
Dancing in Daylight - Moderne Klaviertrios aus Irland
Irland im Tageslicht
Label/Verlag: Metier Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die hier veröffentlichten Aufnahmen von Klaviertrios irischer Komponisten sind eine wunderbare Überraschung: Neue Musik aus Irland, die Spaß macht und perfekt gespielt ist.
Mit Musik aus Irland, die keine Folklore ist, kennt man sich im übrigen Europa kaum aus. Klassische irische Musik hatte auch in Irland selbst immer einen schweren Stand, was mit der politischen Geschichte des Landes zusammenhängt. Während spätestens vom 17. Jahrhundert an die Insel von England beherrscht wurde, zog sich der gälische Adel, der als Kulturträger hätte dienen können, wie es in der Barockzeit im sonstigen Europa gang und gäbe war, zurück und mit ihm die gälische Sprache und Kultur. Dublin wurde britische Provinzhauptstadt und lebte von dem, was aus England herüberkam – italienische Sänger mit Opernaufführungen und Instrumentalisten von überall her. Selbst Händel hielt sich zehn Monate in Dublin auf. Das Musikleben der Barockzeit war also durchaus vielfältig – immerhin konnten zeitweilig acht Krankenhäuser von den Wohltätigkeitskonzerten leben –, aber es war Musik wie überall in Europa.
Die Rückbesinnung auf nationale Besonderheiten begann Ende des 18. Jahrhunderts. Die Chormusik erhält eine neue Rolle, bedingt auch durch die Kirchenmusik, die sich bei den Katholiken bewusst eher am römischen Modell orientierte als an den Kirchenliedern der verhassten Anglikaner. Um 1900 schließlich ist das ‚Celtic Revival‘ in vollem Schwung, besonders nach der gelungenen Loslösung von England zu Beginn der zwanziger Jahre. Die Rückbesinnung auf die eigenen musikalischen Wurzeln und die Ablehnung alles dessen, was einmal von England musikalisch herübergekommen war, führte aber auch dazu, dass die ‚klassische‘ Musik von zahlreichen Iren abgelehnt wurde. Das zeigt Nachwirkungen bis heute, da alles, was nicht gälisch ist, zu einem Nischendasein verdammt ist.
Die Musikkultur entwickelte sich trotzdem zu einem heute nicht mehr ganz so zarten Pflänzchen, dank der Unterstützung des Rundfunks mit seinem Kulturprogramm, mit seinen Orchestern und Aufführungsmöglichkeiten. In Cork wurde ein Chorfestival ins Leben gerufen, in Dublin ein Festival für Neue Musik und internationale Wettbewerbe für Orgel und Klavier. Das Contemporary Music Centre in Dublin hilft zudem, Noten zu verlegen und Aufnahmen zu erstellen und zu verbreiten.
Dank einer solchen Unterstützung existiert inzwischen eine erstaunlich breite Komponistenszene. Dazu kommen ganz ausgezeichnete Musiker wie das Fidelio-Trio, das es sich zudem zur Aufgabe gemacht hat, vor allem die Musik seiner Landsleute vorzustellen. Auf der hier vorgelegten neuen CD des Trios sind vier Komponisten versammelt mit Werken aus den Jahren nach 2010. Es ist müßig, die Musik in Schubladen einzuordnen – zu unterschiedlich sind die Kompositionsstile. Gerade das macht den Reiz beim Hören aus. Es kommt alles vor, angefangen bei Reminiszenzen an Bartok oder die Impressionisten, bis zu verborgenen oder ganz ausdrücklichen Anlehnungen an den Jazz, an Tango und natürlich auch an die irische Volksmusik. Es geht dabei aber nie um eklektische Nachahmungen, sondern um höchst eigenständige neue Ideen, die sich intelligent aus den alten Vorbildern entwickeln. Im Klaviertrio von Seóirse Bodley, dem ältesten der Komponisten (geb. 1933) spielt die Folklore Irlands eine wichtige Rolle. Von Bodley stammt auch der Titel 'Dancing in Daylight', der der CD insgesamt ihren Namen gab. Er versteht darunter ein Stück, das offen zutage liegt, von jedem aufgenommen und verstanden werden kann, eben wie die Musik bei einer Tanzveranstaltung unter freiem Himmel.
