> > > Inner Lights - Kammermusik für Flöte: Werke von Vivaldi, Marais, Bach, u.a.
Sonntag, 24. September 2023

Inner Lights - Kammermusik für Flöte - Werke von Vivaldi, Marais, Bach, u.a.

Standards light


Label/Verlag: Genuin
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Barbara Kortmanns Debüt-Album präsentiert eine prominente Auswahl barocker Werke, welche - zwei eigene Händel-Arrangements ausgenommen - fraglos zum Standard-Repertoire einer jeden ambitionierten Flötisten-Ausbildung gehören.

Das Label Genuin hat eine Reihe höchst ambitionierter junger Musikerinnen und Musiker im Katalog, die mit ihren sorgfältig gestalteten ersten Aufnahmen bereits auf hohem Niveau überzeugen können. Somit passt auch das erste Album der 1985 in München geborenen Flötistin Barbara Kortmann in die Reihe: Die ‚biographischen Anmerkungen‘ zu ihr im Booklet lesen sich als Reihung von Wettbewerbserfolgen fast wie eine Leistungssportkarriere, wozu auch ihre leicht auffindbare Homepage und die dort und im CD-Booklet klar herausgestellte Protektion durch James Galway gehört. Es ist gewiss nicht leicht, sich trotz dieser Erfolge und anders als im Konzertsaal mit seinen unmittelbar wirkenden persönlichen Momenten nun auch der Konkurrenz auf Tonträgern zu stellen: Dort spielen bei Zielpublikum wie Kritik aufführungshistorische Perspektiven – die guten alten ‚Referenzaufnahmen‘ und aktuell konkurrierende Interpretationsstile – durch die Möglichkeiten des Vergleichs eine wesentliche Rolle. Das ist vielen Musikern ganz unterschiedlich bewusst, einige werden durch gezielte Reflexion ihrer Vorgänger tatsächlich zu neuen Ideen befeuert, andere wollen vielleicht nichts falsch machen, agieren auffallend defensiv oder ignorieren schlicht jeden unumgänglichen Vergleich. Jede neue CD ist, mehr noch als ein Konzert, eigentlich eine riesige Herausforderung, möchte man damit sich der Weltspitze stellen und zu ihr vorstoßen. Und gerade im Genuin-Katalog kann man ganz gut verfolgen, dass es manchen auf Anhieb gelingt und anderen weniger (wobei generell gilt, dass nicht gleich die erste Einspielung den Durchbruch markieren muss). Hinsichtlich Kortsmann Debüt mit ‚Inner Lights‘ – tatsächlich stammt ein älteres Album mit Werken für Flöte und Orgel (Label: Motette) von einer etwas älteren Kollegin genau gleichen Namens aus dem Krefelder Raum – gibt es einige Faktoren, die einfach ungünstig sind.

Das fängt mit der Aufzeichnung in der Berliner Christuskirche an, eigentlich ein etablierter Aufnahmeort, der besonders in den beiden von einem sechsköpfigen Kammerensemble begleiteten Flötenkonzerten ziemlich hallig herüberkommt. Mit dem natürlichen Hall geht zudem die klare Bevorzugung, ein technisches Herausstellen der Solistin einher, deren breiter Ton in einem Maße dominiert, dass man fast durchgängig vom Cembalospiel Sabine Erdmanns wenig vernimmt: Dreht man die Lautstärke aus Neugier auch auf das Ensemble höher, bläst die Flöte einem an lauteren Stellen den Kopf weg. Nicht nur in den Konzerten, sondern ebenso im wichtigen, dialogisch-solistischen Cembalo-Begleitpart der 'Folia'-Variationen von Marin Marais haben die eigenständigen Charakteristika des Musizierens von Erdmann gegen die Flöten-Dominanz kaum eine Chance, hervorzutreten. Etwas ausgewogener sind nur die beiden Deutschen Arien Händels gestaltet und aufgenommen, in denen Kortmann mit der renommierten Barock-Geigerin Kerstin Linder-Dewan in den Oberstimmen alterniert. Sie sind neben der g-Moll-Sonate BWV 1020 (einst Vater Bach zugeschrieben, inzwischen dem Sohn Carl Philipp Emanuel) und der Triosonate aus Bachs 'Musikalischem Opfer', in der Hellen Weiss ihren Violinpart gut auf Kortmanns recht vorsichtige Art der Melodieführung abstimmt, besser gelungen (drei Sterne) als der anfängliche, aus professioneller Sicht – ich habe das durchaus mit einer Flötistin diskutiert – nicht besonders gut zu bewertende Vivaldi-Marais-Teil.

