
Cellosonaten - Werke von Hummel, Moscheles und Ries
Klangerlebnisse
Label/Verlag: Brilliant classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
In drei Cellosonaten von Ries, Hummel und Moscheles gelingen den Musikern Momente stupendester Schönheit. Das Gesamtbild wird aber durch einige Schwächen des Cellisten etwas getrübt.
Die Cellosonaten-Literatur der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts besteht nicht nur aus Beethoven und Schubert, vielleicht noch Chopin (obwohl hier auch der Beitrag von Auguste-Joseph Franchomme häufig bereits unterschlagen wird). Leidtragende dieses unverdienten Verdiktes sind Zahlreiche, und nicht nur solche, die heute gemeinhin als Kleinmeister gehandelt werden. Die vorliegende CD schaut etwas genauer hin und präsentiert uns drei ‚Grandes Sonates‘, also durchaus nicht Unsubstanzielles. Auch die Namen sind eigentlich durchaus geläufig – nur eben nicht die Musik. So findet sich hier eine 1823 in London entstandene g-Moll-Sonate op. 125 (die Brilliant jüngst auch mit Gaetano Nasillo und Alessandro Commellato vorgelegt hat) von Ferdinand Ries (1784–1838), wie Beethoven aus Bonn stammend und diesem stilistisch musikalisch durchaus ähnlich. Das Werk ist durchaus eigen von Werkkonzept und musikalischem Zugang, von starkem musikalischem Charakter und dramatischer Tiefe. Allerdings hat der Kopfsatz der längsten Komposition auf der CD gewisse Längen, die trotz der feinfühligen Ausarbeitung der Interpretation nicht ganz überwunden werden können. Ein kantabel-weicher Mittelsatz entschädigt schnell, gefolgt von einem virtuos-spielfreudigen Final-Rondo. 1824 entstand in Weimar Johann Nepomuk Hummels (1778–1837) große A-Dur-Sonate op. 104, eine Komposition von großer Autorität und gelassener Schönheit. An manchen Stellen hören wir noch die Musik der Klassik (vor allem im Mozart‘sche Grazie ausstrahlenden Schlusssatz), doch insgesamt haben wir ein Werk von klassizistischer Klarheit und ausgefeilter architektonischer Form, mit einem klug kalkulierten Gleichgewicht zwischen den Instrumenten und mit beachtlichen Aufgaben für den Pianisten. Nach einem stimmungsreichen Variationensatz schließt auch Hummel seine Sonate mit einem Rondo; alle drei Sätze profitieren hörbar von Hummels großem melodischen Einfallsreichtum.
Sein Aufenthalt in Großbritannien schadete Ignaz Moscheles (1794–1870) nicht zuletzt nachhaltig mit Blick auf die posthume Rezeption seiner Musik im deutschsprachigen Raum – wird er doch (nicht ganz ohne Grund) als ausgesprochen anglophon angesehen. 1814 entstand die Hummel gewidmete 'Grande Sonate Concertante' op. 34 und darf somit seiner frühen Schaffensperiode zugezählt werden. Dennoch ist das Werk stilistisch von Hummel und Ries meilenweit entfernt, und zwar in Richtung des späteren 19. Jahrhunderts – eine gewisse mediterrane Wärme und Nonchalance kann man den Außensätzen zusprechen, die dem Cello insgesamt eine eher untergeordnete Rolle zuweisen. Der große Charme der musikalisch durchaus anspruchsvoll gearbeiteten Komposition kontrastiert besonders zu Ries‘ eher herb-ernsthaftem Beitrag, dem sich Moscheles am ehesten mit seinem langsamen Satz nähert, in dem endlich auch dem Cello eine bedeutendere Rolle zufällt (nicht ohne dass das strenge kontrapunktische Trio die Stimmung nicht wieder deutlich konterkarieren würde).
Der italienische Cellist Marco Testori, der auf Zusammenarbeiten mit Il Giardino Armonico oder Il Complesso Barocco zurückblicken kann und der u.a. Schüler von Christophe Coin war, lässt sein Instrument singen, und seine musikalische Gestaltung gerät immer am überzeugendsten, wenn er wenig beweisen will. Sein Vibratogebrauch und seine Intonation (die gerade neben dem Hammerklavier immer wieder auf den Prüfstand gerät) sind aber leider immer wieder diskussionswürdig, verunklart er doch hierdurch die melodische Linie und beeinträchtigt die per se gegebenen Klangmöglichkeiten. Costantino Mastroprimiano, der sich als Meister des Hammerklaviers durch viele CDs auf das Höchste empfohlen hat, ist da schon einen Schritt weiter und lässt die Klangfarben seines Érard-Flügels aus dem Jahr 1838 selbst den Effekt machen; seine stupenden Fähigkeiten lassen einen vor allem im Schlusssatz der Moscheles-Sonate atemlos zurück. So gelingen beiden Musikern Momente stupendester Schönheit, immer wieder leider beeinträchtigt durch übertriebene Vibratobemühungen von Seiten des Solisten.
Eine klare, unaufdringliche Aufnahmetechnik aus der Sala Note Romantiche in Verbiana (Piemont) unterstützt die Klangerlebnisse. Der (englischsprachige) Booklettext ist für drei Werke zu knapp.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Cellosonaten: Werke von Hummel, Moscheles und Ries |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Brilliant classics 1 29.07.2016 |
Medium:
EAN: |
CD
5028421950235 |
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