästhetischer Gemeinsamkeiten des französischen Impressionisten und japanischer Neuer Musik auf und entführt den Hörer in ein intensives, klangsinnliches Erlebnis. Neben sechs ausgewählten 'Préludes' (in der Bearbeitung für Klarinette und Harfe) gewährt die Platte anhand sechs 2015 uraufgeführter und nun in einer Ersteinspielung vorliegender Werke japanischer Komponisten und Komponistinnen einen Einblick in die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Meister der Klangkunst aus asiatischer Perspektive.
In 'Soundprint No. 4' von Satoshi Minami (* 1955) entsteht zunächst ein unverwechselbarer Klangraum aus präparierter Harfe, kleiner Trommel und effektvollen, schnarrenden Klarinettenlauten, welcher durch seine improvisatorisch anmutende Dramaturgie das Zeitgefühl vergessen lässt. In Anlehnung an Debussys Prélude 'La danse du Puck', bei welchem Corbett im hüpfenden Gigue-Rhythmus über den glamourösen Harfen-Arpeggio von Seiler stolziert, greift Minami die kleingliedrige Struktur der Motive auf und verwandelt den Tanz in eine interessante, teils ungewohnt schreckhaft wirkende Geräuschkulisse.
Bezüge zu Debussy
'Die Entdeckung der Freude im Schnee' von Yasuko Yamaguchi (* 1969) stellt schon bezüglich des Titels einen stärkeren Bezug zu Debussys 'Des pas sur la neige' her und bleibt zumindest zu Beginn auch musikalisch sehr nah an der Vorlage. Denn die im Prélude sensibel gezupften, träumerischen Harmonien der Harfe, über denen sich sinnliche Melodiebögen der Klarinette erstrecken, bilden die Grundlage für die ausgedehnten, dynamisch bis zum ppp ausgereizten Klarinettenmotive und erschaffen eine warme, winterliche Atmosphäre. Das Duo schafft es, in beiden Stücken die Tonfarbgebung und Dynamik ihrer Instrumente wandlungsfähig zu gestalten. 'Die Entdeckung der Freude im Schnee' lässt die Musiker durch einen plötzlichen Stimmungswandel mit energischen Klarinettenquarten über einem spannungsgeladenen Bossa Nova-Rhythmus der Harfe erst richtig aufblühen und stellt deren technisches Können im zeitgenössischen Genre und die damit verbundene instrumentale Virtuosität sehr gut heraus.
Im Prélude 'Canope' lässt Seidler die impressionistischen Harfenklänge lebendig werden und im anschließenden märchenhaften Unisono darf sich der erfahrene Hörer an einer beispiellosen Synchronizität zwischen den Instrumentalisten erfreuen. Besonders interessant erscheint des Weiteren die Umsetzung von 'Annotation on a Japanese Lullaby' von Takashi Fujii (*1959), welche neben schnarrenden Flattertechniken der Klarinette auch mit verzogenen Klängen und Vierteltönen beider Instrumente experimentiert. Neben der mystischen pentatonischen Begleitstimme erinnern die clusterartigen Schlagtechniken auf der Harfe an das Spiel auf einer Koto (jap. Griffbrettzither), und der musikalische Raum erweitert sich zu einem Tempel mit Gamelan-ähnlichen Klangfarben. Die japanischen Besonderheiten wurzeln in der traditionell japanischen Klangästhetik und zeigen damit das Potenzial fremdländischer Musikästhetik für die Erweiterung des eigenen musikalischen Musikgenusses.
