
Bart, Patrice - La Petite Danseuse de Degas
Entschieden zu wenig
Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
2003 ließ sich die Opéra Garnier durch Edgar Degas' Plastik 'La petite danseuse de quatorze ans' zu einem Ballett inspirieren, das 2010 auf Film festgehalten wurde.
Als Edgar Degas 1881 seine Plastik 'La petite danseuse de quatorze ans' ('Die kleine vierzehnjährige Tänzerin') in einem gläsernen Schaukasten ausstellte, verursachte das einen Skandal. Die in Wachs modellierte und mit echter Kleidung, menschlichen Haaren und Accessoires wie Haarschleife und Schläppchen ausgestattete Figur einer jungen Ballett-Elevin der Pariser Oper provozierte ätzende Kritiken. Als Bronzeabguss steht die kleine Tänzerin heute in großen Museen, und auch das Mädchen, das seinerzeit Degas Modell stand, rückte in den Fokus: Die aus Belgien stammende Marie van Goethem wurde zur Figur von Romanen, wissenschaftlichen Arbeiten und Bühnenstücken, in denen auch van Goethems prekäre Lebensverhältnisse sowie die Nähe ihres sozialen Umfeldes zu Prostitution und sexueller Ausbeutung beleuchtet wurden.
Prekäre Lebensverhältnisse
In diesen Kontext gehört auch das an der Pariser Opéra Garnier 2003 uraufgeführte Ballett, in dem biografische Fakten aus dem Leben der Marie van Goethem mit dem Schicksal ihrer älteren Schwester Antoinette verwoben werden. Die von Martine Kahane und Patrice Bart entworfene Handlung wird von der zwielichtigen Figur eines solventen Ballettliebhabers (José Martinez) und der Mutter Maries (Elisabeth Maurin) angetrieben, die das Mädchen (Clairemarie Osta) in die Prostitution drängt.
Beschäftigung mit der eigenen Geschichte
Neben Marie van Goethem beschäftigt sich die Pariser Oper in diesem Stück vor allem auch mit der eigenen Geschichte. Auf der Bühne zeigt Ezio Toffolutti unter anderem die Probenräume der Opéra Garnier, in denen Degas sich inspirieren ließ und das Pariser Ballett bis heute seine Produktionen erarbeitet. Die von Denis Levaillant komponierte Musik verzichtet weitgehend auf gliedernde Rhythmen und verquickt neoimpressionistische Farben, minimalistische Anklänge, behutsame Dissonanzen und Zitate aus Jazz, Bal Musette und Unterhaltungsmusik gefällig miteinander. Dazu entwirft Patrice Bart eine Choreografie, die kaum Überraschungen bereithält. Dass er das klassische Bewegungsrepertoire mit zaghaften Modernisierungen zeigt, ist weniger ein Problem, als dass er damit kaum tieferen Einblick in das Innenleben der Figuren erlaubt.
Schuftende Frauen
Auch in den Massenszenen, in denen ein ästhetisierter Realismus vorherrscht, wird versäumt, wirklich von der Not und Armut der breiten Bevölkerungsschichten im Paris des 19. Jahrhunderts zu erzählen. Das wird vor allem deutlich, wenn Bart in einer Wäscherinnen-Szene ein weiteres Thema der Malerei Degas‘ aufnimmt und den Alltag der Mutter van Goethems zeigt, die sich mit dieser Tätigkeit über Wasser hielt: Barts idyllisches Genrebild bleibt weit hinter der Sozialkritik zurück, die Degas zur Sprache brachte, indem er die schuftenden Frauen zum Sujet seiner Kunst machte. Selbst die Figur der Marie van Goethem erhält in Barts Ansatz kaum Profil. Aus der etwas unbeholfenen Ballettratte, die den Betrachter durch Degas‘ Kunstwerk hindurch bis heute trotzig anschaut, wird bei Bart eine anmutige Primaballerina. Van Goethems Schicksal, das Drama ihrer Existenz wird zur Schablone für ein anmutiges Tanzspektakel. Auch vor dem Hintergrund des vom künstlerischen Teams der Opéra Garnier in Interviews (DVD-Bonus) geäußerten Anspruchs ist das entschieden zu wenig.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Features: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Bart, Patrice: La Petite Danseuse de Degas |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Monarda Music 1 28.10.2016 |
Medium:
EAN: |
DVD
4058407092728 |
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Monarda Music Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
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