> > > Schubert & Dvorák: Streichquartette
Samstag, 9. Dezember 2023

Schubert & Dvorák - Streichquartette

Gänsehaut garantiert


Label/Verlag: Channel Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Mit ihrer ersten CD liefern die vier Musiker des Dragon Quartet eine erstklassige Leistung ab. Ihre in jeder Hinsicht stimmige Interpretation zeigt, dass man auch häufig gespielte Werke immer wieder aufs Neue entdecken kann.

Ein Ensemble, das sich für seine Debut-CD ausgerechnet zwei der bekanntesten und populärsten Werke einer Gattung aussucht, beweist schon von Anfang an ein gesundes Selbstbewusstsein und auch viel Mut zum Risiko. Einerseits ist die Konkurrenz groß, so dass der Versuch, mit einer eigenen Interpretation in den Ring zu steigen, oft weniger einem friedlichen Wettbewerb, sondern eher einem Sprung ins Haifischbecken gleicht. Andererseits kennt auch das Publikum schon etliche Aufnahmen der betreffenden Werke, und eine Lieblingsinterpretation zu übertrumpfen, entpuppt sich bekanntlich oft als ein schier unüberwindbares Hindernis.

Schuberts Quartett 'Der Tod und das Mädchen und Dvořáks ‚Amerikanisches’ Quartett sind zwei Streichquartette, die hinsichtlich ihres Bekanntheitsgrades und ihrer Beliebtheit beim Publikum kaum zu überbieten sind. Hinzu kommt, dass sie einem Ensemble beträchtliche Fähigkeiten abverlangen, sowohl spieltechnisch betrachtet als auch den Ausdruck betreffend, ganz zu schweigen von der Herausforderung einer für die Zuhörer stimmigen Interpretation. Doch das Unglaubliche geschieht: Schon nach den ersten Takten von Schuberts Streichquartett weiß der Hörer, dass die Solisten des Dragon Quartet genau wissen, was sie da tun. Man hält den Atem an, wartet gebannt auf die ersten Klänge, die unweigerlich für den ersten Eindruck verantwortlich sind - und schon wenige Sekunden später kann man seine Skepsis getrost begraben, sich entspannt im Sessel zurücklehnen und mit Vorfreude und Neugierde der Dinge harren, die da kommen.

Unglaubliche Spannungsbögen

Die Solisten des erst 2012 gegründeten Dragon Quartet - Ning Feng (Violine), Wang Xiaomao (Violine), Zheng Wenxiao (Viola) und Qin Liwei (Cello) - schaffen es bereits mit den ersten Tönen, den Inhalt der poetischen Vorlage ‚Der Tod und das Mädchen’ heraufzubeschwören und ihn jederzeit präsent zu erhalten. Die Wildheit und Energie der ersten Akkorde, die sofort Assoziationen von Angst und Schrecken hervorrufen, charakterisieren die Figur des Mädchens, das mit allen Kräften den Tod in seiner Gestalt als Knochenmann und Schreckgespenst abzuwehren versucht. Die Charakterisierung ist jedoch differenzierter, was sich im Anschluss daran ebenfalls in aller Deutlichkeit zeigt. Von Anfang an nutzen die Musiker die gesamte Bandbreite der dynamischen Möglichkeiten ihrer Instrumente aus und zeichnen so ein gestochen scharfes Bild des Mädchens, das sich nach dem ersten Schreck und den angstvollen Schreien als ebenso zartes wie wankelmütiges Wesen entpuppt, das zwischen seinen Gefühlen hin- und hergerissen ist. Der dynamische Spannungsbogen vollzieht sich hierbei nicht nur innerhalb einer ganzen Phrase, sondern auch schon auf engstem Raum; der Klang schwillt an und wieder ab, noch bevor der gerade gespielte Ton verklungen ist, wodurch nicht nur eine unglaubliche Transparenz erzeugt wird, sondern auch ein Höchstmaß an Dramatik, die das ganze Stück durchzieht.

Auch mit dem wohl bekanntesten Satz, den Variationen über Schuberts Lied 'Der Tod und das Mädchen', zieht das Ensemble sämtliche Register und stellt meisterhaft unter Beweis, dass auch bei so vielen Interpretationen noch lange nicht das ultimative letzte Wort gesprochen ist. Statt flächiger, getragener Klänge, die das Fundament der Melodie bilden und oft melancholisch und traurig wirken, wählt das Dragon Quartet einen anderen Weg. Das Ensemble entscheidet sich für einen sehr schlanken, zarten Klang und hebt nicht seine Flächigkeit hervor, sondern seine rhythmische Energie. Auch die gekonnt eingesetzten dynamischen Abstufungen unterstützen diese Interpretation, die geradezu bildlich auf die Bewegung des Schreitens hinweist, die in Schuberts Lied vor allem die Todesstrophe kennzeichnet. Besonders beeindruckend ist in dieser Hinsicht auch die Variation, in der die Melodie von den Mittelstimmen gespielt wird, während das Cello sich zunächst ganz im Hintergrund hält, aber mit wachsender Lautstärke suggeriert wird, dass es langsam näher kommt, bis es schließlich in einem plötzlichen Ausbruch seine gesamte bedrohliche Präsenz zeigt und die drei hohen Stimmen, die nur einen rhythmisch und melodisch einheitlichen Klangteppich spielen, deutlich dominiert. Die Charakterisierung der Todesfigur könnte musikalisch kaum eindrucksvoller - und klanglich kaum schöner - präsentiert werden.

