
Stradella, Alessandro - Oratorium San Giovanni Crisostomo
Zank mit der Kaiserin
Label/Verlag: Brilliant classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Alessandro Stradellas Oratorium 'San Giovanni Cristostomo' ist ein entdeckenswertes Stück, das bei Brilliant in einer tadellosen Einspielung herausgekommen ist. Nur die editorische Ausstattung könnte besser sein.
Zu den vier Heiligen, die den Papstthron in St. Peter unmittelbar umgeben, gehören auch zwei der Ostkirche, St. Athanasius und St. Johannes Chrysostomos. Während ein frühes Oratorium zu St. Athanasius (von Francesco Beretta aus dem späten 17. Jahrhundert) nicht erhalten ist, ist das bedeutendste Oratorien-Zeugnis zu St. Johannes Chrysostomos das hier vorliegende Werk von Alessandro Stradella, das Carolyn Gianturco in die Jahre 1666 bis 1671 datiert, also in die Zeit unmittelbar nach Fertigstellung des ‚Altare della Cattedra‘ (es wird vermutet, dass die Idee zu der Komposition in römischen Adelskreisen geboren wurde). Naturgemäß steht im Zentrum des Oratoriums der Konflikt Johannes Chrysostomos‘ mit der Kaiserin Eudoxia, da er das Luxusleben der Reichen und am kaiserlichen Hof kritisiert hatte. Der genauere Inhalt des Oratoriums bleibt im Booklet vage, wird doch das Libretto (immerhin um die im Manuskript fehlenden Personennamen ergänzt) nur auf Italienisch abgedruckt und bietet der umfangreiche Booklettext von Carlo Vitali (nur auf Englisch veröffentlicht) doch keine nachvollziehbare Inhaltsangabe. Auch die Besetzungsliste im Booklet ist offenkundig fehlerhaft (nicht die Sängerin des zweiten Sopransolos übernimmt den Part des Testo, sondern der Sänger des Teofilo).
Francesca Cassinari als Eudosia erfreut durch silberklaren, gut anspringenden, koloratursicheren Sopran und starkes dramatisches Gespür. Faktisch ist Eudosia Zentrum der musikalischen Handlung, und Cassinari trägt diese Bürde überzeugend, wenn sie historischen Verzierungstechniken auch eher fern zu stehen scheint. Der Countertenor Carlo Vistoli steuert als römischer Gesandter eine ganz eigene Klangfarbe bei, die das Quartett der Vokalprotagonisten besonders vorteilhaft profiliert; auch ist sein Verständnis für historische Verzierungstechniken mit am ausgeprägtesten. Alessio Tosi (Testo/Teofilo) ist ein lyrischer Tenor mit baritonalem Fundament, warmer, kraftvoller Stimme, guter Koloraturfähigkeit, aber nicht ganz optimaler Atemtechnik. So sehr sich Tosi um verfeinerte Ausarbeitung seiner Partien bemüht – teilweise ist das Bemühen deutlich zu spüren, was den Effekt beeinträchtigt. Renato Dolcini, der Sänger des Crisostomo, bietet prachtvollen basso cantante auf, seine Gestaltungskraft, sein dramatischer Ausdruck, sein in allen Registern bestens ansprechender Ambitus, seine wahrlich gestalteten Koloraturen (wenn auch fern angemessener Stilistik) bieten der Eudosia ein kraftvolles Gegenüber. Die Sopranistin Arianna Lanci und die Altistn Christine Marsoner unterstützen die Vokalisten in Nebenrollen und Ensembles.
Das Südtiroler Ensemble Harmonices Mundi (nach Johannes Kepler) unter ihrem Leiter Claudio Astronio erfüllt mit nur wenigen Instrumenten (Cello, Violone, Erzlaute, Orgel und Cembalo) Stradellas Partitur mit abwechslungsreichen Farben und dramatischer Überzeugungskraft. Besonders interessant ist, dass die Continuoinstrumente nicht, wie in der zeitgenössischen Oper, in Art eines basso ostinato eingesetzt werden. Insgesamt gewinnt sowohl das Oratorium als auch die Interpretation einen durchaus eigenen Ton und weitet das Bild um Cavalli, Cesti und Rovetta herum. Eine erfreuliche Repertoirebereicherung, der man allerdings ein etwas pointierteres Booklet gewünscht hätte.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Stradella, Alessandro: Oratorium San Giovanni Crisostomo |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Brilliant classics 1 17.06.2016 |
Medium:
EAN: |
CD
5028421948478 |
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Stradella, Alessandro |
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