
Czerny, Carl und Viotti, Giovanni - Klavierkonzerte
Allein gelassen
Label/Verlag: Brilliant classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese Produktion ist in Bezug auf das Repertoire interessant, in der Umsetzung jedoch gehen die Einzelleistungen stark auseinander.
Carl Czerny (1791–1857) und Giovanni Battista Viotti (1755–1824) mit Klavierkonzerten in einer Publikation gemeinsam vorzustellen ist neu. Viotti, vornehmlich als Violinkomponist bekannt, schuf 29 Violinkonzerte, von denen diverse als Klavierkonzerte eingerichtet wurden, u.a. von Jan Ladislav Dussek und Johann Baptist Cramer. Die Zahl von Viottis ‚Selbsteinrichtungen‘ ist überschaubar, dennoch wird hier nicht der komplette Korpus in dieser Hinsicht vorgelegt (ein h-Moll-Konzert aus den späteren 1790er-Jahren wäre ebenfalls von Interesse gewesen – hier wäre aber eine Neuedition erforderlich gewesen).
Die beiden hier eingespielten Konzerte entstanden in ihrer Originalgestalt zwischen 1783 und 1786 bzw. im März 1791, beide in Paris. Von dem früherem A-Dur-Konzert transformierte Viotti 1788-9 die beiden Ecksätze für Klavier und Orchester, das spätere g-Moll-Werk bearbeitete er um 1816 vollständig. Das spätere Konzert ist ohnehin eine interessante Angelegenheit; die Originalkomposition überarbeitete Viotti 1818, so dass die heute gültige Violinkonzertfassung einen späteren Stand darstellt als die Klavierkonzertfassung. Czerny soll sechs Klavierkonzerte und zwei Concertini geschrieben haben (inklusive dem berühmten Konzert für Klavier vierhändig, das jüngst auch von Tal/Groethuysen eingespielt wurde), von denen aber drei verschollen zu sein scheinen. Statt aber auch hier tiefer zu graben und echte Repertoireforschung zu betreiben, bleiben die Italiener auch hier eher an der Oberfläche; sie legen eben nicht mehrere Konzerte für Soloklavier und Orchester vor, sondern nur das letzte in a-Moll op. 213 (1829), das 2006 von Felicja Blumental eingespielt wurde, sowie das berühmte C-Dur-Werk op. 153 für Klavier vierhändig und Orchester (1825). Dass in keinem der Fälle eigene Quellenforschung betrieben wird, ist nur folgerichtig. Und während die Bookletausführungen zu Viotti geradezu ausufern, bleiben die Informationen zu Czerny allzu sehr an der Oberfläche – offenkundig konnte der Bookletautor die entsprechende Fachliteratur nur in Ausnahmefällen zurateziehen.
Massimo Belli, Leiter des in Empoli beheimateten Orchesters Rami Musicali, gelingt eine Verbindung von modernem Orchesterklang und historisch informierter Aufführung. Der ausgebildete Geiger, der beruflich als Hochschuldozent und Dirigent vor allem in Triest tätig ist (nichts davon erfährt man im Booklet), hebt bei Czernys Konzert hervor, dass ihm Chopin und Schumann unendlich viel verdanken, und die Wahl des warmstimmigen, vielfarbigen Konzertflügels – eines Instruments, das mindestens hundert Jahre alt sein dürfte, aber in ausgezeichnetem Zustand, mit einer Wärme, von der man in modernen Konzertsälen nur träumen kann (leider erfährt man nichts darüber im Booklet). Der in Empoli ansässige, in Florenz ausgebildete David Boldrini scheint keine Schwierigkeiten bei den Werken zu kennen, virtuos wie poetisch, nahezu getragen durch sein Instrument, gelingen ihm höchst einsichtsvolle musikalische Erlebnisse.
Das Rami Musicali-Orchester kann da nicht mithalten, klingt vielmehr wie ein zweitklassiges Kammerorchester, das zumeist zwar gut präpariert ist, dessen Musiker aber auf minderwertigen Instrumenten spielen müssen. So bleibt vor allem das Klavierspiel, das – im Viotti stark als ‚Derivat‘ der originalen Violinfaktur erkennbar, im Czerny virtuos und vielfältig stimmungsvoll – eine wahre Freude ist. Wäre es Boldrini nicht möglich gewesen, mit anderen Partnern eine gänzlich ungetrübte Einspielung vorzulegen? Gerade bei dem Doppelkonzert von Czerny (zweite Pianistin Elena Pinciaroli, unter der Leitung von Augusto Vismara, offenbar dem Konzertmeister des Orchesters) ist eine gute Orchesterleistung unerlässlich. Auch die konzertante Violine im A-Dur-Konzert von Viotti (ebenfalls Augusto Vismara) kann wegen ihrer Schärfe und mangelnden Kultiviertheit nicht rundum beglücken. Schade – so strahlt zwar Boldrinis Leistung umso heller, aber im Grunde bleibt er allein gelassen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Czerny, Carl und Viotti, Giovanni: Klavierkonzerte |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Brilliant classics 2 29.04.2016 |
Medium:
EAN: |
CD
5028421948997 |
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Czerny, Carl |
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