
New Works for Cello solo - Werke von Toch, Fortner, Adler und Klebe
In Mannheim unterm Dach
Label/Verlag: TYXart
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese Zusammenstellung macht mit bislang weitgehend vernachlässigten Cellowerken bekannt - die Bekanntschaft lohnt sich. Sie ist nicht von langer Dauer, aber möglicherweise mit bleibenden Eindrücken.
‚Unterm Dach‘, so nennt Friedemann Döling, Solocellist am Mannheimer Nationaltheater, seine eigene Konzertreihe, und hier – und nicht nur dort – sind die vier hier vorgestellten Werke häufiger zu hören. Dennoch handelt es sich hier teilweise um Tonträgerpremieren (leider erfahren wir nicht, bei welchen Kompositionen dies so ist). Der rote Faden der CD (und vielleicht auch der Grund, warum sie mit knapp 49 Minuten doch ausgesprochen kurz ist) scheint die Region Mannheim/Nordbaden zu sein. Dass Ernst Toch (1884-1967) von 1913 bis 1928 an der Mannheimer Musikhochschule lehrte, ist heute fast völlig vergessen. Erst 1963 aber, in den USA, entstand das dreisätzige Impromptu op. 90c, als Geburtstagsgeschenk für Gregor Piatigorsky. Zwei langsamere Sätze umrahmen ein intermezzoartiges 'Allegretto grazioso'; der improvisatorische Aspekt lässt genügend Platz sowohl für große warme Melodiebögen, die Teil von Piatigorskys besonderen Qualitäten waren. Friedemann Döling überzeugt in den expressiveren Außensätzen denn etwas mehr als in dem Intermezzo, das der Interpret vielleicht einen Hauch zu ernst nimmt.
Samuel Adlers (geb. 1928) Vater war Schüler Tochs in Mannheim sowie Kantor an der Mannheimer Hauptsynagoge gewesen. Wie Toch emigrierte die Familie Adler in die USA; hier entstand im Dezember 1965 für Lynn Harrell die fünfsätzige Sonate für Cello solo. In der Gesellschaft der anderen Kompositionen wirkt sie qualitativ etwas schwächer, weil weniger stark vorwärtsblickend; hier haben wir eher ein Werk, das die Möglichkeiten des damaligen Jetzt auslotet, aber insgesamt eine Spur zu sehr auf Nummer Sicher geht. Wahrscheinlich hätte die Sonate auf der CD mehr Effekt gemacht, wäre sie an erster Stelle positioniert worden, nicht hinter dem Toch und dem Fortner. Döling fühlt sich in der Komposition hörbar wohl, die unterschiedlichen Satzcharaktere werden mit großer Natürlichkeit realisiert.
Wie Adler in Mannheim geboren war Giselher Klebe (1925-2009). Seine 'Nenia' für Cello solo entstand 1974 in Detmold für André Navarra. Klebe, einst ein wohlbekannter Name in der deutschen Musik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ist völlig zu Unrecht aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden – die große, zeitlose Qualität seines Opus 70, das teilweise in Folge eines brutalen Bombenattentats in Bologna entstand, ist unüberhörbar. Auch in dieser Komposition fühlt sich Döling hörbar wohl, seine autoritative Darbietung bringt die CD zu einem überzeugenden Abschluss.
Nicht Mannheim, sondern Heidelberg war bis 1954 das Wirkungsfeld von Wolfgang Fortner (1907-1987); hier entstand auch 1932 seine viersätzige Suite für Cello solo. Trotz des vorgeblichen Rückgriffs auf alte Formgestalten erweist sich die Komposition ganz als mehr als nur zeitgenössisch – im Grunde verortet sich die Musik weit später im 20. Jahrhundert als das Entstehungsdatum vermuten ließe (man vergleiche etwa mit Kodály). Besonders reizvoll sind der 'Danza' überschriebene, aber italienische Tanzformen weit hinter sich lassende zweite Satz sowie die an Stelle des langsamen Satzes stehende 'Canzone', ein anspruchsvoller Variationensatz. Hier ist Dölings interpretatorischer Zugriff auch von größerer innerer Schlüssigkeit als beim Toch – mal greift er auf bewusst fahlen Ton zurück, mal leuchten die Klangfarben; besonders fein auch seine Piano- und Pianissimotönungen. Wohltuend verzichtet er auf unnötige agogische Verzerrungen, sein Gespür für Timing lässt keine Wünsche offen (außer vielleicht einem, der der Situation einer Tonträgerproduktion geschuldet ist: Dem Rezensenten scheint es offenkundig, dass dritter und vierter Satz nicht unmittelbar hintereinander eingespielt wurden – so gibt es hier einen gewissen Spannungsabfall zwischen den Sätzen, der erst während des Spiels wieder überwunden wird).
Aufnahmetechnisch lässt die CD keine Wünsche offen, das Instrument ist in großer Natürlichkeit und Transparenz eingefangen. Der Booklettext ist kompetent, aber nicht kongenial, wie sonst häufig bei TYXart in Bezug auf Gestaltung und Informationsgehalt. Im Gegenteil wirkt er an verschiedenen Stellen deutlich zu knapp und zu wenig objektiv, doch auch nicht subjektiv genug, um Einsichten des Interpreten erfahren zu können.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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New Works for Cello solo: Werke von Toch, Fortner, Adler und Klebe |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: |
TYXart 1 07.04.2017 48:55 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4250702800989 TXA17098 |
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"CD "Neue Werke für Violoncello solo" |
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