> > > Holbrooke, Josef: Sinfonische Dichtungen Vol. 2
Sonntag, 1. Oktober 2023

Holbrooke, Josef - Sinfonische Dichtungen Vol. 2

Grashüpfer und anderes Getier


Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Es hat lange gedauert, bis die zweite Folge der Holbrooke-Reihe mit Howard Griffiths erschienen ist. Aber das Warten sich allemal gelohnt!

Viel zu lange mussten wir auf Howard Griffiths‘ zweite Holbrooke-CD warten; gerade das Violinkonzert op. 59 'The Grasshopper' (1917) gilt mittlerweile als legendär. Die Fassung mit Klavier wurde bereits 2011 bei Naxos auf CD vorgelegt, aber die Fassung mit Orchester erlebt hier ihre CD-Premiere. Die Komposition ist irgendwo zwischen Haydn Wood und Frederick Delius anzusiedeln, von großer Virtuosität (im Solopart gibt es, etwa zu Ende des ersten Satzes, eindeutig Momente, die an das Zirpen einer Grille gemahnen), gleichzeitig in eine Traditionslinie Vieuxtemps‘ oder Saint-Saëns‘ zu stellen. Der große Reichtum an Melodien und ‚altmodischer‘ Harmonik macht das Werk zu einem absoluten Erfolgsstück – wenn man den passenden Solisten hat. Die Isländerin Judith Ingolfsson hat sich dem Solopart erfolgreich gestellt und hinterlässt als Anwältin des bislang fast nie gehörten Werkes eindeutig ihre Spur. Der Orchesterpart ergänzt den Solopart charmant und bringt das Ganze zu einem eleganten, aber auch elegischen Abgesang (die Bezeichnung des langsamen Satzes lautet 'Adagio non troppo con molto espressione') auf das ‚lange 19. Jahrhundert‘.

Ebenfalls eine CD-Premiere sind die Variationen über 'Auld Lang Syne' op. 60 (1906), jene berühmte, allseits bekannte Volksliedmelodie. Holbrooke nutzt das abgewohnte Material zu einem absolut hochrangigen Kreis von zwanzig Variationen, jede einem anderen Musikerfreund gewidmet (unter anderem Cyril Scott, Frank Bridge und Havergal Brian) – vergleichbar Elgars 'Enigma-Variationen'. Musikalisch braucht sich Holbrookes Komposition aber keineswegs hinter Elgar zu verstecken – hier haben wir einen Komponisten der nächsten Generation, der bereits weit ins 20. Jahrhundert hinein weist (auch in Richtung Ives und anderer). Im Konzert muss das Werk von großem Effekt sein, mit einer herrlichen Schlussapotheose auf die Musik von Holbrookes engen Freund Granville Bantock.

Bereits seine zweite CD-Einspielung erlebt die Tondichtung 'The Raven' op. 25 nach Edgar Allan Poe (1900), eine Komposition, die mit für Holbrookes Durchbruch sorgte. Die farbenreiche, stimmungsintensive Partitur nimmt Griffiths etwas straffer als die Ersteinspielung unter Adrian Leaper, lässt der Musik aber all ihre notwendige Zeit zur dramatischen Entwicklung. Griffiths fühlt sich hier hörbar in seinem Element und nimmt diese Musik, die bis in die 1980er-Jahre allerhöchstens belächelt wurde, im besten Sinne ernst. Leider gibt es ein paar kleine Koordinationsschwierigkeiten im Orchester, auch ist den Tontechnikern eine optimale Staffelung des Klangbildes nicht ganz gelungen ist. Der informative Booklettext tendiert zur Überausführlichkeit.

Es bleibt zu hoffen, dass andere Werke von Holbrooke, nicht zuletzt die wichtigen Chorsinfonien 'Apollo and the Seaman' und 'Dramatic Choral Symphony' sowie und vor allem die umfangreichere Arbeit 'The Bells' eine Wiederbelebung erfahren. Da leider auf eine Wiederbelebung des ‚ganzheitlichen Konzepts‘ Holbrookes ebenso wenig zu rechnen ist wie bei Skrjabin, wollen wir hoffen, dass zumindest die Musik einmal einer ernsthaften Betrachtung für wert angesehen wird.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Holbrooke, Josef: Sinfonische Dichtungen Vol. 2

Label:
Anzahl Medien:
cpo
1
Medium:
EAN:

CD
761203763627


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cpo

Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
Besonders stolz macht uns dabei, daß cpo - 1986 gegründet - in Rekordzeit in die Spitze vorgestoßen ist. Das Geheimnis dieses Erfolges ist einfach erklärt, wenn auch schwierig umzusetzen: cpo sucht niemals den Kampf mit den Branchenriesen, sondern füllt mit Geschick die Nischen, die von den Großen nicht besetzt werden, weil sie dort keine Geschäfte wittern. Und aus mancher Nische wurde nach einhelliger Ansicht der Fachwelt mittlerweile ein wahres Schmuckkästchen.
Am Anfang einer Repertoire-Entscheidung steht bei uns noch ganz altmodisch das Partituren-lesen, denn nicht alles, was noch unentdeckt ist, muß auch auf die Silberscheibe gebannt werden. Andererseits gibt es - von der Renaissance bis zur Moderne - noch sehr viele wahre musikalische Schätze zu heben, die oft näher liegen, als man meint. Unsere großen Werk-Editionen von Pfitzner, Korngold, Hindemith oder Pettersson sind nicht umsonst gerühmt worden. In diesem Sinne werden wir fortfahren.
Letztendlich ist unser künstlerisches Credo ganz einfach: Wir machen die CDs, die wir schon immer selbst haben wollten. Seien Sie herzlich zu dieser abenteuerlichen Entdeckungsfahrt eingeladen!


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