> > > Satie, Erik: Sämtliche Klavierwerke Vol. 2
Sonntag, 26. März 2023

Satie, Erik - Sämtliche Klavierwerke Vol. 2

Ein Weg zu Satie


Label/Verlag: BIS Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Auch die Fortsetzung ihrer Einspielung der Klaviermusik Erik Saties weist Noriko Ogawa als hervorragende, sensible Pianistin aus, die ein feines Gespür für die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten der Stücke entwickelt, ohne sich selbst in Szene zu setzen.

Ein weiteres Mal hat die japanische Musiklandschaft eine überaus gelungene Einspielung von Saties Klaviermusik hervorgebracht. Schon im Jahr 2013 überzeugte die Pianistin Chisako Okano mit einer Interpretation, die es schaffte, die Schlichtheit und Klarheit in Saties Werk zu betonen, ohne die Musik ins Banale abdriften zu lassen. Obwohl die in zwei CDs vorliegende Aufnahme von Noriko Ogawa - Vol. 1 erschien in Saties Jubiläumsjahr 2016 - deutliche Unterschiede zu der vorherigen Einspielung aufweist, erscheint mir ihr Ansatz nicht weniger gelungen und vor allem nicht weniger nah am Wesen von Saties Musik zu sein.

Gelungen und durchdacht

Eines der Charakteristika von Saties Klaviermusik ist es, dass es sich in den meisten Fällen um Miniaturen handelt, die oft nur zwei Minuten lang oder noch kürzer sind. Auf diese Weise vereinigt die vorliegende Aufnahme insgesamt 50 dieser pianistischen Momentaufnahmen, die unter verschiedenen Titeln zusammengefasst werden. So finden sich hier neben dem berühmten Zyklus 'Sports et Divertissements' auch die 'Préludes flasques', die 'Préludes du Fils des Étoiles' sowie zahlreiche Kinderstücke, zu denen unter anderen die 'Enfantillages pittoresques' und die 'Menus propos enfantins' gehören. Allein diese Beispiele zeigen den vielschichtigen Charakter der Musik, die in dieser Zusammenstellung das Kindlich-Verspielte mit dem Statisch-Architektonischen und dem Bildhaft-Dramatischen verbindet. Noriko Ogawa gelingt es, dem Zuhörer alle diese Aspekte deutlich zu machen, ohne dass sie die Musik mit zusätzlicher Bedeutsamkeit auflädt, die vom Komponisten möglicherweise gar nicht intendiert war. Dies heißt auch, dass die Interpretation nicht immer dem Ohr des Zuhörers schmeichelt bzw. seinem Wunsch nach klanglicher Schönheit entspricht. Der einleitende Choral aus dem Zyklus 'Sports et divertissements' scheint ganz im Sinne des von Satie hinzugefügten Textes vor Langeweile, Eintönigkeit und Desinteresse nur so zu strotzen - und wirkt damit genauso ‚unappetitlich‘, wie er nach den Worten des Komponisten sein soll. Demgegenüber präsentiert die Pianistin andere Teile desselben Zyklus mit geradezu überschäumendem Temperament und beeindruckender Virtuosität, die Saties Stücke ungeachtet ihrer oft einfachen Struktur ebenso kennzeichnet wie der Hang zur Schnörkellosigkeit und Einfachheit.

Einspielung auf Historischem Flügel

Was die Aufnahme neben der ausgefeilten und klugen Interpretation zu einem besonderen Hörerlebnis macht - auch wenn sicherlich nicht jeder musikalische Geschmack getroffen wird -, ist die Verwendung eines Erard-Flügels aus dem Jahr 1890. Im Gegensatz zu modernen Flügeln, zum Beispiel der Firma Steinway, zeichnet sich das Instrument durch einen etwas raueren, schrofferen Klang aus, den Noriko Ogawa noch dadurch verstärkt, dass sie niemals zuviel Pedal verwendet, sondern den dem Flügel eigenen trockenen Anschlag bewusst als Ausdrucksmittel einsetzt. Für manche Ohren mag dies befremdlich wirken, doch wenn man sich Satie als charakterlich etwas verschrobenen musikalischen Außenseiter mit teils sehr eigenen, skurrilen Ideen vorstellt, entspricht diese Spielweise seiner Musik mehr als eine, die sich der Hörerwartung zu jedem Zeitpunkt anpasst.

