> > > Britische Violinsonaten Vol.2: Werke von Bridge, Ireland, Bliss, u.a.
Montag, 25. September 2023

Britische Violinsonaten Vol.2 - Werke von Bridge, Ireland, Bliss, u.a.

Ungeminderte Expressivität


Label/Verlag: Chandos
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Tasim Little bietet auf der zweiten Folge der Reihe britischer Violinsonaten Raritäten, die durch Littles expressiven Vortrag belebt werden. Ihr zum Süßlichen tendierender Vibratogebrauch ist allerdings Geschmackssache.

Die letzte Komposition vor dem Tod von William Lloyd Webber (1918–1982), dem Vater von Andrew und Julian, tauchte erst vor einigen Jahren auf und erlebt hier ihre Ersteinspielung. Das kaum dreiminütige 'The Gardens of Eastwell. A Late Summer Impression' ist ein Salonstück mit stark sentimentalem Touch; das Stück nimmt Bezug auf den Familienlandsitz in Kent und verbindet sich als Stimmungsbild ganz natürlich mit der Tradition der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bei aller Kunstfertigkeit gelingt es Tasmin Little – nicht zuletzt durch etwas zu starken Vibratogebrauch – nicht, die Miniatur dem Kitsch zu entreißen. Da trifft Piers Lane mit feinfühligem Klavierton und britischem Understatement im allerbesten Sinne den rechten Tonfall wohl doch besser.

Die zweite Rarität auf der vorliegenden CD ist die frühe Es-Dur-Violinsonate von Frank Bridge aus dem Jahre 1904. Vom Komponisten als halbvollendeter Torso liegen gelassen, hat Paul Hindmarsh, die berühmte Bridge-Koryphäe, den unvollständigen zweiten Satz 1996 komplettiert und das Werk zur Aufführung ediert. Die hier vorliegende Einspielung bietet eine attraktive, aber nicht unbedingt nachhaltig memorable Komposition, noch in Bridges traditionellerem, unmittelbar ansprechendem ‚Vorkriegsstil’ gehalten, der bei mittelmäßiger Interpretation etwas ins Seichte abgleiten kann. Vor allem aber der zweite Satz ist eine echte Entdeckung. Littles ungeminderte Expressivität verleiht dem Werk eine kraftvolle Wiedergabe, die manchmal einen Hauch über das Nötige hinausgeht, doch ist in keinem Moment zu sagen, dass sie nicht genau wisse, was sie tut.

In allen anderen Fällen auf der CD waren andere Interpreten Little und Lane um mindestens eine Nasenlänge voraus. Bei den 'Two Pieces' (1912-14) von Ralph Vaughan Williams verbindet Little Linie und Expression, gerade im zweiten, zu Miniaturen von starkem Ausdruck. Arthur Bliss‘ Sonate für Klavier und Violine (ca. 1914-16), die ebenfalls unvollendet blieb und Lady Elgar gewidmet werden sollte, wurde 2010 durch Rupert Marshall-Luck und Matthew Rickard aus der Taufe gehoben. Das einsätzige Werk wird hier expressiver, gelegentlich auch ‚scharfkantiger’ gegeben – für eine Kriegskomposition vielleicht nicht unpassend. Littles Ton ist leuchtender, auch farbenreicher als Marshall-Lucks (der vielfach fast bratschenartig klingt). Vor allem fällt hier die deutlich gelungenere Aufnahmetechnik bei der neuen Chandos-Platte im Vergleich zur etwas ‚samtigeren’ Ersteinspielung auf, die aber nicht minder ausdrucksstark geraten ist. Für meine Ohren ist die Wahl in diesem Fall Geschmackssache.