Ironisch witzig gibt sich das Trio von John Buckley (geb. 1951) insbesondere im dritten Satz, betitelt 'Musicbox'. Als Ausgangspunkt dient hier ein Thema, ähnlich den 'Jeux d’eaux' von Debussy. Es wird hin- und hergewendet durch die Instrumente und verlöscht allmählich wie bei einer mechanischen Musicbox, der man die Luft abstellt.
Fergus Johnston schreibt sein dreisätziges Trio über ein Motiv von vier Noten, die in Halbtonschritten benachbart sind, etwa wie die bekannten Initialen D-S-C-H (Schostakowitsch) oder B-A-C-H. Daraus erwachsen komplizierte Gebilde und nicht zuletzt ein Boogie und ein Tango im zweiten Satz, bevor das Stück mit einem Klagegesang endet.
Rhona Clarke (geb. 1958) stellt zwei Sätze unterschiedlichen Charakters nebeneinander: Über Akkordblöcken im Klavier erhebt sich eine romantisch gefärbte Unterhaltung zwischen Violine und Cello. Der zweite Satz wird dagegen von einem durchgehenden hämmernden Rhythmus dominiert. Hohes Lob verdienen die Musiker des Fidelio-Trios. Sie spielen selbstbewusst, loten die Klangfarben der Instrumente aus, sind technisch über jeden Zweifel erhaben, wobei der Geiger Darragh Morgan auch noch die Spielweise eines irischen ‚Fiddlers‘ beherrscht.
Die Aufnahme ist klanglich sehr gut ausgewogen, alles ist präsent, nie übertönt das Klavier die Streichinstrumente, was leider bei manch einer CD die tiefe Lage des Cellos beinahe unhörbar macht. Auch das Booklet ist informativ, zwar nur in englisch geschrieben, aber die Informationen über die Komponisten und ihre Werke findet man andernorts kaum, und so nimmt man sie dankbar auf, ebenso wie die Einleitung, in der kurz die gegenwärtige Situation der Musik in Irland skizziert wird.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Dancing in Daylight: Moderne Klaviertrios aus Irland |
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Label: Anzahl Medien: |
Metier Records 1 |
Medium:
EAN: |
CD
809730855627 |
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Metier Records 1992 gegruendet, hat METIER schnell einen Namen fuer eine augezeichnete moderne Repertoire- und Produktionsqualitaet erworben. Metier ist mittlerweile einer der wichtigsten Namen der heutigen klassischen Musik ? durch die Zusammenarbeit mit Tonkünstlern aus Grossbritannien, aber auch international mit grossen Komponisten der Welt wie Roberto Gerhard, Charles Ives, George Crumb, Walter Zimmermann, Georg Rochberg, unter anderen. Metier stellt eine breite Auswahl von musikalischen Stilen und Ideen der ganzen heutigen Komposition vor und schliesst eine grosse Zahl von wichtigen Weltpremieren, insbesondere der Komponisten, welche von den multinationalen Firmen vernachlaessigt werden, mit ein. Metier legt keinen grossen Wert auf schwaermerisches Werbematerial, Prominenten-Empfehlungen und falsche Versprechungen, die die moderne Reklame charakterisieren, sondern einfach auf kuenstlerische Qualitaet. Metier ist daher ein unentbehrlicher Name fuer serioese Sammler. Die Firma stellt in ihrer ?Re-appraisal? (Neubewertung) Serie auch Musik der Vergangenheit dar ? zum Beispiel Bach und Beethoven, aber mit neuen Herangehensweisen von hochrangigen Künstlern, deren Erfahrung und Innovationsgeist neue, faszinierende Interpretationen hervorbringen. METIER hat 12 ?CD of the Year? und ?Critic?s Choice? Preise gewonnen und wurde 2007 ein Teil der Divine Art Gruppe. Eine neue Serie von wichtigen modernen Werken ist im Werden, abermals von sehr positiver Kritik begleitet. Mehr Info... |
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