Spätestens mit Debussys 'Brouilliards' als auch 'A travers le brouillard' von Kumiko Omura (* 1970) bricht die hierarchische, funktionale Bedeutung von Melodie und Begleitstimme zugunsten eines undurchsichtigen Klangbildes aus virtuosen Sechzehntelketten und Ostinati in der Harfenstimme und energetisch interpretierten Klarinettentremolo auf. Ruhige und ersterbende Töne kann der Hörer hingegen in Debussy’s Prélude 'Feuilles mortes' nacherleben, diese werden von Takayuki Rai (* 1954) zugleich in seinem Werk 'Misty Stillness' in ein nebliges Landschaftsbild aus sich überlagernden Klangschichten mit Klarinetten-Bordun und Trillern sowie in der Stille verschwindenden Obertönen eingebettet. Asako Miyakis (*1967) Komposition 'The garden of afterimage II – butterfly pattern' besticht zu Beginn mit vertrauter Klangschönheit, welche stellenweise den impressionistischen Charakter Debussys auffängt, zugleich aber mit atonalen Skalen durchbrochen wird. Mit neun Minuten das mit Abstand längste Stück der Platte, durchläuft die Musik noch einmal eine Metamorphose, in der das Duo mit sehr viel Konzentration die einzelnen Stationen zeitgenössischer Effekte und schwieriger instrumentaler Passagen meistert.
Gegenseitige Beeinflussung
Das Duo schafft es mit abwechslungsreichen Interpretationen der selbst arrangierten 'Préludes' und der japanischen Werke eine gemeinsame klangliche Basis zu schaffen, welche den Hörer zu einer Suche der gegenseitigen Beeinflussung der zeitgenössisch-japanischen Musik und der Musik Debussys auffordert und zugleich für deren Alleinstellungsmerkmale sensibilisiert. Anhand der japanischen Neu-Kompositionen werden zudem auch die unterschiedlichen musikalischen Werdegänge der Komponisten, von klassischer Instrumentierung bis zu modern-experimenteller oder gar elektronischer Klanginstallationen sowie der eigene Bezug zur japanisch-traditionellen Musik und nicht zuletzt zum französischem Impressionismus deutlich.
Das einfach gehaltene Booklet zur Platte ist in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Japanisch verfügbar und skizziert, neben den Einblicken in die Künstlerbiografien der Musiker und japanischen KomponistInnen, einen kurzen Abriss der Idee und Konzeption des kulturübergreifenden Albums. Eine kurze Einleitung zu den einzelnen hochindividuellen japanischen Werken oder ein Statement seitens der Komponisten hätte das Konzept noch abrunden können, wäre aber nur das I-Tüpfelchen des ansonsten einwandfreien Booklets.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Japanese Echoes - Hommage à Claude Debussy: Werke für Klarinette und Harfe |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: |
TYXart 1 08.09.2017 57:28 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4250702800996 TXA17099 |
![]() Cover vergössern |
"Die sechs Werke japanischer Komponisten wurden vom Duo Imaginaire initiiert und 2015 uraufgeführt. Sie geben als Hommage an Claude Debussy eine Antwort auf je ein von ihnen gewähltes Prélude Debussys und würdigen dessen Faszination für japanische Kunst, seine Sensibilität für Zeit und Raum sowie seine expansive Klanggestaltung. Alle vorliegendenWerke sind Ersteinspielungen. |
![]() Cover vergössern |
TYXart TYXart - the musicART label TYXart ist es ein besonderes Anliegen, die emotionalen, geistigen und intellektuellen Anforderungen von Musikliebhabern mit hochwertigen künstlerischen Einspielungen zu erfreuen - und dass Tiefsinn, Humor, Stille, Kraft, Nachdenklichkeit, aber auch Lebensfreude, Jubel oder Trauer, also alles, was die musikalischen Befindlichkeiten des Menschen erhebt und befriedigt, in unseren Veröffentlichungen enthalten ist. Es geht uns dabei nicht in erster Linie nur um "Berühmtheit" oder "Perfektionismus", sondern ums Humane, Originelle, Individuelle und um die