Die wohl beliebteste Komposition auf der vorliegenden CD ist auch die umfangreichste – John Irelands erste Violinsonate in d-Moll aus den Jahren 1908-9, revidiert 1917 und 1944. Das ausgesprochen dankbare Stück erfährt eine ausgefeilte, dramatisch packende Wiedergabe. Littles Kunst des Portamento wird mit höchster Raffinesse eingesetzt, Lane darf sich hier ebenso ‚ausspielen‘ wie die Geigerin, und beide Musiker bieten die Komposition mit großem Reichtum an Farben und Stimmungen dar. Besonders interessant ist hier der Vergleich mit der anderen Chandos-Einspielung des Werks – mit Lydia Mordkovitch und Ian Brown – trotz einer Gesamtdauer von mehr als drei Minuten mehr wirkt die ältere Chandos-Einspielung nicht behäbiger (anders als jene mit Yfrah Neaman und Eric Parkin auf Lyrita) – wohl aber etwas weniger emotional dicht. Für den Rezensenten ist auch hier die Frage der Bevorzugung eine Frage der persönlichen Vorliebe. Insgesamt haben wir hier eine interpretatorisch ungemein ambitionierte, musikalisch ausgereifte Produktion, die sich aber in entscheidenden Werken starker Konkurrenz gegenübersieht, deren Sichtweisen genauso überzeugen wie die hier vorgelegten. Wie von Chandos zu erwarten, gibt es im Booklet und an den anderen ‚Production values‘ nichts zu meckern.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Britische Violinsonaten Vol.2: Werke von Bridge, Ireland, Bliss, u.a.

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Chandos
1
06.05.2016
Medium:
EAN:

CD
095115189924


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Bliss, Sir Arthur
Bridge, Frank
Ireland, John


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Chandos

Chandos Records was founded in 1979 by Brian Couzens and quickly established itself as one of the world's leading classical labels. Prior to forming the label, Brian Couzens, along with his son Ralph, worked for 8 years running a mobile recording unit recording for major labels (including RCA, Polydor, CFP, etc.) with many of the world's leading artists.
The company has championed rare and neglected repertoire, filling in many gaps in the record catalogues. Initially focussing on British composers (Alwyn, Bax, Bliss, Dyso, Moeran, Rubbra, Walton etc), it subsequently embraced a much wider field. Chandos' diverse catalogue contains over 2000 titles, from early music to contemporary, with composers from around the world. The company's aim is to present an exciting and varied selection of superbly recorded music to as many people as possible.
The following artists are strongly associated with, or exclusive to, the label: Richard Hickox, Matthias Bamert, I Fagiolini, Neeme Järvi, Louis Lortie, Jean-Efflam Bavouzet, Rumon Gamba, James Ehnes, Sir Charles Mackerras, David Parry, Valeri Polyansky, The Purcell Quartet, Gennady Rozhdestvensky, Howard Shelley, Simon Standage, Yan Pascal Tortelier, Vernon Handley, the BBC Philharmonic, BBC National Orchestra of Wales, the City of London Sinfonia and Collegium Muscium 90.
Chandos is universally acclaimed for the excellence of its sound quality and has always been at the forefront of technical innovation. In 1978, Chandos was one of the first to record in 16bit/44.1kHz PCM digital, as well as being one of the first to edit a digital recording completely in the digital domain (Holst: the Planet ? SNO/Gibson). In 1983, Chandos was one of the first to produce and release Compact Discs into the marketplace ? a revolution in the recorded music industry.
Today, Chandos has kept up with technology by recording mostly in 24bit/96kHz PCM but now also in DSD for producing ?surround sound? SACDs. Chandos releases at least five new recordings a month, together with imaginative re-issues of back-catlogue material.
The company has received countless awards, including several Gramophone Awards, notably the 2001 ?Record of the Year? for Richard Hickox?s recording of the original version of Vaughan Williams? A London Symphony; ?Best Choral Recording of 2003? for its recording of an undiscovered mass by Hummel and the ?Best Orchestral Recording? of 2004 for its set of Bax Symphonies. Other highlights include the American Grammy for Britten?s opera Peter Grimes, and most recently (2008), two further Grammy Awards, one for Hansel and Gretel and the other for Grechaninov?s Passion Week. Jean-Efflam Bavouzet?s debut on Chandos was also awarded Record of the Year by Monde de la Musique this year.
Chandos remains an independent, family run company which produces and markets its recordings from its office in Colchester, England, and is distributed worldwide.


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