
British Tone Poems Vol. 1 - Werke von Austin, Alwyn, Bantock, Gurney u.a.
Pastellmalerei
Label/Verlag: Chandos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Fährt Rumon Gamba auf ähnlichem Niveau fort, wird auch die Reihe 'British Tone Poems', die mit wenig bekannten Kleinodien aufwartet, eine glanzvolle Serie. Ein eindrucksvoller Anfang ist mit Folge 1 gemacht.
Nachdem sich das Label Chandos zugunsten von Dutton und Lyrita aus der Pflege britischer Musik (Anthologien ausgenommen) etwas zurückgezogen hat, ist es zumindest erfreulich, dass mit der vorliegenden CD eine neue Reihe eröffnet wird, die das weite Feld der britischen Tondichtungen erkundet. Die besondere Aufgabe hierbei ist, den Chandos-Katalog nicht unnötig zu duplizieren und dennoch einen mehr als nur repräsentativen Querschnitt über hinlänglich Bekanntes vorzulegen. Die neue CD erfüllt diese nicht ganz leichte Aufgabe mit großem Erfolg – eine beachtliche Leistung, gerade wenn man bedenkt, dass bei eher unbekannter Orchestermusik auch immer wieder die Frage nach dem Aufführungsmaterial auftaucht.
Orchestermusik Frederic Austins (1872–1952) war bislang vornehmlich auf ClassicO und später (in Übernahme) Dutton zugänglich (die Ouvertüre 'The Sea Venturers' überdies auf der Chandos-CD ‚Overtures from the British Isles Vol. 1‘). Hier erlebt die Symphonische Rhapsodie 'Spring' (1902-7, rev. 1909) ihre zweite Einspielung. Wie schon in Rumon Gambas Reihe der ‚Overtures from the British Isles‘, ebenfalls mit dem BBC National Orchestra of Wales, wird auch hier der symphonische Gestus der Musik hervorgehoben – selbst die hier vorliegende musikalisch gar nicht so anspruchsvolle Arbeit erfährt eine überzeugende ‚alternative‘ Wiedergabe, bei der gerade die lyrischen Bögen wunderbar ausmusiziert werden. Derselbe Jahrgang wie Austin ist Ralph Vaughan Williams, dessen frühe Tondichtung 'The Solent' (1902-3, ebenfalls bislang nur einmal auf CD vorgelegt) Richard Hickox‘ gewichtige Edition des Komponisten für Chandos erfreulich ergänzt. Die ‚Impression für Orchester‘ ist unvollständig erhalten, James Francis Brown hat sie äußerst stilgemäß wiederhergestellt. Die Nähe zu den 'Norfolk Rhapsodies' und dem langsamen Satz der 'London Symphony' ist unüberhörbar und wird hier in herrlichster Weise ausmusiziert.
Eine weitere Editions-Erweiterung stellt William Alwyns (1905–1985) 'Blackdown. A Tone Poem from Surrey' (1926) dar. Im Geist teilweise an Vaughan Williams und Delius gemahnend, von feiner Stimmungszeichnung, aber durchaus auch kräftiger Farben fähig. Noch wichtiger und bedeutender ist die Tondichtung 'The Witch of Atlas' nach Shelley (1902) von Granville Bantock (1868–1946). Warum von Bantock die einzige bereits mehrfach eingespielte Tondichtung gewählt wurde (außer ihrer musikhistorischen Bedeutung), bleibt unklar – blieb doch Vernon Handleys Reihe für Hyperion unvollständig und auch interpretatorisch gelegentlich unterkühlt. Gambas Interpretation ist farblich reicher und in der Ausarbeitung wärmer als jene Handleys und gleichzeitig aufnahmetechnisch um ein Vielfaches weitgefächerter und befriedigender als Thomas Beechams legendäre Einspielung. Gambas Einspielung darf wohl als neue Referenzeinspielung angesehen werden.
Komplettiert wird die CD durch Ivor Gurneys (1890–1937) 'Gloucestershire Rhapsody', die, 1919-21 entstanden, erst 2010, infolge der Einrichtung von Philip Lancaster und Ian Venables, ihre Uraufführung erlebte; außer einer Beilage-CD des BBC Music Magazine war diese Komposition bislang nicht auf Tonträger greifbar. Eine echte CD-Premiere schließlich ist 'A Berkshire Idyll' (1913) von Henry Balfour Gardiner (1877–1950), einem Onkel von John Eliot Gardiner und wichtigen Konzertveranstalter der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Beide Werke sind von großer Attraktivität, auch wenn Gardiners Komposition vielleicht etwas weniger schwergewichtig ist (der Komponist vernichtete viele seiner Werke, fast nur die gedruckten Kompositionen sind heute greifbar; umso erfreulicher, dass dieses Werk, das in einigen Stellen an Delius, aber auch an Debussy gemahnt, nun endlich der Vergessenheit entrissen werden konnte.
Die Interpretationen sind (von der heute leider so weit verbreiteten Unart abgesehen, die zweiten Geigen schräg hinter/neben den ersten zu positionieren statt wie damals üblich gegenüber rechts vom Dirigenten) allesamt sorgsamst ausgearbeitet und klanglich fein schattiert. Die Aufnahmetechnik bietet (auch ohne SACD-Klang) ausgezeichnete Staffelung und Abbildung der einzelnen Orchestergruppen. Da auch das Booklet höchsten Anforderungen entspricht, ist nun in nicht allzu ferner Zukunft auf eine Fortsetzung der Reihe zu hoffen, vielleicht mit John Foulds, Josef Holbrooke ('Dylan'), Cyril Scott ('Neptune') und Cyril Rootham ('Pan')?
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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British Tone Poems Vol. 1: Werke von Austin, Alwyn, Bantock, Gurney u.a. |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Chandos 1 03.03.2017 |
Medium:
EAN: |
CD
095115193921 |
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Chandos Chandos Records was founded in 1979 by Brian Couzens and quickly established itself as one of the world's leading classical labels. Prior to forming the label, Brian Couzens, along with his son Ralph, worked for 8 years running a mobile recording unit recording for major labels (including RCA, Polydor, CFP, etc.) with many of the world's leading artists.
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