
Diepenbrock, Alphons - Sinfonische Dichtungen
Griechische Antike auf Holländisch
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Nach seinem Erfolg mit den Symphonischen Dichtungen von Johan Wagenaar präsentiert Dirigent Antony Hermus nun drei Symphonische Suiten des Holländers Alphons Diepenbrock.
Den jungen holländischen Dirigenten Antony Hermus muss man wahrscheinlich niemandem mehr vorstellen – er hat in den letzten Jahren eine erstaunliche internationale Karriere mit Opernproduktionen und Konzertrepertoire gemacht. Auch auf Tonträger ist er aufgefallen, besonders mit den wunderbaren Symphonischen Dichtungen seines Landmanns Johan Wagenaar (1862–1941). Diese sind in zwei Einzelausgaben bei cpo erschienen, wobei sich speziell das Stück 'Lebenssommer' als Hit entpuppte, der im Radio bei vielen Gelegenheiten gespielt wurde. Ein berauschendes Werk voll klanglicher Raffinesse und von überwältigender Schönheit.
Nun hat Hermus sich abermals einem holländischen Komponisten und dessen Symphonischen Dichtungen gewidmet: Alphons Diepenbrock (1862 1921). Die CD wurde wiederum von cpo veröffentlicht. Diepenbrocks Werke wurden einst regelmäßig von Stardirigent Willem Mengelberg und dem Concertgebouw Orkest Amsterdam aufgeführt. Die drei von Hermus ausgewählten Werke – 'Die Vögel' (1917), 'Elektra' und 'Marsyas' (beide 1920) – entstanden kurz vorm Tod des Komponisten und sind eigentlich keine Symphonischen Dichtungen im klassischen Sinn, sondern Suiten, zusammengestellt aus Schauspielmusiken, die Diepenbrock für Schulaufführungen der entsprechenden Theaterstücke schrieb. Er war Altphilologe und interessierte sich besonders für griechische Kultur. Insgesamt schrieb er fünf Schauspielmusiken, neben den drei erwähnten noch 'Faust' (1918) und Musik fürs niederländische Nationaltheaterstück 'Gijsbrecht van de Amstel' (1912). Was die drei hier zusammengestellten Titel verbindet, ist das griechische Sujet, mit dem sich bekanntermaßen auch Richard Strauss und Walter Braunfels in ihren Opern auseinandergesetzt haben, mit deutlich größerem weltweiten Erfolg.
Besonders die Strauss-Konkurrenz steht der Erstbegegnung mit Diepenbrocks 'Elektra' im Weg, könnte man sagen. Denn wer die archaische Wucht der Strauss-Oper im Ohr hat, dem wird diese holländische Schauspielmusik vergleichsweise harmlos vorkommen, so als würde ihr eine Dimension des Grandiosen und Großartigen fehlen. Wenn man allerdings öfter in die hier zusammengestellten vier Teile der Diepenbrock-'Elektra' hineinhört, entfacht die Klangsprache durchaus einen eigenen einnehmenden Reiz, der sehr ‚romantisch‘ wirkt und absolut nichts Neutönerisches hat. Vielmehr steht er für gutbürgerliche Musikpflege in den Niederlanden nach dem Ersten Weltkrieg. Von Antony Hermus werden die Partituren mit den Bamberger Symphonikern mit größtmöglicher Leidenschaft gespielt.
Verglichen mit den Wagenaar-Aufnahmen, die teils auch auf berühmten Schauspielen basierten (z.B. 'Der Widerspenstigen Zähmung') oder sich auf historische Themen bezogen (z. B. 'Saul und David'), konnte mich die Klangsprache Diepenbrocks nicht in gleichem Maße fesseln. Und die cpo-Tontechniker haben den energischen Zugriff Hermus‘ auch nicht so eingefangen, dass diese insgesamt zehn Tracks einem wie ein Cinemascope-Klangerlebnis um die Ohren fliegen und beeindrucken. (Wie das beispielsweise Riccardo Chailly in seinen frühen Decca-Aufnahmen schaffte.)
Trotzdem sind die drei hier versammelten Stücke eine lohnende Horizonterweiterung für Klassik-Fans. Nicht nur, weil sie Einblick geben in eine Musikkultur in unserem Nachbarland – eine Musikkultur von der wir wenig wissen, außer dass zeitgleich Mengelberg seine legendäre Aufführung aller Mahler-Symphonien startete und überhaupt mit dem Concertgebouw Orkerst einige der phänomenalsten Aufnahmen aller Zeiten einspielte, u.a. 1935 auch die 'Elektra'-Musik seines Freundes Diepenbrock.
Von den 'Vögeln' ist nur die Ouvertüre vertreten, von der Musik zu Balthazar Verhagens Komödie über den Satyr 'Marsyas' elegische Musik für tanzende Nymphen. Wenn man die Geschichten nicht kennt, wird man sich schwertun damit, die Musik bestimmten Handlungselementen zuzuordnen. Das ist aber auch ein Vorteil, weil man die Musik als ‚reine‘ Musik vollauf genießen kann. Überwältigung und Ekstase sind ihr fremd, dafür bietet sie feine instrumentale Schattierungen und viel literarischen Hintergrund.
Im Booklet schildert Lea Samama ausführlich die Details zu den drei Werken und hilft, einen Zugang zu Diepenbrock und seinen drei Symphonischen Suiten zu finden.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Diepenbrock, Alphons: Sinfonische Dichtungen |
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Label: Anzahl Medien: Spielzeit: |
cpo 1 67:46 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
761203792726 cpo 777 927-2 |
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Diepenbrock, Alphons |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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