
Telemann, Georg Philipp und Rolle, Johann Heinrich - So höret meinen Gesang
Einfalls- und abwechslungsreich
Label/Verlag: Raumklang
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Der Hexameter, das Versmaß des Dichters Klopstock, war eine Herausforderung für die Komponisten seiner Zeit. Telemann und Rolle meisterten die besonderen Anforderungen, und Siegfried Pank, seine Solistenriege und das Leipziger Concert, ebenso.
Georg Friedrich Klopstock, einer der einflussreichsten deutschen Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, gab den Komponisten seiner Zeit nicht wenige Impulse zur Vertonung seiner Dichtungen. Auch sein zwischen 1748 und 1773 veröffentlichtes und zeitlebens überarbeitetes Heldengedicht ‚Der Messias‘, obschon in vollem Umfang mit seinen zwanzig Gesängen und knapp zwanzigtausend Versen völlig ungeeignet, in Musik gesetzt zu werden, forderte etwa Georg Philipp Telemann dazu heraus, zumindest einzelne Abschnitte aus diesem ‚Messias‘ zu vertonen. Klopstock knüpft mit dieser Dichtung und der Darstellung von Passion und Auferstehung Christi an die antike Form des Epos an. Es geht ihm inhaltlich dabei allerdings weniger um die Schilderungen von Begebenheiten, als vielmehr um eine religiös-ekstatische, von der Tradition des Pietismus geprägte Verkündigung der christlichen Botschaft. Man las diesen ‚Messias‘ als religiöses Erbauungsbuch und war fasziniert von der formalen und sprachlichen Gestaltung im Versmaß des Hexameters. Klopstocks biblische Dramen, seine Geistlichen Lieder, Oden und Elegien wurden im 18. Jahrhundert indes nicht nur von Telemann, sondern auch von Christoph Willibald Gluck und Carl Philipp Emanuel Bach, aber beispielsweise auch von dem Magdeburger Organisten und ‚Director Chori Musici‘ Johann Heinrich Rolle vertont.
Das Label Raumklang hat sich solcher Klopstock-Vertonungen angenommen und mit dem Leipziger Concert unter der Leitung von Siegfried Pank Georg Philipp Telemanns 1759 entstandene musikalische Anverwandlung der Verse 1-41 aus dem 1. Messias-Gesang 'Sing, unsterbliche Seele' sowie seine Vertonung der Verse 472-515 aus dem 10. Gesang 'Mirjam, und deine Wehmut, Debora' vorgelegt. Die Auszüge aus dem 'Messias' (TVWV 6:4) sind mit Telemanns Pfingstkantate 'Komm, Geist des Herrn' (TVWV 1:999) auf den Text eines unbekannten Dichters gekoppelt worden. Zudem ist auf dieser CD Johann Heinrich Rolles 1766 in Magdeburg erstaufgeführte Musikalische Elegie 'David und Jonathan', basierend auf einem Text aus Klopstocks Trauerspiel ‚Salomo‘ eingespielt worden.
Telemann, der im Lauf seines kompositorischen Arbeitens viel Erfahrung im Umgang mit der musikalischen Übertragung der Sprache gewonnen hatte, stellte sich der besonderen Herausforderung, einem Versmaß in fortwährenden Hexametern eine musikalische Form zu verleihen. Mit der gewöhnlichen Aneinanderreihung von Arien und Rezitativen war Klopstocks Poesie nicht beizukommen. Telemann gliederte den Text etwa im ersten Gesang 'Sing, unsterbliche Seele' in dieser Hinsicht abschnittsweise auf und fügte zwischen deren einzelne Teile auflockernde, rein instrumentale Zwischenspiele ein. Er belässt den Text dabei (anhand solch eines komplexen Versmaßes verbot sich naturgemäß die Form der gewöhnlichen und in sich geschlossenen Da-capo-Arie) in einer weitgehend fortdauernden Abfolge, verzichtet aber (vor allem im ersten Gesang) nicht ganz auf die üblichen Wort- und Satzteilwiederholungen. Den fortlaufenden Text fasst Telemann in angedeutete Rezitative und Ariosi, die den Vokalsolisten – und im zweiten Messias-Gesang 'Mirjam, und deine Wehmut, Debora' konkret eben diesen beiden Protagonisten- zugewiesen werden und er lässt diese Genres gewissermaßen stetig ineinander überfließen. Mit den vielfältigen Richtungswechseln in die Nähe der gattungstypischen Zuordnung von Rezitativ oder auch Arie folgt Telemann dabei einer für die Zeit recht modern anmutenden durchkomponierenden Vorgehensweise. Die instrumentale Besetzung fächert er im zweiten Gesang, der sich gegenüber dem ersten zudem kompositionstechnisch noch flüssiger und selbstverständlicher erweist, auf der Seite der Bläser mit je zwei Traversflöten, Oboen und Fagotten sogar noch reichhaltiger und farbiger auf. So gelingen Telemann – vor allem in eben diesem zweiten Gesang des 'Messias' – atmosphärische Stimmungsbilder größter Ausdrucksdichte, und auch Schlüsselworte im Text zeigen sich hier instrumental mit herausgehobenen Akzentuierungen wie gleichsam kommentiert.
Die Interpreten dieser Aufnahme, die Sopranistin Antje Rux, die Altistin Susanne Langner, der Tenor Tobias Hunger und der Bassist Ingolf Seidel sowie die Instrumentalisten des Leipziger Concert begegnen unter der Leitung von Siegfried Pank dieser einfalls- und abwechslungsreichen und zudem apart instrumentierten Musik, die Telemann hier geschaffen hat, mit hoher Agilität, mit präsenter Attacke wie ebenso biegsamer Sensibilität für deren vielfältige Ausdrucksinhalte und für deren – was den zweiten 'Messias'-Gesang angeht – geradewegs magische Beleuchtungswechsel.
Auch Telemanns musikalisch vergleichsweise konventionell gehaltene Pfingstkantate 'Komm, Geist des Herrn' erhält in der Darstellung der Leipziger Interpreten ein plastisches Profil, wobei die Instrumentalisten wie die Vokalisten die Satzstruktur durchsichtig zu halten verstehen und den verschiedenen Ausdruckscharakteren spannkräftig und lebendig nachzuspüren vermögen.
Johann Heinrich Rolle folgt mit seiner Elegie 'David und Jonathan' ganz dem empfindsamen Stil seiner Zeit und eifert kompositionstechnisch mit den vielfachen Wechseln der musikalischen Spezies von Rezitativ und Arioso, mit seinen Kontrastsetzungen und seinen atmosphärischen Bildern, die die Interpreten in ihrer lebendigen Vielfalt ansprechend und überzeugungskräftig zum Ausdruck zu bringen verstehen, gewissermaßen Telemanns Vorbild nach, und das nicht zuletzt auch, was den durchkomponierten musikalischen Fortgang angeht.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Telemann, Georg Philipp und Rolle, Johann Heinrich: So höret meinen Gesang |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Raumklang 1 11.03.2016 |
Medium:
EAN: |
CD
4018767035025 |
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Rolle, Johann Heinrich |
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Raumklang Das Label RAUMKLANG wurde 1993 von Sebastian Pank in Leipzig gegründet. Nach wie vor steht der Name Raumklang für ein authentisches Klangerlebnis. Die Aufnahmen entstehen überwiegend mit nur einem Stereo-Kugelflächen-Mikrophon (One-Point-Recording).
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