
Holst, Gustav - Ken Russell's View of The Planets
Querdenker
Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Ken Russells Visualisierung von Holsts 'Planets' wirkt auch nach 30 Jahren durch die collagenhaft schöpferische, experimentelle Bebilderung immer noch inspirierend.
Das Schaffen des englischen Filmemachers Ken Russell (1927–2011) wird in jüngster Zeit verstärkt wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dabei erfreut ganz besonders die Veröffentlichung der ‚Musikfilme‘ Russells, der sich, neben der Verfilmung der Rockoper 'Tommy', gleichermaßen mit britischen (Elgar, Delius, Bax, Vaughan Williams) wie kontinentaleuropäischen Komponisten (Tschaikowsky, Mahler, Bruckner, Debussy, Martinu, Liszt, Strauss) auseinandergesetzt hat; die Ergebnisse sind teilweise extrem kontrovers, cineastisch häufig interessant und auch aus musikgeschichtlicher Perspektive vielfach ausgesprochen erfrischend (wenn auch nicht immer ganz faktenkonform).
‚Ken Russell‘s View on The Planets‘ entstand 1983 für die von London Weekend Television ausgestrahlte ‚South Bank Show‘ unter Verwendung der CBS-Einspielung mit dem Philadelphia Orchestra unter Eugene Ormandy aus dem Jahr 1977. Es ist dies kein Film mit viel neu gedrehtem Material, sondern eine Collage vor allem aus Dokumentarfilmmaterial (Schnitt Xavier Russell, Ken Russells Sohn), das Russells ganz eigene Visualisierung von Holsts Suite darstellt.
Musikalisch ist Ormandys Lesart rhythmisch geschärft, auf Klangfarben ausgerichtet, aus heutiger Perspektive aufnahmetechnisch nicht mehr ganz frisch (offenbar ist keine Neuüberspielung der CBS-Bänder der Filmausgabe unterlegt worden) und vor allem nicht ganz nah an Holsts eigentlichem musikalischen Stil (Holst ist, wie wir heute wissen, ja eben nicht nur der Komponist der 'Planets', sondern auch zahlreicher anderer Werke, deren Kenntnis die Interpretation der 'Planets' beeinflussen kann und vielleicht auch sollte). Ormandys Einspielung war damals weit verbreitet (obschon ich persönlich von den Einspielungen aus den 1970er-Jahren jene von Zubin Mehta aus Los Angeles vorziehe, nicht zuletzt der besseren Aufnahmequalität und der sorgfältigeren Interpretation wegen). Russell illustriert Holsts musikalische ‚Charaktere‘ der einzelnen Sätze teilweise drastisch: In 'Mars, the Bringer of War' präsentiert er Hitlerdeutschland und Stalins Russland, aber auch Armeen zahlreicher anderer Länder, verbunden mit Rüstungsschmieden, Explosionen vielfältiger Art und zerstörten Gebäuden (mit Blick auf die Entstehung der Komposition 1914-17 keineswegs wirklich abwegig). Die Anspielungen auf Filme der Stummfilmära (‚Metropolis‘) sind teilweise offenkundig, aus ‚Nosferatu‘ werden sogar kurze Ausschnitte einmontiert.
Die Vielfalt der visuellen Ideen im Film lässt sich nicht aufzählen, spiegelt aber in vielfältiger Weise die komplexe, phantasievolle Persönlichkeit Ken Russells sozusagen in Konzentration, ohne die Notwendigkeit eine kontinuierliche Geschichte erzählen zu müssen. So können die visuellen Eindrücke noch viel unmittelbarer wirken als wenn sie einem Handlungskonzept untergeordnet sind. Besonders geglückt scheinen die ‚Reprisen‘-Elemente im Film, die auch der visuellen Sichtweise eine klare Form geben und dafür sorgen, dass das Ergebnis nicht in bloße Beliebigkeit abgleitet. Russell verzichtet weitgehend auf antikisierende Anspielungen, sondern verortet seine Lesart der 'Planets' fest im 20. Jahrhundert, aber ohne jeden Respekt auf ‚unterschobene‘ Lesarten anderer (Stichwort ‚I vow to thee, my country‘).
Der lustvolle Umgang mit der Montage scheinbar völlig disparater Elemente ist zumeist geistreich und inspirierend. Nach über dreißig Jahren ist Russells Sichtweise sowohl auf die Musik Holsts als auch auch Musik im Allgemeinen immer noch durchaus innovativ – viele Filme seither sind weitaus konservativer. Es ist kaum zu erwarten, dass Stanley Kubrick Russells Fernsehproduktion kannte, auch wenn die Parallelen in manchen Momenten verblüffend sind.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Features: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Holst, Gustav: Ken Russell's View of The Planets |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: |
Monarda Music 1 11.03.2016 50:00 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
DVD
4058407091684 109168 |
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Holst, Gustav |
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"Die Planeten op.32 von Gustav Holst ist seit der ersten öffentlichen Aufführung 1920 eines der beliebtesten Orchesterwerke des britischen Komponisten. Der berühmt-berüchtigte Filmemacher Ken Russell schuf seine eigene Sichtweise auf das Werk. Hierfür nahm er sich eine brillante Aufführungen mit dem Philadelphia Orchestra unter der Leitung von Eugene Ormandy als Grundlage und synchronisierte zur Musik Archivmaterial sowie selbst produzierte Dokumentaraufnahmen. Russells Arbeit als Film- und TV-Produzent ist kontrovers, provozierend, aber auch innovativ und widmet sich größtenteils der Musik des 20. Jahrhunderts. Zu seinen Spielfilmen gehören Tschaikowsky Genie und Wahnsinn (The Music Lovers), Liebende Frauen (Women in Love), Mahler, Die Teufel (The Devils), Savage Messiah, Liztomania, Valentino und Tommy. In dem 1983 produzierten Film präsentiert Russell seine visuelle Interpretation von Holsts Werk, das sieben Sätze beinhaltet und jeweils einem Planeten und deren Charakter zugeordnet ist: Mars kraftvoll und durchsetzungsfähig, Venus liebevoll, Merkur eloquent, Jupiter lebhaft und hoffnungsvoll, Saturn - beständig, Uranus exzentrisch und unerwartet, Neptun subtil und geheimnisvoll. Russells persönliche Sichtweise auf Die Planeten ist provokativ, anregend, erfinderisch, unterhaltsam und dennoch wunderbar anzuschauen, mit Bildern, die zugleich schön, schrecklich und einfallsreich sind. (Daily Mail)" |
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Monarda Music Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
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