
Pecou, Thierry - Les Liaisons magnetiques
Kulturelle Anverwandlung
Label/Verlag: aeon
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Thierry Pécous Werke erweisen sich als spannende anarchische Weltenmusik, die Grenzen mühelos übergeht.
‚Wuchtig und zart wie Beethoven‘, so wird die Musik des Komponisten Thierry Pécou beschrieben. Die Tonalität ist dennoch eine ganz andere. Musik ist für Thierry Pécou eine klangliche Performance, sehr physisch und exzessiv, ein Musikerlebnis, das sich ständig mit den musikalischen Traditionsströmen anderer Kulturen auseinandersetzt. Er adaptiert sie nicht, sondern dialogisiert mit ihnen und entwickelt, stark beeinflusst von den Gedanken seiner Lieblingsdichter, außerordentliche Klangkunstwerke. Die Basis bildet Thierry Pécous abendländisch geprägter Hintergrund. Gleichzeitig erkundet er als Weltenbürger in den Werken, die auf der Platte ‚Les Liasions magnétiques‘ zusammengefasst sind, Musiken aus Lateinamerika und Asien. Das Ergebnis sind extrem unterschiedliche, klanglich reizvolle Kompositionen, die sich allerdings bis auf die karibisch geprägten Werke nur bei Vorkenntnis von Thierry Pécous Inspirationsquellen erschließen.
In der zweiteiligen Komposition 'Les Liaisons magnetiques' (2013) entwickelt Thierry Pécou mit sechs Blasinstrumenten und zwölf Streichern, stark beeinflusst von dem avantgardistischen Komponisten Henri Dutilleux, den Gedanken des Dichters Eduard Glissant und der Musik des lateinamerikanischen Altiplano, eine musikalische Genesis von monumentaler Wucht. Klangcluster schweben wie Raumschiffe durch den Klangkosmos, Töne leuchten wie Meteoriten, fulminante Crescendi machen Eroberungsstrategien hörbar. Der Kampf der Klänge lässt mitunter an ‚Star Wars‘ denken.
In 'Sextuor' (2011) setzt sich Pécou mit balinesischer und javanesischer Musik auseinander, deren Harmonien und Techniken er nicht rekonstruiert, sondern auf die er auf seine ganz persönliche Art mit sechs Instrumenten - Flöte, Klarinette, Oboe, Horn, Fagott und Klavier - sehr lyrisch und subtil antwortet, wobei er den Hörer zuweilen mitten in den indonesischen Dschungel versetzt. Der Zerstörung der kosmologischen Kultur der Azteken setzt Thierry Pécou in 'Soleil-Feu' (2013) für Violine und Klavier eine neue Genesis entgegen. Nachdem die Welt von Regen und Feuer zerstört wurde, belebt sich die Erde wieder durch einfache rhythmische Motive, die sich über die Violine und das Klavier kontrastreich zu einem neuen Universum entfalten.
Ganz anders legt der Komponist 'Les Machines desirantes" I und II (2008) an. Hier interferieren die gewissermaßen anarchischen Parts von Flöte, Saxophon, Klarinette, Violine, Cello und Klavier. Sie wirken wie gegenseitige Störmanöver, hallen nach, schweigen - ganz im Sinne von Thierry Pécous literarischer Anregung, Gilles Deleuzes und Félix Guattaris ‚Anti-Ödipus‘ und deren Kapitalismuskritik nach dem Motto: Alles findet gleichzeitig statt und findet doch nicht zusammen, nichts funktioniert.
Nur die letzten beiden Kompositionen erschließen sich durch den Bezug zu der inzwischen sehr populär gewordenen karibischen Rhythmik von selbst. In 'Salsa d’Elissa' (Version von 2013 für Saxophon, Kongas und Klavier) leuchtet ein Mix aus karibischer, spanischer, französischer und schwarzafrikanischer Musik auf, dessen rhythmische Bewegtheit an eine kubanische Tänzerin denken lässt. Mit einer musikalischen Postkarte aus von der Dominikanischen Republik endet die CD mit einem lässig lebensfrohen 'Dominica Reggae' (2009).
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Pecou, Thierry: Les Liaisons magnetiques |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
aeon 1 08.04.2016 |
Medium:
EAN: |
CD
3760058360460 |
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aeon Äon bedeutet im Altgriechischen soviel wie Zeitalter bzw. Ewigkeit. Wenngleich letztendlich keine Aufnahme für die Ewigkeit sein kann, so kann sie doch zumindest Gültigkeit für ein Zeitalter oder Menschenalter beanspruchen. Diesem nicht geringen Anspruch versucht man bei AEON mit bereits fast hundert Titeln gerecht zu werden. Für seine Einlösung spricht, dass das Label seit seiner Gründung 2001 schnell zu einer der ersten Adressen aus Frankreich wurde. Den Labelgründern Damien und Kaisa Pousset ist es wichtig, einen Katalog zu schaffen, dessen einzelne Titel jeweils als ultimative Intention der beteiligten Musiker verstanden werden können. Künstler wie Alexandre Tharaud, Andreas Staier, Felicity Lott oder das Quatuor Ysaÿe haben hier Aufnahmen vorgelegt, die woanders so sicherlich nicht möglich gewesen wären. Der Katalog von AEON umfasst im Wesentlichen drei Hauptschwerpunkte: monographische CDs mit Komponisten des 20. und 21. Jahrhunderts, dann das breitere, klassische Repertoire, das durch ausgewählte Künstler und Ensembles bestritten wird, sowie die frühe Musik des Mittelalters. Mehr Info... |
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