> > > Rachmaninoff, Sergej: Sinfonie Nr. 1
Samstag, 23. September 2023

Rachmaninoff, Sergej - Sinfonie Nr. 1

Gegen den Strich gebürstet


Label/Verlag: LSO Live
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Valery Gergiev zeigt neue interpretatorische Einsichten in Rachmaninows Erste Sinfonie. Aber nicht alles überzeugt gleichermaßen.

Die Uraufführung der Ersten Sinfonie von Sergej Rachmaninow am 15. März 1897 in St. Petersburg geriet zum Desaster. Die Kritiken waren vernichtend. César Cui, einer der führenden Kritikern verspottete Rachmaninow gehässig als den Studenten eines Höllenkonservatoriums, der ‚die sieben Plagen von Ägypten erschuf‘ und führt weiter aus: ‚Wenn es in der Hölle einen Konzertsaal gäbe und man beauftragte einen Komponisten, eine Symphonie über die Plagen Ägyptens zu schreiben, dann würde dieses neue Werk dem Auftrag in idealer Weise entsprechen…‘. Rachmaninow geriet in eine tiefe seelische Krise, über die er später feststellte: ‚Ich glich einem Menschen, den der Schlag getroffen hatte und dem für lange Zeit Kopf und Hände gelähmt waren.‘ Der Schock führte aber dazu, dass er das Werk nicht mehr öffentlich aufgeführt wissen wollte: ‚Die Sinfonie werde ich nicht zeigen und im Testament werde ich ein Verbot ihrer Ansicht niederlegen…‘ Gottseidank wurde das Werk 1945 aus den Orchesterstimmen rekonstruiert. Die erneute Aufführung war ein enormer Erfolg. Schlagartig war klar, dass es sich um ein geniales Werk in der Nachfolge Tschaikowskys handelte.

Nun liegt eine neue, überzeugende Interpretation mit dem London Symphony Orchestra unter Valery Gergiev vor. Gergiev stellt Sachlichkeit und architektonische Strenge über romantisierenden Stimmungszauber. Er entwickelt ein quasi elektrisierendes Hochspannungsfeld über alle vier Sätze hinweg, die ja durch das Thema, das zu Beginn des ersten Satzes erklingt, und durch einen Triolenrhythmus miteinander verbunden sind. Im ersten Satz arbeitet Gergiev subtil die Lyrismen heraus, sodass dieser Satz nicht so brachial wie etwa bei Mariss Janson erklingt, anderseits versinkt der dritte Satz nicht in klanglicher Verträumtheit, sondern hier geht es Gergiev um das strukturelle Moment. Er legt insgesamt Wert auf das, was quasi zwischen den Zeilen steht. Das gilt etwa auch für die Polyphonie des vierten Satzes, die allzu leicht unter einem breiten Pinsel verschwindet. Man kann durch Gergievs Herangehensweise sehr deutlich den zum Finale hingerichteten dramaturgischen Ablauf nachvollziehen. Valery Gergiev gelingt in diesem Satz eine vorbildliche Balance zwischen den großen Energielinien, die selbst noch in den dichtesten Passagen klar durchscheinen, und den Details, die bei dieser Herangehensweise eine geradezu spontane Lebendigkeit gewinnen. Gergievs Interpretation streift das rustikale russische Gewand ab, das die meisten anderen Aufnahmen beschwert. Man muss aber in der Tat diese Aufnahme mehrmals hören, um sich in diese so andere Herangehensweise einzuhören, die so quer zu den bekannten Interpretationslinien steht.

Die formidablen Musiker des London Symphony Orchestras zeigen sich bei dieser auch instrumentaltechnisch anspruchsvollen Sinfonie als selbstbewusster, in komplexer Beredsamkeit überzeugender Klangkörper. Die selten zu hörende symphonische Dichtung 'Tarmara' aus den Jahren 1867-1882 von Milli Balakirew, dem Mentor des sogenannten Mächtigen Häufleins und Wegbereiter einer russisch-national geprägten Musik, rundet diese empfehlenswerte CD ab. Auch hier überzeugen die beeindruckende Disziplin und Beherrschtheit, mit der dieses klangfarbenreiche Werk in Klang umgesetzt wird. Da es (erfreulicherweise!) eine Liveaufnahme ist, muss man einige klangliche Ungenauigkeiten in Kauf nehmen.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Rachmaninoff, Sergej: Sinfonie Nr. 1

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
LSO Live
1
02.09.2016
Medium:
EAN:

SACD
822231178422


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Rachmaninoff, Sergej


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LSO Live

Einspielungen des Labels LSO Live vermitteln die Energie und Emotion der großartigsten Aufführungen mit höchster technischer Qualität und Finesse.

Liveaufzeichnungen bedeuteten früher gewöhnlich Kompromisse, aber heutzutage kann mit Hilfe der besten Aufnahmetechnik im Konzertsaal die Vitalität festgehalten werden, die im Studio so schwer nachzustellen ist.
Durch das Zusammenschneiden mehrerer Aufführungen können wir eine Vorlage schaffen, die die Spannung einer Konzertaufführung ohne unerwünschte Nebengeräusche bewahrt.

Seit 2000 veröffentlichte das LSO Live über 80 Alben und nahm zahlreiche Preise entgegen. Das London Symphony Orchestra war schon früher das am meisten aufgenommene Orchester der Welt, hatte es doch für zahlreiche Plattenfirmen gearbeitet und viele der berühmtesten Filmmusiken eingespielt. Die Investition in unsere eigenen Aufnahmen ermöglicht dem Orchester jedoch abzusichern, dass jede Veröffentlichung den höchsten Qualitätsansprüchen genügt und das Hören der besten Musik allen Menschen zugänglich ist.

Das LSO Live war eines der ersten klassischen Plattenfirmen, die Downloads anboten, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Wir geben auch unsere Einspielungen im SACD Format (Super Audio Compact Disc) heraus. SACDs lassen sich auf allen CD-Spielern abspielen, ermöglichen aber den Hörern mit speziellen SACD-Spielern den Genuss eines hochaufgelösten, mehrkanaligen Klangs.

London Symphony Orchestra
Das London Symphony Orchestra wurde 1904 von einer Gruppe von Musikern gegründet, die für den Dirigenten Henry Wood spielten. Sie wollten ihr eigenes Orchester leiten und die Wahl haben, mit welchen Dirigenten sie zusammenarbeiteten. Sie beschrieben das LSO als eine musikalische Republik, und das Orchester war über Nacht ein Erfolg.

Heute gibt das LSO ungefähr 70 Konzerte pro Jahr in London und bis zu 90 auf Tournee. Es ist regelmäßig auf Konzertreise durch Europa, Nordamerika und im Fernen Osten. Waleri Gergijew ist seit 2007 Chefdirigent des LSO und Sir Colin Davis sein Präsident.

Das LSO organisiert auch das in der Welt am längsten laufende und umfangreichste Bildungsprogramm eines Orchesters: LSO Discovery. Mit seinem Sitz im Londoner Musikbildungszentrum LSO St Lukes schafft Discovery die Möglichkeit für Menschen aller Altersgruppen und Veranlagungen, mit Musikern des LSO zusammenzuarbeiten, etwas über Musik zu lernen und ihre Fertigkeiten zu entwickeln.


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