
J. S. Bach: Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort - Kantaten BWV 79 & 126 - Missa brevis BWV 236
Lutherisch
Label/Verlag: Carus
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Hans-Christoph Rademann und seine gewandelten Gaechinger setzen ihren mit der h-Moll-Messe so spektakulär begonnenen Weg fort: entschlossen und stilistisch klar so ist aus Stuttgart in Zukunft noch viel Erfreuliches zu erwarten.
Passend zum Reformationsjubiläum hat Hans-Christoph Rademann mit seiner Gaechinger Cantorey – an die neue Schreibweise muss man sich noch ein wenig gewöhnen – ein schönes, durch und durch lutherisches Bach-Programm aufgelegt. Es sind die Kantaten BWV 126 'Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort' und BWV 79 'Gott der Herr ist Sonn und Schild', beide 1725 entstanden, die eine auf lutherische Liedvorlagen rekurrierend, die andere dem Reformationsfest gewidmet. Dazu erklingt mit der 'Missa brevis' in G BWV 236 ein Beispiel der Messen, die Bach für den lutherischen Gottesdienst schuf. Die drei Werke bilden das ab, was Bach geradezu idealiter in der Nachfolge der Vorstellungen Luthers zu etlicher Höhe geführt hat, in ungemein qualitätvollen Beispielen seines Komponierens. Und in der Verbindung einzelner Sätze der Messe zu BWV 79 steht das Programm zugleich für das von Bach immer wieder mit großer Kunstfertigkeit und wachem Sinn für bewahrenswerte Qualität angewandte Parodieverfahren.
Starkes Ensemble
Ein ausgewogenes Programm, geprägt vom stimmungsvoll agierenden, mit 30 Vokalisten durchaus nicht knapp dimensionierten Kammerchor der Gaechinger Cantorey: Technisch, stilistisch, in Sachen präziser Organisation und lebendiger Interaktion mit den Instrumenten singt das Ensemble überzeugend, choraliter ungemein kraftvoll und, ja, glaubenssatt. Die Fuge am Beginn der Messe wirkt in der Gestaltung der Linien vielleicht um eine Spur zu dicht gebaut.
Das von Rademann zusammengestellte Orchester agiert mit sprudelnd-eleganter Eloquenz, zeigt ein vorbildliches Spiel, bei allem Charme kraftvoll, konzentriert und plastisch gerundet. Viele bemerkenswerte solistische Beiträge sind zu hören; ein knackiges Bassregister überzeugt besonders, hier wiederum das Fagott von Györgyi Farkas. Artikuliert wird beredt – da gibt Hans-Christoph Rademann ein tatsächlich gemeinsam und entschlossen belebtes Ideal vor; viel kleinteilige Arbeit wird fruchtbar gemacht. Dynamisch lotet das Ensemble einen erstaunlich weiten Raum aus, ohne Force, mit einem großen Reichtum an Differenzierungskunst.
Vokalsolistisch ist der Befund ähnlich erfreulich: Im lediglich duettierend geforderten Sopran präsentiert Dorothee Mields ihr üppiges Stimmgold, betört sie mit Eleganz und dem ganzen Reichtum ihrer großen Möglichkeiten. Der Altus Benno Schachtner, als erster Countertenor 2012 Bach-Preisträger, hat eine charismatische Stimme: Mit ausgeglichenen, wunderbar ineinander verblendeten, gerundeten Registern, harmonisch gebaut und technisch stark – Alt-Gesang auf höchstem Niveau. Der isländische Tenor Benedikt Kristjánsson hat beim Bach-Wettbewerb 2012 ebenfalls einen Preis gewonnen: den Publikumspreis. Seine zarte, leichte Stimme ist von großem Reiz, nimmt mit schönem Schmelz und eleganter Lyrik für sich ein, punktet mit einer ungemein freien Höhe. Tiefere Lagen wirken etwas matter; manch ambitionierte Koloratur wird in ihrem Verlauf fester. Schließlich Tobias Berndt in der Basspartie: Mit seinem harmonischen Bariton verleiht er auch der vokal undankbaren – affektiv und mit Blick auf den Satz natürlich zugleich höchst aufregenden – Arie 'Stürze zu Boden, schwülstige Stolze' aus BWV 126 mit ihren vielen unangenehmen Septsprüngen linearen Reiz. Berndt hat glänzende Höhen, in der absoluten Tiefe verfügt er über etwas weniger Autorität. Und er ist auf natürliche Weise koloraturgewandt. Klanglich ist die in der Stuttgarter Liederhalle entstandene Einspielung die reinste Ohrenweide: ungemein plastisch, griffig, energetisch und in sehr schön strukturierter Balance.
Hans-Christoph Rademann und seine gewandelten Gaechinger setzen ihren mit der h-Moll-Messe so spektakulär begonnenen Weg fort: entschlossen und stilistisch klar – so ist aus Stuttgart in Zukunft noch viel Erfreuliches zu erwarten.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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J. S. Bach: Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort: Kantaten BWV 79 & 126 - Missa brevis BWV 236 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
Carus 1 05.05.2017 059:08 2016 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4009350833111 Carus 83.311 |
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Bach, Johann Sebastian |
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"Johann Sebastian Bach hat die protestantische Kirchenmusik bis heute maßgeblich geprägt. Ganz im Sinne Martin Luthers lässt der musikalische Prediger den Hörer die theologische Botschaft emotional wie rational begreifen. Die nun vorliegende Einspielung der Gaechinger Cantorey unter Hans-Christoph Rademann steht passend zum Jahr 2017 ganz im Zeichen der Reformation: Die Kantate Gott, der Herr, ist Sonn und Schild entstand zum Reformationstag 1725, die Lutherische Messe BWV 236 greift musikalisch auf einzelne Teile der Kantate zurück, und die Choralkantate Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort basiert auf einem Kirchenlied des Reformators. Gleichzeitig steht die CD auch im Zeichen der Neuausrichtung der Gaechinger Cantorey: Bei seiner zweiten CD-Einspielung unter Leitung von Rademann wird der Chor begleitet vom neu formierten, eigenen Barockorchester der Cantorey. Auch der von der Bachakademie in Auftrag gegebene Nachbau einer Truhenorgel aus der Orgelwerkstatt des legendären Bach-Zeitgenossen Gottfried Silbermann erklingt hier erstmals auf CD." |
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Carus Der Name Carus steht weltweit als ein Synonym für höchsten Anspruch und Qualität auf dem Gebiet geistlicher Chormusik. Dies betrifft nicht nur unsere zuverlässigen Noteneditionen vieler zu Unrecht in Vergessenheit geratener Werke. Es ist uns ein besonderes Anliegen, gerade diese Werke - oft als Weltersteinspielungen - auch in exemplarischen Interpretationen durch hochrangige Interpreten und Ensembles auf CD vorzulegen. Der weltweite Erfolg unseres Labels führte zur Erweiterung unseres Katalogs: Neben der Chormusik, die weiterhin den Schwerpunkt des Labels bildet, haben gerade in den letzten Jahren einige Aufnahmen barocker Instrumentalwerke internationale Beachtung gefunden. Unsere Zusammenarbeit mit erstklassigen Interpreten führte zu einer hohen Klangkultur, die mit der Verleihung vieler internationaler Preise honoriert wurde (Diapason d'Or, Preis der Deutschen Schallplattenkritik, Gramophone - Editor's choice). Mehr Info... |
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