
Rossi, Camilla de - Sant'Alessio-Oratorium Wien 1710
Weltflüchtig
Label/Verlag: Pan Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Daniela Dolci füllt mit ihrem Ensemble Musica Fiorita eine Repertoirelücke. Die Sopranistin Agnieszka Kowalczyk sticht aus dem Solistensensemble deutlich heraus - ein Name, den man sich merken sollte!
Ein Bräutigam, der sich vor der Hochzeit drückt, lieber in die Ferne flüchtet und als Bettler unerkannt zurückkommt – ein merkwürdiges Sujet für ein geistliches Oratorium am Wiener Kaiserhof anno 1710. Camilla Rossi war nicht die einzige Komponistin, die zu jener Zeit in Wien aktiv war, und dennoch weiß man fast nichts über sie, nicht woher sie kam und wo sie starb. Ein chauvinistisches Verhalten der damaligen Musikgeschichtsschreibung? Vielleicht. Eine bedauerliche Nichtwürdigung allemal.
Rossi erfüllt das auf den ersten Blick eher opernhafte Sujet durchaus mit ernstem Ton, überzeugend eingefangen von dem Basler Ensemble Musica Fiorita unter seiner Leiterin Daniela Dolci, die in bewährter Weise mit beschränkten Kräften ein breites Spektrum an Farben hervorzaubert. Rossi nimmt das ihr vorliegende Libretto ernst und erschafft aus diesem Charaktere aus Fleisch und Blut (Vater, Mutter, Bräutigam/Bettler und Braut). William Lombardi (Vater) scheint hier weniger überzeugend als Agnieszka Kowalczyk, die mit perfekt geführtem, feingliedrigem silbrigen Sopran (in der Tradition Barbara Schlicks und Dorothee Mields‘) eine anrührende Charakteristik der Mutter bietet. Kowalczyks Name ist einer, den man sich merken sollte, und einer, den man zu hören sich immer wieder freuen wird. Lombardi mag das idiomatischere Italienisch bieten – stilistisch scheint er sich in Barockmusik nicht ganz wohl zu fühlen, auch ist sein dynamisches und Klangfarbenspektrum eingeschränkter.
In schönem Kontrast zu Kowalczyk besitzt Rosa Dominquez (Braut) die dramatischere Stimme, die möglicherweise auch für größere Opernhäuser und ‚normales‘ Repertoire geeignet wäre. Gelegentlich werden die anspruchsvollen Verzierungen (vor allem unbequem liegende Triller) nicht ganz sicher angegangen, aber sobald sie diese in voller Stimme realisieren kann ('Cielo, pietoso Cielo'), ist ihre Virtuosität schwindelerregend. Der Countertenor Graham Pushee verleiht dem ‚weltflüchtigen‘ Alessio (ganz entsprechend dem Oratorium) eine durchaus eher diesseitige Persönlichkeit und nur eine mindere spirituelle ‚Elevation‘ – kleine Unsicherheiten in Intonation, Phrasierung oder Verzierung ließen sich in Alessios offenbar eher ungewolltem Martyrium begründen. Ein interessanter Zugang, den man aber mit anderen Mitteln lieber gehört hätte.
Aufnahmetechnisch ist die Produktion rundum gelungen, und auch dem Booklet gelingt es (trotz der fehlenden biografischen Informationen zur Komponistin), den Hörer nicht uninformiert zurückzulassen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Rossi, Camilla de: Sant'Alessio-Oratorium Wien 1710 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Pan Classics 1 03.06.2016 |
Medium:
EAN: |
CD
7619990103474 |
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Rossi, Camilla de |
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Pan Classics Gegründet 1992 vom Musikhaus Pan in Zürich, wurde das Label 1997 von den Tonmeistern Clement Spiess und Koichiro Hattori übernommen. 2011 entschloss man sich zu einem radikalen Neuanfang: Der umfangreiche Katalog wurde gelichtet und die verbliebenen Aufnahmen erhielten ein neues, attraktives Erscheinungsbild. Den CDs wird so ein unverwechselbares Äußeres mit einem hohen Wiedererkennungswert verliehen. Geblieben sind dagegen die Vorliebe für außergewöhnliches Repertoire und der Anspruch, mit renommierten Musikern und Ensembles einen künstlerisch hochwertigen Katalog zu schaffen. Zu diesen Künstlern zählen Namen wie die Hammerklavier-Spezialisten Edoardo Torbianelli und Arthur Schoonderwoerd, der Tenor Jan Kobow u.v.a. Mehr Info... |
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