
Krenek, Ernst - Orpheus und Eurydice
Symbolistische Kraft
Label/Verlag: ORFEO
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Kreneks 'Orpheus'-Oper aus dem Jahr 1923 erweitert das Bild der Musik in den 1920er Jahren um eine wesentliche Facette. Die Einspielung ist aber nicht nur verdienstvoll aus historischen Gründen, sondern gerät auch musikalisch überzeugend.
Mit griechischer Mythologie bringt man Ernst Krenek (1900–1991) eher weniger in Verbindung. Es ist daher sehr interessant, hier eine Salzburger Aufführung seiner bereits 1923 entstandenen Oper 'Orpheus und Eurydike' op. 21 entdecken zu können, die 1926 ihre Uraufführung in Kassel erlebte. Und so wie Kassel nicht unbedingt auf der Landkarte musikalischer Metropolen verortet ist, so ist auch Kreneks Behandlung des Orpheus-Stoffes nicht unbedingt von herkömmlicher Art. Eurydikes Aufenthalt im Hades ist von vornherein temporär – auf sieben Jahre – angelegt, und in der Zwischenzeit kann sie Orpheus nicht treu sein. Oskar Kokoschkas dem Libretto zu Grunde liegendes Drama von 1915/7 arbeitet des Malers und Schriftstellers Beziehung zu Alma Mahler auf, mit durchaus starkem biografischen Bezug.
Die hier vorgelegte konzertante Aufführung aus der Salzburger Felsenreitschule fand am 23. September 1990 statt, Kreneks 90. Geburtstag. Dass Orfeo d‘Or nun diese Rarität auf Tonträger vorlegt, ist eine beachtliche diskografische Leistung und hilft bei der musikhistorischen Einordnung der Musik der 1920er-Jahre. Das ist eben nicht nur Zeitoper oder Richard Strauss, das sind auch Expressionismus und Spätsymbolismus. Kreneks Oper ist musikalisch genau hier zu verorten, somit keineswegs Jean Cocteaus berühmtem ‚Orphée‘-Film fern. Gleichzeitig fällt auf, dass Kreneks Klangsprache der Zeit eindeutig mit den Boden bereitete etwa für das Musikschaffen Wolfgang Fortners und Hans Werner Henzes.
Die Besetzung der Salzburger Festspielaufführung ist aus heutiger Zeit kaum anders als luxuriös zu bezeichnen; einen derart ‚star-studded cast‘ erlebt man heute selten. Dunja Vejzovic und Ronald Hamilton überzeugen durch musikalische Schönheit und dramatische Wahrhaftigkeit. Die wunderbar warme, ausdrucksstarke Mezzosopranstimme Vejzovics und Hamiltons expressiver Tenor (mit sehr guter baritonaler Grundierung) erfüllen die Titelrollen mit interpretatorischer Dichte, wenn auch Hamilton (dessen Timbre Anthony Rolfe Johnsons nicht unverwandt ist) gelegentlich etwas prätentiös und gewollt rhetorisch klingen mag (vor allem aber ist sein Deutsch nicht ganz idiomatisch).
Celina Lindsley, bekannt für unbekanntes und sperriges Repertoire, übernimmt die Partie der Psyche, die – nicht zuletzt durch ihre Beziehung zu Amor (der hier dem Zuschauer unsichtbar und unhörbar ist) – zu einer Art treibenden Kraft der Handlung wird. Lindsleys quecksilbrige Stimme verfügt vielleicht nicht ganz über die Qualitäten einer echten Koloratursoubrette, hat aber dafür vor allem großes Verständnis für die teilweise doch recht schwierige Linienführung und glänzt vor vorbildlicher Wortverständlichkeit. Auch in den unterstützenden Solopartien (Cornelia Kallisch, Gabriele Schreckenbach und Jutta Geister als Furien, Hans Franzen als Betrunkener, Wilfried Gahmlich als Matrose und Bo Skovhus als Narr und Krieger) ist das Werk nicht nur luxuriös, sondern auch rollendeckend besetzt, der ORF-Chor und das ORF-Symphonieorchester sind gleichfalls Garanten für eine Aufführung von beeindruckendem Niveau. Pinchas Steinberg leitet das Ganze mit viel Verständnis für den Geist der Musik und die Dramaturgie des Dramas, auch ohne die szenische Komponente.
Die ORF-Aufnahme ist von bestmöglicher Qualität, das Booklet umfänglich und mit einem kompletten Libretto ausgestattet; einzig der Bookletessay hätte musikhistorisch noch etwas fundierter sein können, und das Fehlen von Informationen zu den Interpreten fällt denn doch deutlich auf.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Krenek, Ernst: Orpheus und Eurydice |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
ORFEO 2 14.10.2016 |
Medium:
EAN: |
CD
4011790923222 |
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Krenek, Ernst |
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ORFEO Erschienen die ersten Aufnahmen des 1979 in München gegründeten Labels noch in Lizenz bei RCA und EMI, produziert und vertreibt ORFEO seit 1982 unter eigenem Namen. Durch konsequente Repertoire- und Künstlerpolitik konnte sich das Label seit seinem aufsehenerregenden Auftritt am Anfang der Digital-Ära dauerhafte Präsenz auf dem Markt verschaffen. Nicht nur bekannte Werke, sondern auch weniger gängige Musikliteratur und interessante Raritäten - davon viele in Ersteinspielungen - wurden dem Publikum in herausragenden Interpretationen zugänglich gemacht. Dabei ist es unser Bestreben, auch mit Überraschungen Treue zu klassischer Qualität zu beweisen.
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