
Liszt, Franz - Sinfonische Dichtungen
Inspiriert und inspirierend
Label/Verlag: Berlin Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Weimar Ende der 1840er Jahre. Ein des Vagabundierens als Klaviervirtuose überdrüssig gewordener Franz Liszt lässt sich als Kapellmeister in dem sächsischen Kleinbürgerstädtchen nieder, entdeckt seine innige Liebe zur zeitgenössischen Dichtkunst und folgt dem Ruf seines Herzens, poetische Ideen in Musik - in Orchestermusik - auszudrücken. Dies war die Geburtsstunde der Sinfonischen Dichtung, Liszt ihr Vater.
Auch wenn dann die erste davon mit dem Namen ‚Ce qu’on entend sur la montagne‘ (‚Was man auf dem Berge hört‘ oder auch ‚Bergsinfonie‘) getauft wurde, steht bei Liszt nicht Tonmalerei par excelence auf dem musikalischen Programm, auch assoziative Spekulationen über die unterschiedlichen Motive in diesem Werk seien jedem Hörer selbst überlassen. Dennoch gibt es eine literarische Inspirationsquelle dafür: das gleichnamige, wortreiche Gedicht des erzromantischen französischen Zeitgenossen Victor Hugo. Das Ergebnis ist ein ästhetisch erstaunlich erfreuliches Klangbild dafür, dass Liszts Handwerkszeug für Orchesterkomposition den Kinderschuhen noch nicht lange entwachsen war. Bislang ließ er sich nämlich von Musikerkollegen wie Conradi, Doppler und Raff - sozusagen in Teamwork - bei der Orchestrierung seiner vorgeschlagenen Motive unter die Arme greifen. So erklärt sich auch, warum sich gerade in den ersten seiner insgesamt 13 Sinfonischen Dichtungen eine latente Mehrchörigkeit niederschlägt. Musik blockweise - so könnte die Überschrift lauten für Partituren, die für Orchesterwerke übersichtlicher kaum sein können: Der Holz- oder Blechbläserkapelle stehen die Ensembles der Streicher sowie Solisten aus unterschiedlichen Instrumentengruppen gegenüber, gleichsam ein orchestraler Flickenteppich. Und doch wirken sie weder geflickt noch flächig.
Die Kunst beim Interpretieren dieser Werke wie hier z.B. des oft vertonten Sujets des ‚Prometheus‘ oder ganz einfach der ‚Festklänge‘, besteht darin, diese Blöcke als solche zu belassen, ohne sie statisch oder hölzern aneinander zu reihen, sondern sie natürlich ineinander fließen zu lassen - höchst romantisch und poetisch eben.
Die Dresdner Philharmoniker und ihr damaliger Chef Michel Plasson haben Liszts Vorstellung vom Orchesterklang zum musikalischen Ausdruck seiner Idee ganz offensichtlich erfasst und sind ihr im vollen Maße nachgekommen: Einzelne Gedanken werden klar und unmissverständlich formuliert, ohne das Bild durch Mischen und Wischen zu verwässern. Ein facettenreiches, farbenfrohes Bild - Musik von Franz Liszt, wie sie Liszt’iger kaum sein kann - wird gemalt: Fordernde, tiefe musikalische Expressivität mit deutlicher Tendenz zum Höhenflug und Pathos à la Berlioz oder Wagner, seine engsten Musikerfreunde; und dann wieder lyrisch-empfindsame, redselige und mitunter sentimentale Passagen, oft solistisch-rezitativ vorgetragen. Durch dieses spannende Wechselspiel also nicht unbedingt Musik zum Zurücklehnen. Eher empfiehlt es sich, bei jedem lauen Lüftchen oder Schönwetterwölkchen auf ein kräftiges Donnerwetter gefasst zu sein.
Der bekennende Romantiker Plasson schien sich angesprochen gefühlt zu haben, als er Liszts Vorwort zu seinen Partituren las: ‚In der geistigen Auffassung des Dirigenten liegt der Lebensnerv einer symphonischen Production‘. Dieser - da besteht kein Zweifel - ist höchst inspiriert und inspirierend zugleich.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Liszt, Franz: Sinfonische Dichtungen |
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Label: Anzahl Medien: Spielzeit: Aufnahmejahr: Veröffentlichung: |
Berlin Classics 1 64:49 1994 2003 |
Medium:
BestellNr.: |
CD
183652BC |
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Liszt, Franz |
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