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Samstag, 23. September 2023

Meyerbeer In France - Opernausschnitte von Meyerbeer

Opernschnipsel


Label/Verlag: Brilliant classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Diese Aufnahme ist ein Dokument französisch-bulgarischer Kulturzusammenarbeit, aber leider keine spannende Meyerbeer-Aufnahme. Einige Häppchen gelingen gut, manches ist eher durchschnittlich.

Nahezu alle sechs Opern Giacomo Meyerbeers, die er für Paris schrieb, sind heute zumindest dem Namen nach noch wohlbekannt, wenn auch nur in ganz unterschiedlichem Maße auf den Bühnen zu erleben. Dennoch fällt auf, dass die italienischen oder auch deutschsprachigen Opern Meyerbeers bis heute im Schatten der französischen Werke geblieben sind. Insofern nicht zu Unrecht, als Meyerbeer mit seinen Beiträgen die Gattung der Grand Opéra nachhaltig geprägt hat ('L’étoile du Nord' ist als Opéra comique eine Ausnahme). Da jede von Meyerbeers französischen Opern von der Länge her durchaus mit Wagner’schen Musikdramen mithalten kann, im Gegensatz zu Wagner aber eine Aufführungstradition im weitesten Sinne eher abgerissen ist, scheint es durchaus nicht ganz verkehrt, einzelne Nummern aus den musikalisch immer wieder hochgradig überraschenden Kompositionen zu entnehmen.

Die vorliegende Einspielung – unter Didier Talpain, der sich auf Tonträger vor allem schon um die Opern J. Ch. Bachs, Hummels, Catels und Bizets verdient gemacht hat – ist seine zweite solche ‚Highlight‘-Platte mit französischer Opernmusik für Brilliant; die bereits vergriffene erste ‚Patrie!‘ befasst sich mit nahezu völlig vergessenen Opern von Halévy, Saint-Saens, Gounod, Massenet, Thomas und Paladilhe. Hier wie dort arbeitet Talpain mit den Solisten Hjördis Thébault und Pierre-Yves Pruvot zusammen, beide mit einer beachtlichen Anzahl interessanter Einspielungen auf dem Tonträgermarkt vertreten.

Zusammen mit dem Philharmonischen Orchester Sofia und dem Svetoslav Obretonov Chor trifft Talpain keinen ganz typischen französischen Ton, auch wenn der Einsatz aller Beteiligten unüberhörbar ist. Der Chor 'Accourez au-devant d’elle' aus 'Robert le Diable' gerät eher zu einem Auszug aus spätem Donizetti denn zu einem echten Meyerbeer. Da gelingt die Arie der Isabella deutlich poetischer – Thébault, mit leider mittlerweile recht starkem Vibrato, kann aber keineswegs an Beverly Sills oder Patrizia Ciofi heranreichen. Meyerbeers berühmteste Oper 'Les Huguenots' wird auf der CD einzig repräsentiert durch Valentines Szene und Arie 'Je suis seule – Parmi les pleurs', in den berühmtesten Gesamteinspielungen durch Martina Arroyo bzw. Françoise Pollet dargeboten. Auch hier ist Thébaults warmer Sopran (mit gutem Mezzofundament) mittlerweile stark durch Vibrato beeinträchtigt, außerdem in der Höhe mittlerweile etwas strähnig und unfrei; immerhin ist die Stimme und das Miteinander mit den konzertierenden Orchestersoli gut abgestimmt (allerdings fällt hier besonders negativ der Nachhall des Bulgarischen Konzertsaals Sofia auf).

Aus 'Le Prophète' bieten die Orchestermusiker die reizvolle 'Introduction', die 'Valse des patineurs' und die Chöre 'La brise est muette', 'Voici les fermières' und 'Par toi Münster nous fût promis'; hier ist die Orchesterleistung der überzeugendste Anteil, auch wenn der Chor feinfühlig phrasiert und dynamisiert. Meyerbeers Opéra comique 'L’étoile du nord' ist repräsentiert durch den Trinkchor 'À la Finlande, buvez' (mit Schwächen in den Sopranspitzen – im Booklet fälschlich als unter Mitwirkung des Baritons bezeichnet) und das Duett 'De quelle ville est-tu? ', mit rechtem Schwung und Spielfreude; Pruvot (mit affektenreichem Vortrag) überzeugt von allen Mitwirkenden am meisten, auch wenn man auch bei ihm deutlich hört, dass er über den Zenit seiner Fähigkeiten hinaus ist; am besten glücken Thébault auch hier die Mezzosoprananteile der Partie. Aus der anderen Opéra comique 'Dinorah, ou Le Pardon de Ploërmel' sind die Baritonarien 'Mon remords te venge' und 'Ô puissante magie' zu hören; beide Male kommen vor allem Pruvots Schwächen zum Vorschein – im schnelleren 'O puissante magie' nur in geringem Maße, in 'Mon remords te venge' in vollem Maße: gepresste Phrasen, forcierter Ausdruck, keine Eleganz, keine Kunst der Melodiegestaltung (man höre nur Titta Ruffo, um zu hören, was die Partie erfordert, trotz unnötiger stilloser italienischer Schluchzer und einem ‚Bleistiftorchester‘). Zuletzt 'L’Africaine' (die Neuausgabe 'Vasco da Gama' lag Talpain 2013 offenbar noch nicht vor), zum einen mit der Ballade des Nélusko 'Adamastor, roi des vagues profondes', zum anderen mit dem seinerzeit üblichen, stark gekürzten Schluss der Oper. Pruvot hat den Nélusko auch in der neuen Gesamteinspielung aus Chemnitz unter Frank Beermann eingespielt, hier wie dort singt er die Ballade mit erheblichem rhetorischen Nachdruck, im Finale legt er beide Male mehr Feingefühl an den Tag. Thébault muss sich mit der ausgezeichneten Shirley Verrett in den Live-Mitschnitten aus San Francisco messen lassen, und dass sie hier nicht mithalten kann (besonders mit Verretts früher Aufnahme unter Périsson), steht außer Frage.

Insgesamt also ein eher überflüssiger erster Einblick in Meyerbeers französisches Opernschaffen. Talpain hätte es besser machen können, am besten mit einem historisch informierten Orchester, das sicher das klangfarblich Besondere von Meyerbeers Schaffen umso besser hätte herausarbeiten können. Auch im Booklettext findet man nur eine sehr allgemeine Einführung, keine Erläuterung, warum gerade diese und nicht anderen Stücke ausgewählt wurden. Als Dokument einer französisch-bulgarischen Kulturzusammenarbeit interessant, aber nicht weit darüber hinaus.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Meyerbeer In France: Opernausschnitte von Meyerbeer

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Brilliant classics
1
29.07.2016
Medium:
EAN:

CD
5028421947327


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Mit den Veröffentlichungen von komplettierten Gesamtwerks- Editionen und Zyklen berühmter Komponisten, hat sich das Label erfolgreich am Musikmarkt etabliert. Der Klassikmusikchef, Pieter van Winkel, ist Musikwissenschaftler und selbst Pianist. Mit seinem professionellen musikalischen Gespür für den Klassikmarkt, hat er in den letzten Jahren ein umfangreiches Klassikprogramm aufgebaut. Neben hochwertigen Lizenzprodukten fördert er mit Eigenproduktionen den musikalischen Nachwuchs und bietet renommierten Musikern eine ideale Plattform.


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