
Chopin, Hummel, Liszt, Babajanian, Atavistic Music Improvisation - Klavierwerke
Leidenschaft auf Abwegen
Label/Verlag: TYXart
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine mutige Zusammenstellung misslingt. Grund dafür ist eine schablonenhafte Stilistik, die den beiden romantischen Werken nicht die gleiche klangliche Differenzierung zuteil werden lässt wie den beiden modernen Werken.
Angela Cholakian hat offenbar eine Vorliebe für rhythmisch packende, energetische Werke. Franz Hummels Klaviersonate mit dem Titel 'Hypnosis' und Babajanians 'Polyphone Sonate' kommen ihr dabei sehr entgegen. Ihr Zugriff ist so packend wie präzise. Chopins 'Andante spianato et Grande Polonaise' sowie Liszts 'Après une lecture de Dante' fügen sich jedoch nur schwer ins Programm ein. Vermutlich ist die dahinterstehende Idee, dass der improvisatorische Zug, den man an jedem der Stücke entdecken kann – der letzte Track 'Atavistic Music' bringt dann folgerichtig auch eine Improvisation –, die Einheit der Programmfolge garantiert.
Die traumverlorene Ziellosigkeit des 'Andante spianato', die balladesken Passagen der Polonaise oder das rhapsodische Kaleidoskop in Liszts 'Après une lecture de Dante' bieten eine zwar anders geartete, aber doch vergleichbare Spontaneität der Empfindung. Leider unterscheidet Cholakian in ihrer Interpretation streng zwischen den beiden Werken des 20. Jahrhunderts, die durch ihren klaren ‚Secco‘-Klang bestechen, und den beiden Werken des 19. Jahrhunderts, die oft im Pedalnebel versinken. Gerade die liegen jedoch in meisterhaften Aufnahmen vor. Wer 'Aprés une lecture de Dante' von Stephen Hough oder Louis Lortie kennt, wird mit Cholakians Deutung seine Schwierigkeiten haben. Beide spielen dynamisch viel differenzierter und gesanglicher in den Andante-Partien und beide sind in der Lage, eine Leuchtspur durch den massiven Klaviersatz zu ziehen. Gelegentlich versucht Cholakian, mit Schwung wettzumachen, was an klanglicher Differenzierung fehlt, aber das Ergebnis klingt leider oft forciert, besonders das Hauptthema der Polonaise leidet in seiner mehrfachen Wiederkehr darunter. Es wäre spannend gewesen, die beiden Klassiker des romantischen Klavierrepertoires einmal aus der Perspektive von Hummel und Babajanian zu sehen, zumal ihr diese viel überzeugender gelingen.
Die Improvisation 'Atavistic Music' ist eine Anregung von Franz Hummel, von dem Cholakian bei TYXart auch die Diabelli-Variationen eingespielt und der auch der Cellist Alexander Suleiman und der Pianist Yoyo Christen auf ihrer gemeinsamen CD ‚Atavistic Music – Extreme Jazz‘ gefolgt sind. Die Idee ‚ohne vorherige Absprache und ohne stilistische Festlegung‘ zu improvisieren, scheint mir aber im Duo sinnvoller als im Solo zu sein. Cholakian entwirft eine Improvisation, die zwischen stehenden Dissonanzen und virtuosen Einlagen wechselt, sie bleibt aber notwendigerweise Selbstgespräch.
Die Klangqualität ist leider ebenfalls nicht optimal. Dem Flügel, ein 225er Bösendorfer, fehlt die räumliche Tiefe, und in den tumultösen Klangballungen wird der Klang hart und farblos. Gelegentlich treten metallische Saitengeräusche auf (z. B. in der Polonaise bei ca. 9:28). Für all diejenigen, die zwei originelle Sonatenkonzeptionen des 20. Jahrhunderts kennenlernen wollen, ist die CD zu empfehlen. In Sachen Chopin und Liszt gibt es jedoch eine größere Anzahl lohnender Alternativen, die man dieser Einspielung aus unterschiedlichen Gründen vorziehen darf.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Chopin, Hummel, Liszt, Babajanian, Atavistic Music Improvisation: Klavierwerke |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: |
TYXart 1 09.01.2017 71:20 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4250702800644 TXA15064 |
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"ANGELA CHOLAKIAN, PIANO" |
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