> > > Czerny, Carl und Viotti, Giovanni: Klavierkonzerte
Montag, 25. September 2023

Czerny, Carl und Viotti, Giovanni - Klavierkonzerte

Allein gelassen


Label/Verlag: Brilliant classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Diese Produktion ist in Bezug auf das Repertoire interessant, in der Umsetzung jedoch gehen die Einzelleistungen stark auseinander.

Carl Czerny (1791–1857) und Giovanni Battista Viotti (1755–1824) mit Klavierkonzerten in einer Publikation gemeinsam vorzustellen ist neu. Viotti, vornehmlich als Violinkomponist bekannt, schuf 29 Violinkonzerte, von denen diverse als Klavierkonzerte eingerichtet wurden, u.a. von Jan Ladislav Dussek und Johann Baptist Cramer. Die Zahl von Viottis ‚Selbsteinrichtungen‘ ist überschaubar, dennoch wird hier nicht der komplette Korpus in dieser Hinsicht vorgelegt (ein h-Moll-Konzert aus den späteren 1790er-Jahren wäre ebenfalls von Interesse gewesen – hier wäre aber eine Neuedition erforderlich gewesen).

Die beiden hier eingespielten Konzerte entstanden in ihrer Originalgestalt zwischen 1783 und 1786 bzw. im März 1791, beide in Paris. Von dem früherem A-Dur-Konzert transformierte Viotti 1788-9 die beiden Ecksätze für Klavier und Orchester, das spätere g-Moll-Werk bearbeitete er um 1816 vollständig. Das spätere Konzert ist ohnehin eine interessante Angelegenheit; die Originalkomposition überarbeitete Viotti 1818, so dass die heute gültige Violinkonzertfassung einen späteren Stand darstellt als die Klavierkonzertfassung. Czerny soll sechs Klavierkonzerte und zwei Concertini geschrieben haben (inklusive dem berühmten Konzert für Klavier vierhändig, das jüngst auch von Tal/Groethuysen eingespielt wurde), von denen aber drei verschollen zu sein scheinen. Statt aber auch hier tiefer zu graben und echte Repertoireforschung zu betreiben, bleiben die Italiener auch hier eher an der Oberfläche; sie legen eben nicht mehrere Konzerte für Soloklavier und Orchester vor, sondern nur das letzte in a-Moll op. 213 (1829), das 2006 von Felicja Blumental eingespielt wurde, sowie das berühmte C-Dur-Werk op. 153 für Klavier vierhändig und Orchester (1825). Dass in keinem der Fälle eigene Quellenforschung betrieben wird, ist nur folgerichtig. Und während die Bookletausführungen zu Viotti geradezu ausufern, bleiben die Informationen zu Czerny allzu sehr an der Oberfläche – offenkundig konnte der Bookletautor die entsprechende Fachliteratur nur in Ausnahmefällen zurateziehen.

Massimo Belli, Leiter des in Empoli beheimateten Orchesters Rami Musicali, gelingt eine Verbindung von modernem Orchesterklang und historisch informierter Aufführung. Der ausgebildete Geiger, der beruflich als Hochschuldozent und Dirigent vor allem in Triest tätig ist (nichts davon erfährt man im Booklet), hebt bei Czernys Konzert hervor, dass ihm Chopin und Schumann unendlich viel verdanken, und die Wahl des warmstimmigen, vielfarbigen Konzertflügels – eines Instruments, das mindestens hundert Jahre alt sein dürfte, aber in ausgezeichnetem Zustand, mit einer Wärme, von der man in modernen Konzertsälen nur träumen kann (leider erfährt man nichts darüber im Booklet). Der in Empoli ansässige, in Florenz ausgebildete David Boldrini scheint keine Schwierigkeiten bei den Werken zu kennen, virtuos wie poetisch, nahezu getragen durch sein Instrument, gelingen ihm höchst einsichtsvolle musikalische Erlebnisse.

Das Rami Musicali-Orchester kann da nicht mithalten, klingt vielmehr wie ein zweitklassiges Kammerorchester, das zumeist zwar gut präpariert ist, dessen Musiker aber auf minderwertigen Instrumenten spielen müssen. So bleibt vor allem das Klavierspiel, das – im Viotti stark als ‚Derivat‘ der originalen Violinfaktur erkennbar, im Czerny virtuos und vielfältig stimmungsvoll – eine wahre Freude ist. Wäre es Boldrini nicht möglich gewesen, mit anderen Partnern eine gänzlich ungetrübte Einspielung vorzulegen? Gerade bei dem Doppelkonzert von Czerny (zweite Pianistin Elena Pinciaroli, unter der Leitung von Augusto Vismara, offenbar dem Konzertmeister des Orchesters) ist eine gute Orchesterleistung unerlässlich. Auch die konzertante Violine im A-Dur-Konzert von Viotti (ebenfalls Augusto Vismara) kann wegen ihrer Schärfe und mangelnden Kultiviertheit nicht rundum beglücken. Schade – so strahlt zwar Boldrinis Leistung umso heller, aber im Grunde bleibt er allein gelassen.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Czerny, Carl und Viotti, Giovanni: Klavierkonzerte

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Brilliant classics
2
29.04.2016
Medium:
EAN:

CD
5028421948997


Cover vergössern

Czerny, Carl
Viotti, Giovanni Battista


Cover vergössern

Brilliant classics

Brilliant Classics steht für hochwertige Klassik zu günstigen Preisen!

Mit den Veröffentlichungen von komplettierten Gesamtwerks- Editionen und Zyklen berühmter Komponisten, hat sich das Label erfolgreich am Musikmarkt etabliert. Der Klassikmusikchef, Pieter van Winkel, ist Musikwissenschaftler und selbst Pianist. Mit seinem professionellen musikalischen Gespür für den Klassikmarkt, hat er in den letzten Jahren ein umfangreiches Klassikprogramm aufgebaut. Neben hochwertigen Lizenzprodukten fördert er mit Eigenproduktionen den musikalischen Nachwuchs und bietet renommierten Musikern eine ideale Plattform.


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...
Titel bei JPC kaufen


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Brilliant classics:

blättern

Alle Kritiken von Brilliant classics...

Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:

  • Zur Kritik... Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Kein überzeugendes Plädoyer: Dem Constanze Quartett mangelt es an rhetorischer Überzeugungskraft, um drei Streichquartette Emilie Mayers zu einem besonderen Erlebnis zu machen. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Pionierleistungen: Bedeutsame Dokumente der Havergal-Brian-Diskografie. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
blättern

Alle Kritiken von Dr. Jürgen Schaarwächter...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (4400 KByte)

Anzeige

Jetzt im klassik.com Radio

Georges Bizet: Jeux d'enfants op.22

CD kaufen


Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich