
Laks & Jarnach - Sinfonien
Streichersinfonien
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine neue Produktion von cpo ermöglicht die Begegnung mit selten zu hörenden Streichorchesterwerken von Simon Laks und Philipp Jarnach.
Es ist als sehr erfreulicher Umstand zu werten, dass die Musik des polnischen Komponisten und Auschwitz-Überlebenden Simon Laks (1901–1983) während der letzten Jahre etwas mehr Aufmerksamkeit erfahren hat. Dank der unermüdlichen diskografischen Bemühungen des Labels EDA Records ist mittlerweile eine ganze Reihe seiner lohnenswerten Werke, darunter auch die feinsinnige komische Oper 'L’Hirondelle inattendue' (1965), verfügbar. Und die vorliegende cpo-Produktion mit dem in Breslau beheimateten NFM Leopoldinum Chamber Orchester unter Leitung von Hartmut Rohde lädt dazu ein, die beiden im Abstand von knapp drei Jahrzehnte entstandenen Streichersinfonien näher kennenzulernen.
Den Anfang macht die 'Sinfonie pour cordes' aus dem Jahr 1964, deren Kopfsatz-Lineaturen die Interpreten in zwei konträre Richtungen ausarbeiten: Einerseits entstehen filigrane Passagen voller kontrapunktischer Überkreuzungen, andererseits werden aber auch breite, flächige Abschnitte erzeugt, wenn das Prinzip von Melodie und Begleitung vorherrscht oder die Einzelstimmen sich gar im Unisono bewegen. Im langsamen Satz wiederum folgt die Aufnahme genau dem von Laks entworfenen Spannungsaufbau, der sich zunächst, vom Kontrabass ausgehend, in einer schrittweise entstehenden Übereinanderschichtung von Stimmen unterschiedlicher Lagen entfaltet, um dann in massiver formulierte Klangbahnen zu münden oder einige überraschende Klangwirkungen durch ungewöhnliche Registerkombinationen zu Tage fördert. Im Scherzo setzen die Musiker dann vor allem auf rhythmische Elemente und akzentuieren dabei kompositorische Kennzeichen, die zwar in den vorangegangenen Sätzen gleichfalls zu finden sind, hier nun aber stärker in den Vordergrund treten, wogegen im vierten Satz – als eine Art Synthese – die Kombination von rhythmischen Impulsen und kontrapunktischen Ansätzen zum Gegenstand der interpretatorischen Auseinandersetzung wird.
Während die späte 'Sinfonie' eher ernst daherkommt, wartet die gleichfalls viersätzige 'Sinfonietta pour cordes' von 1936 mit einem luftigeren, leichteren Tonfall auf. Dennoch weisen die satztechnischen Prinzipien große Ähnlichkeiten zum jüngeren Werk auf: Der Zugriff auf die Tonalität ist, das macht die an erster Stelle stehende 'Ouverture' deutlich, nur wenig eingetrübt (in der 'Sinfonie' ist er verschleiert und wirkt abstrakter), durchzogen von Momenten, denen man eine fast noch impressionistische Farbgebung attestieren möchte, dabei mitunter auch ein wenig an die nur einige Jahre früher entstandene 'Simple Symphony' op. 4 Benjamin Brittens erinnernd. Die an zweiter Stelle stehende 'Sérénade' entfaltet sich in einem von den ersten Violinen weit ausgesungenen Bogen als Melodie über der zunächst gezupften, später im gestrichenen Satz weiter ausdifferenzierten harmonischen Basis und scheint im Walzer des anschließenden 'Rondino'-Satzes seine Fortsetzung zu finden, bevor das 'Final fugué' mit feinen kontrapunktischen Konstruktionen das Werk beschließt.
So erfreulich die Gegenüberstellung beider Werke auch ist: Insgesamt könnte man sich eine kontrastreichere und vor allem gestalterisch zwingendere Darstellung wünschen. Oft wirken die energetischen Stellen – insbesondere dort, wo Laks rhythmisch irreguläre Akzentuierungen in die Verläufe setzt – trotz präzisem Zusammenspiel und hervorragender Intonation der Musiker allzu zahm. Die als alternative Einspielung vorliegende Aufnahme der frühen 'Sinfonietta' mit der Kammersymphonie Berlin unter Leitung von Jürgen Bruns (EDA, 2006) zeigt darüber hinaus, dass sich die Musik auch klanglich weitaus stärker differenzieren und vor allem atmosphärischer gestalten lässt, als es hier der Fall ist. Dennoch bietet die CD einen guten Einblick, zumal mit der 'Musik zum Gedächtnis der Einsamen' (1952) von Philipp Jarnach (1892–1982) eine stilistisch wie thematisch gut gewählte Ergänzung zu den beiden Werken von Laks gefunden wurde. Die hier erklingende Streichorchesterbearbeitung des rund 15-minütigen Quartettsatzes rundet eine Produktion ab, bei der sich – trotz einiger Mankos – das nähere Kennenlernen lohnt.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Laks & Jarnach: Sinfonien |
|||
Label: Anzahl Medien: |
cpo 1 |
Medium:
EAN: |
CD
761203502721 |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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