Für alle Hörer, die mit Saties Musik bereits vertraut sind und die eine oder andere Einspielung seiner Werke kennen, dürfte diese 2017 beim Label BIS erschienene Aufnahme von Noriko Ogawa eine interessante Bereicherung ein, die möglicherweise neue interpretatorische Perspektiven eröffnet.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Satie, Erik: Sämtliche Klavierwerke Vol. 2

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
BIS Records
1
10.05.2017
Medium:
EAN:

SACD
7318599922256


Cover vergössern

BIS Records

Most record labels begin with a need to fill a niche. When Robert von Bahr founded BIS in 1973, he seems to have found any number of musical niches to fill. The first year's releases included music from the renaissance, Telemann on period instruments, Birgit Nilsson singing Sibelius and works by 29 living composers - Ligeti and Britten as well as Rautavaara and Sallinen - next to Purcell, Mussorgsky and Richard Strauss. A musical chameleon was born, a label that meant different things to different - and usually passionate - devotees.


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...
Titel bei JPC kaufen


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag BIS Records:

  • Zur Kritik... Handzahm: Seit über sechzig Jahren ringen die Interpreten mit Mahlers 10. Sinfonie. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Preußische Quartette: Mozart, sehr feinfühlig auf Darmsaiten eingespielt. Weiter...
    (Manuel Stangorra, )
  • Zur Kritik... Nachlese: Orchestrale Brillanz kann interpretatorische Tiefe in diesen Legenden aus dem berühmten finnischen Epos nicht ersetzen. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
blättern

Alle Kritiken von BIS Records...

Weitere CD-Besprechungen von Dr. Uta Swora:

  • Zur Kritik... Einblick in die kompositorische Seele: Mit seiner bis ins kleinste Detail ausgefeilten und sowohl pianistisch als auch inhaltlich überzeugenden Interpretation gewährt Yunus Kaya dem Zuhörer auf meisterhafte Weise einen Einblick in das anspruchsvolle Herzstück von Brahms' Klavierwerk. Weiter...
    (Dr. Uta Swora, )
  • Zur Kritik... Beethoven mit eigener Note: Josep Coloms ungewöhnliche und in ihrer künstlerischen Freiheit inspirierende Interpretation der drei letzten Klaviersonaten und Bagatellen Beethovens zeigt, dass es nie zu spät ist, auch scheinbar bis ins letzte Detail vertraute Werke neu kennenzulernen. Weiter...
    (Dr. Uta Swora, )
  • Zur Kritik... Vom Staub befreit: Egal wie oft man die Große C-Dur-Sinfonie von Schubert schon gehört haben mag – die Aufnahme des Residentie Orkest The Hague unter Jan Willem de Vriend bietet auch dem geübten Ohr eine faszinierende Neuinterpretation des Meisterwerks. Weiter...
    (Dr. Uta Swora, )
blättern

Alle Kritiken von Dr. Uta Swora...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

  • Zur Kritik... Pranken und Poesie: Garrick Ohlsson präsentiert einen bedenklichen Brahms. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
  • Zur Kritik... Gibt es ein 'fast zu schön'?: Christian Zacharias spielt vier mittlere Haydn-Sonaten. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
  • Zur Kritik... Geistvoll: Karel Valter und Hadrien Jourdan breiten gehaltvolle Sonaten des großen Carl Philipp Emanuel Bach mit dem notwendigen Gewicht aus, verbunden mit gestalterischer Raffinesse und Klangeleganz. Weiter...
    (Dr. Matthias Lange, )
blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (5000 KByte)

Anzeige

Jetzt im klassik.com Radio

Sergej Tanejew: Quartett für Klavier, Violine, Viola und Violoncello E-Dur op.20 - Adagio piu tosto largo - Allegro agitato

CD kaufen


Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Sponsored Links

Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich