
Jommelli, Niccolò - La Passione di Nostro Signore Gesú Cristo
Gefälliges Leiden
Label/Verlag: Pan Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese Wiederveröffentlichung von Jommellis 'La Passione di Nostro Signore Gesù Cristo' beeindruckt vor allem orchestral und in Bezug auf zwei der beteiligten Vokalsolisten, doch rundum zufrieden macht die Produktion nicht.
Als Meister der sogenannten Frühklassik, der Zeit zwischen Händel und Mozart, hatte Niccolò Jommelli bedeutenden Anteil an der Entwicklung der Musik der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Und wo seine 1749 für Rom entstandene mit einer an die 'Zauberflöte' gemahnende Passionskomposition beginnt, da manifestiert sich nicht nur italienischer Klangreichtum, wie wir ihn später bei Salieri, Cimarosa und vielen anderen finden werden, sondern auch europäischer Geist – dergestalt, dass der innereuropäische Austausch im 18. Jahrhundert weit aktiver (also nicht nur perziptiv) und auch multidirektionaler (also nicht nur in die eine oder andere Richtung) war als später. Jommellis Klang empfiehlt sich sogleich als farbenreich und dramatisch durchpulst. Kein Rezitativ dieses Passionsoratoriums ist musikalisch belanglos, die Arien und Chöre sowie das einzige Duett (zwischen Maria Magdalena und Petrus) motivisch und harmonisch attraktiv sowie von natürlich starkem Ausdruck. Jommelli war eindeutig unerlässlich für die Entwicklung des frühen Mozart, aber auch etwa Glucks und zahlreicher Zeitgenossen. Wenn es dieser Musik an etwas fehlt, dann vielleicht an großen Emotionen: Hier ist alles (durchaus entsprechend dem Stil der Zeit) sublimiert, ‚gefällig verpackt‘.
Unter den Interpreten dieser inspirierten Einspielung aus dem Jahr 1996 (ursprünglich auf K 617 erschienen) ist an allererster Stelle die Berliner Barock Akademie zu nennen, ein offenbar recht kurzlebiges Ensemble, dem u.a. Midori Seiler und Jan Freiheit zugehörten. Unter der Leitung von Alessandro De Marchi, der 1998 die Leitung der Academia Montis Regalis übernahm, bietet sie eine spannungsreiche, sorgsam austarierte Leistung. Die solistischen Anforderungen sind von ganz unterschiedlichem Kaliber – zum Teil enorm. Der Petrus (Pietro) erfordert einen höchst agilen, aber auch im Rezitativ genügend schweren Tenor, der auch in der Kopfstimme (schon in seiner ersten Arie muss er weit in Altgefilde vorstoßen) natürlich und organisch klingt. Der Amerikaner Jeffrey Francis bringt nahezu alle Voraussetzungen hierzu mit; seine Stimme ist flexibel, ausdrucksstark, aber nicht schwer, auch in den Höhen gut an die Bruststimme angebunden. Einzig in den Koloraturen ist er nicht ganz exakt, was aber seine musikalische Leistung nicht wirklich beeinträchtigt (seine umfangreiche Partie wird auch durch Streichung seiner letzten Arie nicht nennenswert beschnitten). Die in der Ukraine geborene deutsche Sopranistin Anke Herrmann bringt für die Maddalena ein attraktives Timbre mit, das den auch einfacheren Linien ihres Parts besondere Apartheit verleiht. Die Mezzosopranistin Debora Beronesi und der Bariton Maurizio Picconi als Giuseppe di Arimatea sind die schwächsten Mitglieder des Quartetts – in der Tongestaltung und der Textausdeutung immer wieder farblos, in Koloraturen und/oder Linienführung unsicher, schwach in Tiefen (besonders er), sie gelegentlich allzu guttural in der Klangbildung und weit vom Gesangsstil des 18. Jahrhunderts entfernt; man bedauert nicht, dass beiden nur je zwei Arien zugewiesen sind.
Der chorische Beitrag ist mit drei Sätzen insgesamt sehr überschaubar und auch von den Leistungen eher nicht erwähnenswert. Leider ist bei der Wiederveröffentlichung auf eine deutsche Librettoübersetzung ebenso verzichtet worden wie auf Interpreteninformationen (vor allem zur Berliner Barock Akademie hätte man aus historischer Perspektive gerne mehr erfahren). Insgesamt eine gute, aber keine Referenzeinspielung dieser interessanten Komposition, mit zwei herausragenden solistischen und einer herausragenden orchestralen Leistung.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Jommelli, Niccolò: La Passione di Nostro Signore Gesú Cristo |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Pan Classics 2 03.03.2017 |
Medium:
EAN: |
CD
7619990103764 |
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Pan Classics Gegründet 1992 vom Musikhaus Pan in Zürich, wurde das Label 1997 von den Tonmeistern Clement Spiess und Koichiro Hattori übernommen. 2011 entschloss man sich zu einem radikalen Neuanfang: Der umfangreiche Katalog wurde gelichtet und die verbliebenen Aufnahmen erhielten ein neues, attraktives Erscheinungsbild. Den CDs wird so ein unverwechselbares Äußeres mit einem hohen Wiedererkennungswert verliehen. Geblieben sind dagegen die Vorliebe für außergewöhnliches Repertoire und der Anspruch, mit renommierten Musikern und Ensembles einen künstlerisch hochwertigen Katalog zu schaffen. Zu diesen Künstlern zählen Namen wie die Hammerklavier-Spezialisten Edoardo Torbianelli und Arthur Schoonderwoerd, der Tenor Jan Kobow u.v.a. Mehr Info... |
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