begeisternden und begeisterten Interpretationen ungewöhnlicher Musiker, auch der ganz jungen. Jede CD ein Unikat! Das soll unser Motto sein. Dass sich unserem Konzept bereits mehrere außergewöhnliche und berühmte Künstler spontan anschließen, beruht auf deren Überzeugung von der Richtigkeit unseres Anspruchs. Herausragende Musiker und Ensembles der Veröffentlichungen: Giora Feidman (Klarinette), Elena Denisova (Violine), Yojo (Klavier), Liana Issakadze (Violine), Alexander Suleiman (Violoncello), Corinne Chapelle (Violine), Carmen Piazzini (Klavier), Franz Grundheber (Bariton), Matthias Veit (Klavier), Nathalia Prishepenko (Violine), Alexandra Sostmann (Klavier), Franz Hummel (Komponist), Masako Sakai (Klavier), Ensemble del Arte (Kammerorchester), Vardan Mamikonian (Klavier), Jakob David Rattinger (Viola da Gamba), Werner Schneyder (Musik-Kabarett), TRIO ZERO, Sojka Quartett, Deutsches Saxophon Ensemble, Moscow Symphony Orchestra ... Wir stellen zusammen mit unseren Künstlern in Serien wie z.B. "Modern Classics", "Rising Stars" oder "Crazy Edition" Aufsehen erregende Musikaufnahmen unserer Zeit ungewöhnlichen Interpretationen aus mehreren Epochen gegenüber, um ein breites Publikum auf die Lebendigkeit, Schönheit und Kühnheit neuer Kompositionen im Fokus radikaler oder besonders individueller Interpretationen traditioneller Werke aufmerksam zu machen. Lassen Sie sich auch jenseits von Mainstream-Bewegungen begeistern von den sensationellen Einspielungen der Künstler bei TYXart! Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag TYXart:
-
Mehr Fanny als Felix: Eine verdienstvolle Doppel-CD stellt das Liedschaffen der Schwester Mendelssohn in den Vordergrund. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Rhythmisch bewegt: Die Gesamteinspielung von Émile Jaques-Dalcrozes Œuvre für Violoncello und Klavier wartet mit einigen Überraschungen auf. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Versäumnisse: Mit Max Regers Klaviertranskriptionen von Liedern Richard Strauss' wird hier wenig verständnisvoll umgegangen. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere CD-Besprechungen von Nicole Overmann:
-
Düstere Abgründe: Mit der kürzlich erschienenen Platte 'Ghost-Stories' zum gleichnamigen Film nimmt Komponist Frank Ilfman den Hörer mit auf eine musikalische Wanderung durch eine Galerie der Ängste, die der Dirigent Matthew Slater meisterlich in Szene setzt. Weiter...
(Nicole Overmann, )
-
Kosmos melancholischer Melodien: Mit der Einspielung der 'Rhapsodie zu moldawischen Themen' und der Sechsten Sinfonie von Weinberg gelingt Vladimir Lande eine äußerst facettenreiche Interpretation der anspruchsvollen Melange aus moldawischen Volksmelodien, Chorälen und Tanzmusik. Weiter...
(Nicole Overmann, )
-
Musikalische Seelenverwandtschaft: Das Klavierduo liefert auf dieser Platte das Gesamtpaket aus pianistischer Perfektion, professioneller Kammermusik und zugleich einer rührenden klanglichen Sensibilität, die der melodiebetonten Musik Griegs mehr als gerecht wird. Weiter...
(Nicole Overmann, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Später Brahms, frisch präsentiert: Michael Collins und Stephen Hough überzeugen als kammermusikalisches Duo. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Gelungene Zeitreise: Das Teatro Regio Torino unternimmt eine Rekonstruktion der Uraufführung von Puccinis 'La Bohème'. Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
-
Virtuos, aber klanglich nicht optimal: Bläser-Kammermusik vom Trio bis zum Sextett: Vier Werke aus der Feder von Jean Françaix in technisch sehr guten, klanglich nicht optimalen Interpretationen. Weiter...
(Dr. Michael Loos, )
Portrait

"Bei der großen Musik ist es eine Frage auf Leben und Tod."
Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich