> > > Strawinsky, Igor und Bartok, Bela: Feuervogel
Samstag, 23. September 2023

Strawinsky, Igor und Bartok, Bela - Feuervogel

Abschiedstournee mit Stammrepertoire


Label/Verlag: LSO Live
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Valery Gerviev auf Abschiedstournee mit dem London Symphony Orchestra. Auf dem Mitschnitt eines der letzten Konzerte in den USA überzeugt einzig Strawinskys 'Feuervogel' auf ganzer Linie.

Von 2007 bis 2015 lenkte Valery Gergiev als Chefdirigent die Geschicke des London Symphony Orchestra. Unter seinen Tätigkeitszeitraum fallen unter anderem ein Gustav Mahler-Zyklus, der auf CD dokumentiert ist und leider einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt, und ein vielbeachteter Prokofjew-Zyklus. Doch auch sein Stammrepertoire pflegte der russische Dirigent, der seit über 25 Jahren das Mariinsky-Theater in St. Petersburg leitet, mit dem in London residierenden Orchester.

Dokument hierfür bildet die vorliegende Doppel-CD, die einen Konzertmitschnitt vom 24. Oktober 2015 aus dem Performing Arts Center in New Jersey präsentiert. Die Live-Aufnahme gibt ein Konzert der US- Abschiedstournee des Dirigenten wieder, der im Jahr 2015 die Leitung der Münchner Philharmoniker übernommen hatte. Der klangliche Gesamteindruck ist dabei durchaus als gut und durchsichtig zu bezeichnen, leider mangelt es Gergiev und dem LSO manchmal an interpretatorischem Feingefühl.

Bartok zwischen ‚stil brut‘ und feingeistigem Klassizismus

Das auf der vorliegenden Einspielung wiedergegebene Konzert begann mit einer Gegenüberstellung zweier Stilschichten bzw. Schaffensphasen des ungarischen Komponisten Béla Bartók. Den Beginn macht hierbei die Suite aus dem Ballett 'Der wunderbare Mandarin', komponiert zwischen 1918 und 1924. Im Gegensatz zum kompletten Ballett ist die Suite musikalisch durchaus als schaumgebremst zu bezeichnen, da Bartók die teilweise wirklich spannenden musikalischen Teile für den Konzertsaal nicht bearbeitet hat. Dem scheint sich Gergiev bewusst zu sein; er bringt den ‚stil brut‘ dieser Ballettmusik nicht wirklich zum Klingen. Die Interpretation wirkt sehr eingleisig und brav. Dies macht bereits die Introduktion deutlich, in der den Blechbläsersoli so ganz der zupackende Geist fehlen will. Skandale vermag eine solche Deutung nicht wirklich zu evozieren – ganz im Gegensatz zu ihrer Uraufführung.

Demgegenüber steht das Dritte Klavierkonzert des Komponisten in einem anderen Licht da. Dem offensichtlich klassizistisch angelegten Konzert hat Gergiev für die ersten beiden Sätze eine sehr gedehnte Gangart mitgegeben. Das 'Allegretto', welches vom Solisten Yefim Bronfman souverän und mit viel Musikalität gespielt wird, gerät zur fast zu feinsinnigen Charakterstudie. Ähnlich geschieht es auch beim 'Adagio religioso', das beinahe ins Stocken geraten will und daher als fragmentierte Studie über das von Bartók komponierte zu bezeichnen ist. Im Kontrast dazu wirkt der letzte Satz noch ungestümer als er dies ohnehin schon ist. Das prächtig und ausdrucksstark musizierte Fugato im Kern des Rondosatzes mag dabei über den etwas verunglückten ersten Eintritt des lyrischen Themas hinwegzutrösten.

Strawinsky auf Hochglanz getrimmt

Den wahren Höhepunkt – möchte man böse sein, könnte man den ersten Konzertteil als Warmwerden bezeichnen – des Programms markiert die Komplettfassung des Ballettes 'Der Feuervogel' von Igor Strawinsky aus dem Jahr 1910. Hier kommt man bei Gergiev und dem LSO voll und ganz auf seine Kosten. Eine schaurige wie aus dem Nichts entstehende Introduktion, die in die düstere Welt des Zauberers Kachtchei einführt, ist hier ebenso zu hören wie ein leidenschaftliches Flehen des Feuervogels; eine bezaubernder Berceuse ebenso wie ein strahlendes Finale. Gerade die Verwandlungsmusik zur Schlussapotheose vermag besonders dadurch zu beeindrucken, dass es Gergiev gelingt, den Orchesterklang fast ins Nichts verschwinden zu lassen. Hinzu kommt noch, dass die Solistinnen und Solisten des Orchesters ihre Partien mit viel Eleganz und Geschmack ausführen.

