
The Fitzwilliam Virginal Book Vol. 5 - Werke von Munday, Richardson u. s.
Meister und Dilettanten
Label/Verlag: Brilliant classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Den fünften Teil seiner Gesamteinspielung des 'Fitzwilliam Virginal Book' bestreitet Pieter-Jan Belder mit qualitativ sehr unterschiedlichen Kompositionen.
Die Handschrift des ‚Fitzwilliam Virginal Book‘, heute aufbewahrt im Fitzwillam Museum in Cambridge und benannt nach ihrem früheren Besitzer Viscount Richard Fitzwilliam, ist eine der bedeutendsten und umfangreichsten britischen Sammlungen von Musik für Tasteninstrumente. Der Folioband versammelt rund 300 Einzelwerke, darunter vor allem zahlreiche zwischen 1562 und 1612 entstandene Stücke von Komponisten wie William Byrd, Orlando Gibbons oder Peter Philips, aber auch anonyme Beiträge und Stücke weniger bekannter Tonsetzer wie William Inglott, John Mundy, Edward Johnson und Martin Peerson. Auf der bislang fünften bei Brilliant Classics erschiene Doppel-CD seiner Gesamteinspielung stellt der Cembalist Pieter-Jan Belder Werke bekannterer britischer Komponisten wie Thomas Tallis (um 1505–1585), Thomas Morley (1557–1602) und Thomas Tomkins (1572–1656) einen umfangreichen Bestand von Stücken anonymer Herkunft sowie jeweils zwei variierte Pavanen und Galliarden des Amateur-Komponisten Ferdinando Richardson (1558–1618) gegenüber.
Die deutlichen musikalischen Qualitätsunterschiede, die sich vor allem zwischen den kompositorisch herausragenden Werken von Tallis, Morley und Tomkins auf der einen und den in ihrer Faktur oft simpel anmutenden und knapp formulierten anonymen Stücken auf der anderen Seite ergeben, bilden wohl – neben der Frage, welche sinnvoll getroffene Auswahl aus dem Gesamtbestand der 297 Werke jede weitere Folge präsentieren soll – das grundlegende Problem einer auf Vollständigkeit zielenden Einspielung. Der Cembalist wirkt ihm dadurch entgegen, dass er die Möglichkeiten der benutzten Cembalo-Nachbauten – verwendet werden wie in Volume 4 der Edition Instrumente von Cornelis Bom (2003, nach Giusti), Gerhard Boogaard (2012, nach Ruckers) und Titus Crijnen (2014, nach Ruckers) – so facettenreich wie möglich einsetzt. Dadurch sorgt er sowohl bei Abfolge der Einzelwerke als auch innerhalb größer dimensionierter, aus mehreren Abschnitten bestehender Kompositionen für ein Höchstmaß an Abwechslung.
Obgleich Richardsons Stücke in ihrer Machart eher einfach sind, zeigt gerade das Paar von 'Pavane' mit 'Variatio' (XXVII und XXVIII) und 'Galiarda' mit 'Variatio' (XXIX und XXX), wie sorgfältig Belder vorgeht, um sowohl die Binnenwiederholungen abwechslungsreich wiederzugeben als auch die von Passagenwerk dominierte variierte Umschreibung klanglich abzuheben. Dagegen dokumentiert der Umgang mit kontrapunktischen Fakturen und ständig veränderten rhythmischen Verläufen in den beiden ausgedehnten Kompositionen von Tallis – 'Felix namque I' (CIX) und 'Felix namque II' (CX) – von der Meisterschaft des Cembalisten, auch ohne einschneidende klangliche Veränderungen weiträumige Entwicklungen überzeugend gestalten zu können. Darüber hinaus bildet der auf der zweiten CD befindliche, in sich abgerundete Block mit acht Stücken Morleys (darin das ganz wunderbar umgesetzte Satzpaar 'Pavan & Galiard', CLIII und CLIV, sowie die agogisch feinfühlig gezeichnete 'Morley Fantasia', CXXIV) samt der drei nachfolgenden Kompositionen Tomkins den Höhepunkt dieser Veröffentlichung.
Dass die Produktion aufs Ganze gesehen nicht ganz so sehr fesselt wie ihre Vorgängerinnen, ist kein Verschulden Belders, sondern hat mit dem Problem der Werkauswahl zu tun. Insofern dürfte es spannend sein, wie der Cembalist bei der Fortsetzung der Einspielung – es müssten noch zwei bis drei Doppel-CDs ausstehen – vorgehen wird. Ganz gleich, für welche Kombinationen er sich entscheidet: Die diskografische Großleistung, dieser historisch einmalige Quelle zu einer klanglichen Umsetzung aus der Hand eines Interpreten zu verhelfen, kann man nicht genug würdigen. Allerdings lässt das Label weiterhin die notwendige Sorgfalt vermissen, dieses Ereignis auch durch eine adäquate Gestaltung des Booklets zu unterstützen. Denn auch diesmal finden sich Fehler in der Trackliste, da bei einigen Stücken die Originalnummern aus dem ‚Fitzwilliam Virginal Book‘ nicht mit angegeben sind.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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The Fitzwilliam Virginal Book Vol. 5: Werke von Munday, Richardson u. s. |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Brilliant classics 1 27.01.2017 |
Medium:
EAN: |
CD
5028421953083 |
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