
Johann Sebastian Bach und Bernd Alois Zimmermann - Werke für Violoncello solo
Debüt eines Ambitionierten
Label/Verlag: Ambiente Audio
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Leichtfüßig ist Mischa Meyers Spielweise, aber keineswegs oberflächlich. Das Alte (Bach) und das Neue (Zimmermann) reicht sich so über die Jahrhunderte hinweg die Hand.
Der Cellist Mischa Meyer hat es weit gebracht. Mit heute knapp 34 Jahren ist er bereits seit zehn Jahren Solocellist des Deutschen Symphonie-Orchesters in Berlin. Er hat früh renommierte Preise gewonnen, mit anderen Musikern Kammermusik auf CD aufgenommen und legt nun seine erste Soloplatte vor. Die Werke, die er dafür ausgewählt hat, zeugen nicht gerade von mangelndem Selbstbewusstsein: Zwei Solosuiten von Bach und die Sonate für Cello solo von Bernd Alois Zimmermann sind ein Prüfstein für jeden gestandenen Musiker.
Meyers breit gestreute Interessen in Sachen Repertoire (Kammermusik und Neue Musik) und Spielweise (historische Aufführungspraxis) kommen ihm bei der Interpretation der aufgenommenen Werke zugute. Kein romantisch breiter Strich ist zu hören, es geht eher zurückhaltend und keineswegs ‚solistisch‘ zu; es geht um Struktur in Verbindung mit musikalischer Neugier.
Die Cellosuiten Nr. 1 und 3 von Johann Sebastian Bach nimmt er in einem flüssigen Tempo, ohne aber zu sportlich zu werden. Kein Ton wird mit besonderer Bedeutung aufgeladen, alles erklingt wie ganz natürlich und selbstverständlich. Die Präludien erhalten an Punkten, an denen neue spielerische Ideen beginnen, kleine Tonverzögerungen, die darauf aufmerksam machen. Auch tauchen Grundtöne strukturgebend hervor. An anderer Stelle (Präludium C-Dur) passiert dann genau das Gegenteil: Die Grundtöne verschwinden zugunsten der oberen Arpeggien, womit der Takt völlig aus den Fugen gerät. Lange Bogenstriche sind Meyers Sache nicht, was dazu führt, dass jeder Ton seinen Platz erhält und nichts verwischt wird. Auch mit dem Vibrato geht Meyer sehr sparsam um, die Schönheit des Tons ist dem Ganzen untergeordnet. Alles ist auf die Musik gerichtet, der Interpret tritt in den Hintergrund – eine äußerst sympathische Haltung und wahrscheinlich der reichen Kammermusikerfahrung des Cellisten geschuldet.
Diese Haltung kommt auch der Sonate von Bernd Alois Zimmermann zugute. Beim Hören vergisst man schnell die hochkomplizierte Struktur der Musik, über die im Booklet ausführlich berichtet wird. Sicher kommt dem Hörer dabei auch der zeitliche Abstand zugute, der ihn von den fünfziger und sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts trennt, in denen die Struktur eines Stückes das wesentliche Element für die Anerkennung als Künstler war. Wir haben uns von der Angst der Nachkriegsgeneration entfernt, der Tradition allzu verhaftet zu sein. Die jüngeren Komponisten greifen auf genau jene jahrhundertealten Traditionen zurück und mit ihnen haben auch die Interpreten und Hörer ihren Zugang zur neueren Musik verändert.
Zimmermanns Sonate besteht aus fünf Sätzen, die jeweils in sich noch in Abschnitte unterteilt sind. Es geht um ‚Meditationen, die völlig nach innen gewandt, das Virtuose ausschließen‘, so wird Zimmermann in der Einführung zitiert. Und noch eine weitere Aussage des Komponisten scheint für Meyer wichtig gewesen zu sein: Das Werk sei ‚gewissermaßen als Modellfall für die neue Sicht des Instrumentalen, demonstriert an einem Instrument, welches bisher als erzromantisch galt‘. Das kommt Meyers Spielweise, wie er sie schon an den Bach-Suiten gezeigt hat, sehr entgegen. Bei ihm scheint wieder einmal alles ganz natürlich im Fluss, der Hörer wird vom Interpreten weg und ganz auf die Musik selbst hin gelenkt. Diese Souveränität evoziert dann auch die von Zimmermann erwünschte meditative Hörhaltung und lässt die Kleinodien der einzelnen Abschnitte leuchten.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Johann Sebastian Bach und Bernd Alois Zimmermann: Werke für Violoncello solo |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Ambiente Audio 1 11.01.2017 |
Medium:
EAN: |
CD
4029897030385 |
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