
Cello Abbey - Cellokonzerte von Elgar und Walton
Ohne Herrenhaus
Label/Verlag: ARS Produktion
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Nadège Rochat und die Staatskapelle Weimar verfolgen in dem vorliegenden britischen Programm ein ambitioniertes Konzert, das nicht durchgängig aufgeht.
‚Cello Abbey’ – was für ein merkwürdiger CD-Titel, und auch die Coverfotos (die Musikerin allein im Wald und auf dem Felde – allerdings wohl eher dem Thüringer als dem englischen) machen neugierig. ‚Cello-Abbey’ (mit Bindestrich!), so erklärt es das Booklet, hat ebenfalls nichts mit englischer Realität (sprich den Abbey Road Studios) zu tun, sondern mit der fiktiven Welt historistischer Soap Operas à la ‚Downton Abbey’ (warum bei den Fotos die Herrenhäuser rund um Weimar keine Berücksichtigung fanden, etwa das im frühen 20. Jahrhundert als Musikzentrum berühmte Gut Holzdorf, gleicht gerade bei diesem Konzert einer vertanen Chance). Ob der Qualität der Musik mit derartigen gewollten Bezügen gedient ist, sei zunächst dahingestellt, auch ob die Musiker so den Geist der Musik tatsächlich treffen können.
Zwei ‚Schlachtrösser’ bieten die Cellistin Nadège Rochat und die Staatskapelle Weimar unter Paul Meyer auf der vorliegenden SACD, die Konzerte von Walton und Elgar, ergänzt um eine Rarität. Leider sind auch die Einlassungen der Solistin im Booklet das Überzeugendste. Da sie offenkundig ihrem Dialogpartner kenntnismäßig deutlich überlegen ist, dies aber durch kein Bookletlektorat korrigiert wurde, bleibt der gesamte Booklettext für den Rezensenten letztlich unbefriedigend.
Die Interpretationen greifen in gewisser Weise dieses etwas künstliche Konzept auf. Das ist Musik großer Emotion, großer kontrapunktischer Klarheit (klare fünf Sterne für die SACD-Aufnahmetechnik, gäbe es nicht die im Folgenden zu machenden Einschränkungen), eines stark verwobenen Ineinanders von Solo- und Orchesterpart. Viele Nebenstimmen, die man sonst vielleicht nicht gehört haben mag, treten nun hervor – doch erfährt dadurch das eigentliche kompositorische Idiom eine nachhaltige Veränderung. Das Cellokonzert von Walton (das hier in der Uraufführungsfassung von 1957 gegeben wird, nicht mit der, wie nach dem Booklet erwartbaren, abweichenden Kadenz von 1974, die aber dem Konzept der SACD weitaus angemessener gewesen wäre und darüber hinaus den Vorteil gehabt hätte, eine absolute Rarität zu sein) erfährt eine emotional starke Wiedergabe von großer Klarheit, die das romantizistische Element besonders betont. Durch die starke Gleichberechtigung zahlreicher Stimmen (auch eigentlich im Hintergrund zu platzierender Nebenstimmen) verliert sich der Fokus der Komposition gelegentlich ein wenig, auch gibt es Momente, die sich bedenklich dem Kitsch nähern (dies lässt sich bei anderem interpretatorischem Zugriff im Gesamtklang ‚verstecken’).
Elgars e-Moll-Konzert scheint allen Beteiligten insgesamt besser zu liegen. Rochat, die den Solopart teilweise eindeutig an der expressiven Linie Jacqueline du Prés anlehnt (vor allem ihre Live-Mitschnitte aus Philadelphia oder London), lässt sich durch das gelegentlich etwas zu stark hervortretende, anderswo zu zurückhaltende und hier insgesamt viel zu farblose Orchester aus dem Konzept bringen und reißt wenn möglich auch den Dirigenten mit, der an merkwürdigen Stellen die melancholischere Komponente hervorzuheben bevorzugt, um gleich darauf ins Expressivere zu wechseln. Die Staatskapelle Weimar kann das im Walton-Werk teilweise ins Extreme getriebene Konzept der ‚Kontra-Textur’ aufgrund der abweichenden ‚Schreibe’ Elgars nicht gleichermaßen umsetzen, wodurch auch die SACD-Qualitäten der Einspielung etwas weniger präsent bleiben.
CD-Premiere feiert eine 1913 entstandene 'Elegy' für Cello und Orchester der aus Irland stammenden Komponistin Ina Doyle (1889–1967), die lange nach Entstehung des vorliegenden Werks Studentin Ralph Vaughan Williams‘ wurde. Die Bemühungen der Produktion, die zwei Werke durch eine Rarität aufzuwerten, gelingt nur bedingt, auch weil bei knapp 63 Minuten Spiellänge wenigstens noch eine weitere Rarität auf der Platte Platz gehabt hätte. Doyles Stück pendelt unentschieden zwischen Raff- oder Bruch-Nachfolge und konventionellen Formeln, die bis zu Schumann zurückführen, erweist sich somit allzu stark als Jugendwerk, auch wenn gerade hier die kontrapunktierenden Elemente im Orchester besonderen Reiz vermitteln und verhindern, dass die Musik zu gepflegter Langeweile gerät.
Insgesamt aber hinterlässt die Platte einen unausgewogenen Eindruck, nicht wegen der einzelnen Leistungen, sondern weil zu viel gewollt wurde und so das eine Konzept dem anderen gelegentlich doch sehr auf die Pelle rückt.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Cello Abbey: Cellokonzerte von Elgar und Walton |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: |
ARS Produktion 1 07.04.2017 62:40 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
SACD
4260052382219 ARS 38 221 |
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Boyle, Ina |
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ARS Produktion Das exquisite Klassiklabel ARS Produktion wurde 1987 von Annette Schumacher mit dem Ziel gegründet, jungen, aufstrebenden Künstlern und interessanten Programmen gleichermaßen eine individuelle musikalische Heimat und entsprechende Marktchancen, u.a. durch internationalen Vertrieb und Vermarktung zu geben. Die bei Paul Meisen ausgebildete Konzertflötistin hat sich damit nach langer aktiver Musikerlaufbahn einen geschäftlichen Traum erfüllt.
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