Prokofjew als Zugabe

Über das Thema Zugabe kann man sich fürstlich und stundenlang streiten. Was soll man schließlich tun, wenn das Publikum einen nach einem gelungenen Auftritt nicht gehen lassen will? Man spielt noch einen oft schlecht geprobten Gassenhauer und macht den einen oder anderen Zuhörer damit unglücklich im Glück. So geschieht es leider auch bei diesem Konzertmitschnitt. Als Zugabe gibt das LSO den ersten Satz der Suite Nr. 2 aus dem Ballett 'Romeo und Julia', der mit 'Montagues et Capulets' überschrieben ist und eine Kompilation aus mehreren Tänzen des Balletts darstellt. Hier spürt man die Müdigkeit und Unaufmerksamkeit des Orchesters leider schon deutlich.

Fazit: Dieser Konzertmitschnitt erweist sich als ein durchaus anhörbares Dokument der US-Abschiedstournee des scheidenden Chefdirigenten des LSO, das bei dessen hauseigenem Label erschienen ist. Wer Referenzaufnahmen oder wirklich große künstlerische Leistungen sucht, wird mit dieser Platte allerdings nicht auf seine Kosten kommen.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:




Simon Haasis Kritik von Simon Haasis,


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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Strawinsky, Igor und Bartok, Bela: Feuervogel

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
LSO Live
2
07.10.2016
Medium:
EAN:

CD
822231507826


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Bartók, Béla
Strawinsky, Igor


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LSO Live

Einspielungen des Labels LSO Live vermitteln die Energie und Emotion der großartigsten Aufführungen mit höchster technischer Qualität und Finesse.

Liveaufzeichnungen bedeuteten früher gewöhnlich Kompromisse, aber heutzutage kann mit Hilfe der besten Aufnahmetechnik im Konzertsaal die Vitalität festgehalten werden, die im Studio so schwer nachzustellen ist.
Durch das Zusammenschneiden mehrerer Aufführungen können wir eine Vorlage schaffen, die die Spannung einer Konzertaufführung ohne unerwünschte Nebengeräusche bewahrt.

Seit 2000 veröffentlichte das LSO Live über 80 Alben und nahm zahlreiche Preise entgegen. Das London Symphony Orchestra war schon früher das am meisten aufgenommene Orchester der Welt, hatte es doch für zahlreiche Plattenfirmen gearbeitet und viele der berühmtesten Filmmusiken eingespielt. Die Investition in unsere eigenen Aufnahmen ermöglicht dem Orchester jedoch abzusichern, dass jede Veröffentlichung den höchsten Qualitätsansprüchen genügt und das Hören der besten Musik allen Menschen zugänglich ist.

Das LSO Live war eines der ersten klassischen Plattenfirmen, die Downloads anboten, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Wir geben auch unsere Einspielungen im SACD Format (Super Audio Compact Disc) heraus. SACDs lassen sich auf allen CD-Spielern abspielen, ermöglichen aber den Hörern mit speziellen SACD-Spielern den Genuss eines hochaufgelösten, mehrkanaligen Klangs.

London Symphony Orchestra
Das London Symphony Orchestra wurde 1904 von einer Gruppe von Musikern gegründet, die für den Dirigenten Henry Wood spielten. Sie wollten ihr eigenes Orchester leiten und die Wahl haben, mit welchen Dirigenten sie zusammenarbeiteten. Sie beschrieben das LSO als eine musikalische Republik, und das Orchester war über Nacht ein Erfolg.

Heute gibt das LSO ungefähr 70 Konzerte pro Jahr in London und bis zu 90 auf Tournee. Es ist regelmäßig auf Konzertreise durch Europa, Nordamerika und im Fernen Osten. Waleri Gergijew ist seit 2007 Chefdirigent des LSO und Sir Colin Davis sein Präsident.

Das LSO organisiert auch das in der Welt am längsten laufende und umfangreichste Bildungsprogramm eines Orchesters: LSO Discovery. Mit seinem Sitz im Londoner Musikbildungszentrum LSO St Lukes schafft Discovery die Möglichkeit für Menschen aller Altersgruppen und Veranlagungen, mit Musikern des LSO zusammenzuarbeiten, etwas über Musik zu lernen und ihre Fertigkeiten zu entwickeln.


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