Im Klang schwelgen

Auch das ‚Amerikanische’ Quartett von Dvořák steht seinem Vorgänger hinsichtlich der Stimmigkeit der Interpretation, der Ausgewogenheit des Klangs, der Brillanz der Virtuosität und nicht zuletzt der Schönheit des Klangs in nichts nach. Man wünscht sich als Zuhörer nur, das Werk möge niemals zuende sein, so groß ist die Faszination, die von der Musik und ihrer Interpretation ausgeht. Angesichts dieser ersten CD, die in diesem Jahr bei Channel Classics erschienen ist, darf man gespannt sein, mit welchen Werken das Dragon Quartet die Zuhörer demnächst überraschen wird. Fest steht jedenfalls: Vielversprechender kann ein Debut kaum sein.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:






Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Schubert & Dvorák: Streichquartette

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Channel Classics
1
14.06.2017
Medium:
EAN:

CD
723385394174


Cover vergössern

Channel Classics

Channel Classics Records is a quality record label based in Holland. Director, producer and recording engineer is C. Jared Sacks. Having grown up in Boston Massachusetts, schooled at Oberlin Conservatory and the Amsterdam Conservatory of music with 15 years experience playing French Horn, Jared decided to make his hobby of recording a profession in 1987. The label started in 1990 with the name Channel Classics coming from the street he lived on in Amsterdam. (Kanaalstraat).
Jared and his Dutch wife Lydi Groenewegen together with a group of assistants work closely with distributors in 37 countries to promote the artists through the CD?s.


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Channel Classics:

  • Zur Kritik... Sonaten in Entwicklung: Carl Philipp Emanuel Bach umschreibt einen eigenen kompositorischen Kosmos. Rachel Podger und Kristian Bezuidenhout richten gekonnt einen Blick auf sein durchaus eigenwilliges Sonatenschaffen. Weiter...
    (Dr. Matthias Lange, )
  • Zur Kritik... Großflächig: Lebhafte, etwas zu wenig präzise Wiedergaben zweier Streicherkompositionen. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Härtetest bestanden: Ning Feng meistert Paganini bravourös. Weiter...
    (Oliver Bernhardt, )
blättern

Alle Kritiken von Channel Classics...

Weitere CD-Besprechungen von Dr. Uta Swora:

  • Zur Kritik... Einblick in die kompositorische Seele: Mit seiner bis ins kleinste Detail ausgefeilten und sowohl pianistisch als auch inhaltlich überzeugenden Interpretation gewährt Yunus Kaya dem Zuhörer auf meisterhafte Weise einen Einblick in das anspruchsvolle Herzstück von Brahms' Klavierwerk. Weiter...
    (Dr. Uta Swora, )
  • Zur Kritik... Beethoven mit eigener Note: Josep Coloms ungewöhnliche und in ihrer künstlerischen Freiheit inspirierende Interpretation der drei letzten Klaviersonaten und Bagatellen Beethovens zeigt, dass es nie zu spät ist, auch scheinbar bis ins letzte Detail vertraute Werke neu kennenzulernen. Weiter...
    (Dr. Uta Swora, )
  • Zur Kritik... Vom Staub befreit: Egal wie oft man die Große C-Dur-Sinfonie von Schubert schon gehört haben mag – die Aufnahme des Residentie Orkest The Hague unter Jan Willem de Vriend bietet auch dem geübten Ohr eine faszinierende Neuinterpretation des Meisterwerks. Weiter...
    (Dr. Uta Swora, )
blättern

Alle Kritiken von Dr. Uta Swora...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

  • Zur Kritik... Auf der Suche: Auch wenn seinem Liedgesang noch ein paar Schliffe gut anstünden, so ist dieser 'Schwanengesang' doch ein wohltuend schnörkelloses und ehrliches Album eines Künstlers, der mit Neugier und Mut auf der Suche ist. Weiter...
    (Benjamin Künzel, )
  • Zur Kritik... Inspirierender Choral: Ein programmatisch interessanter, dazu interpretatorisch rundum gelungener Blick auf eine Spezialität geistlichen Repertoires um 1700. Christoph Hesse und L’arpa festante agieren erfrischend, qualitätvoll und kurzweilig. Weiter...
    (Dr. Matthias Lange, )
  • Zur Kritik... Wenig wirklich Neues: Spannende Begegnung mit Anton Weberns Schubert-Lied-Instrumentationen. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

Class aktuell (3/2023) herunterladen (4700 KByte) NOTE 1 - Mitteilungen (4/2023) herunterladen (4868 KByte)

Anzeige

Jetzt im klassik.com Radio

Ignaz Joseph Pleyel: String Quartet Ben 341 in C minor - Moderato

CD kaufen


Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Die Pianistin Jimin-Oh Havenith im Gespräch mit klassik.com.

"Schumann ist so tiefgreifend, dass er den Herzensgrund erreicht."
Die Pianistin Jimin-Oh Havenith im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich