
Ein Fagott in Stockholm... - Fagottwerke von Franz Berwald
Das Fagott rockt
Label/Verlag: BIS Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese Aufnahme rückt das bis vor kurzem recht stiefmütterlich behandelte Holzblasinstrument ins rechte Licht. Wer diese abwechslungsreiche Einspielung hört, merkt, dass das Fagott genau dorthin gehört.
Das Fagott ist wieder auf dem Vormarsch. Einst fristete es ein Schattendasein in den Orchestergräben, vegetierte in barocken Basso continuo-Besetzungen dahin und als Soloinstrument wurde es ohnehin verschmäht. Inzwischen hat sich das grundlegend geändert. Das angestaubte Image dieses edlen Holzbläsers hat neuen Glanz bekommen. Neue Fagottkonzerte wie jüngst das von Daniel Schnyder werden aus der Taufe gehoben, man jazzt und improvisiert virtuos auf dem Rohr, und selbst in den Musikschule hat sich das Fagottino jetzt als Einstiegsinstrument etabliert.
Einen nostalgischen Blick in den hohen Norden bietet im Rahmen dieser Rehabilitationskampagne das bei BIS erschienene Album ‚A Basson in Stockholm…‘, das das Fagott-Repertoire in einer interessanten Zwischenphase der Musikgeschichte, nämlich im beginnenden 19. Jahrhundert, näher beleuchtet. Dabei orientiert man sich einerseits mit einem originalen Dresdener Grenser-Fagott der Zeit am Ideal der historischen Aufführungspraxis und andererseits an der historischen Persönlichkeit von Frans Pneumayr, der als deutscher Fagottvirtuose in Schweden zur Verbreitung dieses Instruments beitrug. Sein Repertoire diente als Inspiration für dieses – beginnend mit den ansprechenden Detailaufnahmen eines Instruments auf dem Booklet – mit viel Liebe zum Detail produzierten und gestalteten Super Audio-CD. Dabei spielt der exzentrische Romantiker Franz Berwald mit seinem Septett in B-Dur und seinem Quartett in Es-Dur die Hauptrolle. Das dreisätzige Septett wartet mit einer trauten Dreisamkeit von Klarinette, Horn und Fagott auf – wobei die Klarinette dabei oft die Hauptrolle einnimmt. Das Fagott ist hier noch eher ein Instrument im Schatten, dass häufig en bloc mit Horn und Klarinette auftritt – selbst im bewegten finalen 'Allegro' erhalten nur Klarinette und vor allem das Horn Gelegenheit aus dem musikalischen Geschehen hervorzutreten und voran zu treiben. Die Musiker, allesamt Mitglieder des renommierten Orchestra of the Eighteenth Century machen dieses Stück zu einer kleinen Preziose.
So richtig Gelegenheit zum Aufblühen erhält das Fagott, gespielt von der Amerikanerin Donna Agrell in der Komposition eines noch zu entdeckenden Komponisten. Edouard du Puy war ein Multitalent seiner Zeit, Sänger, Komponist und Geigenvirtuose der zwischen Paris, Kopenhagen und Stockholm pendelte. Sein Quintett für Fagott und Streicher hat es inzwischen zu einer Art Standardwerk für virtuose Fagottisten gebracht. Auffällig ist, wie die Solistin hier ihrem Instrument große Melodiösität entlockt, wie sie kantable Passagen und ein ausgesprochen weiches Klangideal zelebriert. Dabei kommt Donna Agrell zugute, dass das Werk nicht wie sonst üblich arrangiert für Sinfonieorchester dargeboten, sondern mit der reduzierten Streicherbesetzung interpretiert wird. Das trägt zur Durchhörbarkeit bei und lässt Raum für Nuancen. Den unüberhörbaren opernhaften Gestus mit vielen Auf- und Abschwüngen strapaziert sie nicht übermäßig sondern fängt ihn elegant ab. Vielmehr ist ihr an den lyrischen Momenten und an einem zelebrierten Understatement gelegen, dem Zurücktreten des Interpreten vor der Komposition – selbst wenn sich, wie im Schlusssatz, bei den Läufen über drei Oktaven die Möglichkeit zur Demonstration größter Virtuosität böte.
Ein besonderer Ohrenschmaus ist das Es-Dur Quartett von Berwald mit seinem dezidiert romantischen Gestus. Hier sprüht es bei den Musikern nur so vor Emphase, spielerische Passagen wechseln hier mit orchestralen Klangaufwürfen. Der nur dreiminütige Mittelsatz ist hierfür geradezu exemplarisch. Was wie eine harmlose Sonatine mit Dreiklangsbrechungen beginnt entwickelt sich zu einer Art Mini-Oper mit drohendem Tastenwirbel auf dem Klavier, raffinierten Rückungen und Hörnerrufen um dann wieder in äußerte Simplizität der Melodieführung und eine fast biedermeierliche Heiterkeit zurückzufallen. Der Schlusssatz, angetrieben von Ronald Brautigam einem anerkannten Meister auf historischen Tasteninstrumenten, bietet noch einmal wunderbare Verschränkungen zwischen Klarinette und Fagott. Diese Musik bannt den Hörer mit seiner großen emotionalen Ausdruckspalette und einem intimen Klangideal. Hier kommen die Qualitäten einer Super-Audio CD voll zum Tragen – das Aufnahmeteam hat hier in einer niederländischen Kirche ganze Arbeit in puncto Transparenz und Durchhörbarkeit geleistet.
Diese CD ist ein gewichtiges Statement für ein unterschätztes Instrument und die historische Aufführungspraxis. Eine wärmende Musik für kalte Winterabende.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Ein Fagott in Stockholm...: Fagottwerke von Franz Berwald |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
BIS Records 1 13.01.2016 |
Medium:
EAN: |
SACD
7318599921419 |
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Berwald, Franz |
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BIS Records Most record labels begin with a need to fill a niche. When Robert von Bahr founded BIS in 1973, he seems to have found any number of musical niches to fill. The first year's releases included music from the renaissance, Telemann on period instruments, Birgit Nilsson singing Sibelius and works by 29 living composers - Ligeti and Britten as well as Rautavaara and Sallinen - next to Purcell, Mussorgsky and Richard Strauss. A musical chameleon was born, a label that meant different things to different - and usually passionate - devotees. Mehr Info... |
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