In den beiden Bach-Stücken wirkt das Flötenspiel Kortmanns auch konturierter, da deutlicher und kontrastreicher in der Phrasierung als in Vivaldis 'Gardellino' (RV 428) und 'La Notte' (RV 439) aus den sechs Konzerten Opus 10: Weite Teile wirken nicht nur durch den Hall im Ausdruck eingeebnet, Forte-piano-Kontraste bei Phrasenwiederholungen werden nur angedeutet, aber ebenso wenig konsequent ausgespielt wie rhythmische Akzentuierungen. Und bei Liegetönen v.a. der langsamen Sätze überrascht wiederum eine durch die relative Nähe, ja Schärfe der Flötenstimme in der expressiven Emphase doch oft deutlich wahrnehmbare Ungleichmäßigkeit im Luftstrom. Angesichts der vorhandenen Dutzenden von Einspielungen sind die Versionen Kortmanns in keiner Weise konkurrenzfähig.

Und das liegt auch am durchgehend doch wohlbekannten Repertoire, das ebenso wie das Spiel kaum Überraschungen bietet: Technisch geraten die ‚virtuoseren‘ Doppel- und Flatterzungenpartien (vor allem bei Marais) tadellos, im Ausdruck aber fast alles zu harmlos und glatt, zu kontrastarm. Das wiederum überrascht angesichts der ‚persönlichen‘ Bedeutung, die Kortmann in einem knappen Booklet-Essay diesen im Zuge ihrer Laufbahn eher ‚üblichen‘ Stücken als ‚Inner Lights‘, Leuchtkräften im künstlerischen Leben zuschreibt. Ich würde gerne wissen, ob nicht doch ein paar persönliche Repertoire-Exoten aus dem eigentlich qualitativ und quantitativ unerschöpflichen Barock-Repertoire doch prägnante Spuren hinterlassen haben – und in diesem Programm hinterlassen hätten. In der vorliegenden Form wirkt das Ganze ziemlich risikolos. Und das liegt offenbar nicht an den auf der Papp-Außenhülle nirgends genannten, ja geradezu unterschlagenen Mit-Musikern oder der für Genuin-Verhältnisse ungewohnt problematischen Aufzeichnung, sondern bereits an einem weder ‚historisierenden‘ noch expressiv-individualisierend ausgerichteten Gesamtkonzept.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Inner Lights - Kammermusik für Flöte: Werke von Vivaldi, Marais, Bach, u.a.

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Genuin
1
09.01.2017
Medium:
EAN:

CD
4260036254570


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Bach, Carl Philipp Emanuel
Bach, Johann Sebastian
Händel, Georg Friedrich
Marais, Marin
Vivaldi, Antonio


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Genuin

Im Jahr 2002 standen die jungen Tonmeister von GENUIN vor einer wichtigen Entscheidung: Sollte man sich weiterhin lediglich auf das Aufnehmen und Produzieren konzentrieren, oder auf die zahlreichen Nachfragen und positiven Rückmeldungen von Musikern und Fachzeitschriften eingehen und ein eigenes Label ins Leben rufen? In einer Zeit, in der praktisch alle großen Klassik-Label ihre Produktion eingestellt oder zumindest stark gedrosselt hatten, fiel die Entscheidung nicht leicht – aber sie fiel einstimmig aus: zugunsten einer offiziellen Vertriebsplattform für die GENUIN-Aufnahmen. Und der Erfolg hat nicht lange auf sich warten lassen.

Das Label GENUIN hat sich in seinem zwölfjährigen Bestehen zu einem Geheimtipp unter Musikern und Musikliebhabern entwickelt. Schon vor dem Leipzig-Debüt im Oktober 2004, einem Antrittskonzert im Robert-Schumann-Haus mit Paul Badura-Skoda, wurden die CDs in den deutschlandweiten Vertrieb gebracht und von Fachpresse und Musikerwelt hochgelobt. Inzwischen werden GENUIN-CDs in den meisten Ländern Europas sowie in Japan, Süd-Korea, Hongkong und den USA vertrieben.

Das Erfolgsrezept von GENUIN: Die gesamte Produktion, also die Beratung der Künstler bei Aufnahmeraum und Repertoire, die Vorbereitung und Durchführung der Aufnahme selbst, der Schnitt mit allen notwendigen Korrekturen, generelle Entscheidungen beim Cover- und Bookletentwurf bis hin zur fertigen Veröffentlichung liegen in der Hand der Tonmeister. Nur so haben die Musiker den größtmöglichen Entfaltungsspielraum bei der Einspielung und Gestaltung ihrer CDs. Und gleichzeitig kann bis zuletzt eine gleichbleibend hohe Qualität garantiert werden.

GENUIN bietet auch abseits ausgetretener Pfade etablierten Künstlern genauso wie der Nachwuchsgeneration die Möglichkeit, Musik nach eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Das macht sich positiv bemerkbar für die Hörer der mittlerweile mehr als 300 GENUIN-CDs mit Interpreten wie Paul Badura-Skoda, Nicolas Altstaedt oder der Dresdner Philharmonie.


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