
Telemann, Georg Philipp - 12 Fantaisies pour la Basse de Violle
Schließung einer bedeutsamen Repertoirelücke
Label/Verlag: Coviello Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Der Gambist Thomas Fritzsch legt die verdienstvolle Ersteinspielung von Georg Philipp Telemanns wiederentdeckten Gambenfantasien vor.
Der Blick auf jene Werke, die Georg Philipp Telemann in der ersten Hälfte der 1730er Jahre für solistische Instrumente komponiert und im Eigenverlag veröffentlicht hat – jeweils zwölf Fantasien für Traversflöte (1732/33), Violine (1735) und Viola da gamba (1735) sowie dreimal zwölf Fantasien für Cembalo (1732/33) –, belegt ein kompositorisches und sicherlich auch verlegerisches Interesse an in sich geschlossenen Sammlungen jenseits der herkömmlichen Kammermusikgattungen. Während zumindest die Fantasien für Flöte und Violine aus diesem einzigartigen, insgesamt 72 Werke umfassenden Korpus von Kompositionen zum Kernbestand der Literatur für die jeweiligen unbegleiteten Instrumente gehören, galt das Pendant für Viola da gamba trotz zweifelsfrei belegter Publikation über Generationen hinweg als verschollen. Der Verlust dieser Sammlung erschien umso größer, als sie zu einem historisch relativ späten Zeitpunkt einem Instrument zugedacht war, das sich während des 17. Jahrhunderts eines regen Zuspruchs erfreut hatte und folglich auch mit einer Fülle solistischer Literatur bedacht wurde. Dass der Gambist Thomas Fritzsch, dabei Hinweisen des französischen Musikwissenschaftlers François-Pierre Goy folgend, kürzlich das vermutlich einzige erhaltene Druckexemplar von Telemanns '12 Fantaisies pour le Basse de Violle' (TWV 40:26-37) auf Schloss Ledenburg in Niedersachsen auffinden konnte – nämlich in der Privatbibliothek der adeligen Musikliebhaberin, Gambistin und Dichterin Eleonore von Münster (1734-1794) – darf daher als kleine Sensation gelten.
Fritzschs nun bei Coviello Classics erschienene Erstaufnahme des Zyklus, eingespielt 2015 in der Klosterkirche Zscheiplitz und ganz von deren angenehmer, dezent halliger Akustik profitierend, rückt die Telemann’schen Kompositionen ins beste Licht und unterstreicht deren historische Bedeutung: bietet sie doch eine Zusammenfassung aller Spielmöglichkeiten und Ausdrucksformen des Instruments innerhalb eines Kompendiums, das alle denkbaren Varianten der Form ebenso einbezieht wie Satztypen aus unterschiedlichen Gattungszusammenhängen. Das große Können des Gambisten zeigt sich gleich im Kopfsatz der Fantasia Nr. 1 c-Moll, in dem die in Dreiklangschritten emporschreitende 'Adagio'-Linie sich in einen absteigenden 'Allegro'-Fugenkopf auflöst, so dass die beiden gegensätzlichen Ausdrucksbereiche miteinander verschmolzen werden. Hier wie an anderen Stellen wird deutlich, welch großen Wert Fritzsch dem kantablen Aspekt der Musik beimisst und dabei die klanglichen Möglichkeiten seines Instruments – einer 1774 gebauten siebensaitigen Viola da gamba aus dem mährischen Holleschau – adäquat zu nutzen versteht. Nicht nur in den langsamen Sätzen – etwa im klagenden 'Dolce'-Satz aus der Fantasia Nr. 6 G-Dur, in dem die Melodie in ein- oder zweistimmiger Manier geführt ist und immer wieder in akkordische, sanft arpeggierte harmonische Ruhepunkte mündet – arbeitet der Gambist daher die Linienführungen sehr profiliert heraus; auch in den Fugen sorgt er, verknüpft mit einem geschickten Auskosten der von Telemann vorgesehenen Sprünge und Registerkontraste, für einen am Ideal des Gesangs orientierten Vortrag.
Darüber hinaus gelingt es Fritzsch über die Gesamtdauer der CD hinweg, die Spannung aufrechtzuerhalten, wodurch der musikalische und harmonische Abwechslungsreichtum der Fantasien in den Vordergrund rückt. Kein einziges Werk gleicht daher dem anderen, jede Komposition besitzt einen individuellen Spannungsaufbau, der die Möglichkeiten des Instruments auf andere Weise nutzt. Ergänzt wird dies alles durch ein prachtvolles Booklet: Die kenntnisreichen Texte des Telemann-Forschers Carsten Lange und des Interpreten selbst gehen ausführlich auf Entstehungsgeschichte und Bedeutung der Werke ein und machen deutlich, dass es sich bei den '12 Fantaisies' um eine ganz besondere Sammlung handelt. Unterstützt wird dies noch mit durchweg farbigen Abbildungen, die unter anderem Details eines nicht näher benannten Instruments – wahrscheinlich Fritzschs Gambe – sowie einen Ausschnitt aus dem Telemann’schen Druck handelt. Zur Schließung einer schwergewichtigen Repertoirelücke kann man sich kaum eine gelungenere Veröffentlichung vorstellen.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Telemann, Georg Philipp: 12 Fantaisies pour la Basse de Violle |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: |
Coviello Classics 1 04.03.2016 84:46 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4039956916017 COV 91601 |
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Telemann, Georg Philipp |
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