> > > Röntgen, Julius: Werke für Violine & Klavier Vol.1
Sonntag, 1. Oktober 2023

Röntgen, Julius - Werke für Violine & Klavier Vol.1

Lebensvoll


Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Julius Röntgens hier eingespielte Violinsonaten sind herrlich melodienreiche Kammermusik der Spätromantik, die von Christoph Schickedanz und Ernst Breidenbach idiomatisch wiedergegeben wird.

Julius Röntgen (1855–1932), in Leipzig geboren, doch wegen Verlegung seines Lebensmittelpunkts nach Amsterdam im Jahr 1884 heute vor allem als Niederländer wahrgenommen, erlebt längst eine Renaissance. Nun also die Werke für Violine und Klavier – von Christoph Schickedanz und Ernst Breidenbach liebevoll betreut. Von Röntgens rund 600 Kompositionen sind nur 112 zu Lebzeiten im Druck erschienen.

Die vorliegende Folge 1 der Violine-Klavier-Kammermusik enthält zwei Sonaten, eine zweisätzige Phantasie und sieben Konzertstücke. Die Sonate E-Dur op. 40 (1900) war bereits Röntgens sechste Violinsonatenkomposition, wenn auch nur die zweite veröffentlichte. Die Komposition lässt sich der Musik der Zeitgenossen Brahms und Grieg, aber auch Herzogenberg und Reinecke zur Seite stellen; extreme Eigenheiten wie etwa bei Reger gibt es nicht. Das bedeutet jedoch eher, dass wir hier herrlich melodienreiche Kammermusik der Spätromantik haben, die nicht auf Modernität setzte, sondern dem Geschmack des Publikums entsprach. Äußerst reizvoll sind die Doppelgrifftechniken für den Violinisten, während der Pianist die Musik in die richtigen Geleise lenkt. Das zentrale 'Lento' ist in seiner schlichten Tiefe ganz besonders reizvoll.

Die Phantasie a-Moll op. 24 entstand 1884 und ist musikalisch vielleicht noch interessanter als die Sonate. Auf konzentrierterem Raum lässt Röntgen ein ‚Miniatur-Drama‘ ablaufen, das hier eine musikalisch kongeniale Umsetzung erfährt. Von der Stimmung ähnlich, musikalisch aber teilweise fast symbolistisch-impressionistisch ausgearbeitet ist die (dreisätzige) 'Sonata trilogica' d-Moll von 1915, die Röntgen für den Berliner Geiger Alexander Schmuller komponierte, der im Vorjahr nach Amsterdam gewechselt war. Harmonisch ungemein reich, sind wir hier teilweise in einer ganz anderen Welt als bei den beiden vorherigen Kompositionen – Röntgens kompositorische Eigenart kommt hier auf das Beste zur Geltung. Besonders beeindruckend die beiden Außensätze, beides Passacaglien, doch ganz unterschiedlich in Charakter und Ausrichtung.

Den Abschluss der CD bilden die 'Sieben Vortragsstücke' op. 89 (1925) – Gebrauchsmusik im besten Sinne, mit einer Vielzahl an Raffinessen unterschiedlicher Art gespickt (das dritte ein Kanon über die Tonfolge HASE). Vielleicht sind diese Kompositionen eher als Übungsmaterial für Studierende gedacht, doch sind sie musikalisch reizvoll und dankbar.

Der Geiger Christoph Schickedanz (Professor an der Musikhochschule Hamburg) und ‚sein‘ Pianist Ernst Breidenbach nähern sich der Musik mit großer Liebe und emotionalem Ton. Ein wenig überrascht, dass die Aufnahmetechnik einige winzige Patzer nicht bereinigt hat, doch mag dies Teil eines möglichst natürlich dargebotenen ‚Live-Konzeptes‘ sein, mit dem auf sterile Studio-Perfektion verzichtet werden möchte. Gerade im Bereich des musikalischen Ausdrucks und der spannungsvollen Steigerungen geht dieses Konzept voll und ganz auf – die Musik erklingt mit einer Spontaneität und Wärme, die ausgesprochen einnehmend ist. Schickedanz‘ schlanker und doch voller, in der Höhe strahlender Ton verbindet sich auf das Günstigste mit dem warmstimmigen Flügel, der endlich einmal nicht vom Stimmer zu stark ‚nach oben gedreht‘ worden ist (es wäre schön gewesen, die Klaviersorte und den Namen des Klavierstimmers mit im Booklet zu nennen). Auch sonst kann das Booklet nicht ganz mit den Interpretationen mithalten; der Begleittext ist etwas zu stark unterteilt, so dass man sich als Leser unwillkürlich nach der Notwendigkeit des einen oder anderen Zwischentitels fragt. Dies beeinträchtigt natürlich nicht die Interpretationen, die gerade in ihrer lebensvollen Wärme bezwingen.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Röntgen, Julius: Werke für Violine & Klavier Vol.1

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Spielzeit:
cpo
1
10.12.2015
74:24
Medium:
EAN:
BestellNr.:

CD
761203776825
cpo 777 768-2


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Röntgen, Julius
 - Sonate E-Dur op. 40 (1900) - Allegro non troppo e cantabile
 - Sonate E-Dur op. 40 (1900) - Allegro ben moderato
 - Sonate E-Dur op. 40 (1900) - Lento
 - Sonate E-Dur op. 40 (1900) - Finale. Allegro molto
 - Phantasie op. 24 - Un poco allegretto - allegro
 - Phantasie op. 24 - Allegretto tranquillo
 - Sonata trilogica (1915) - Moderato
 - Sonata trilogica (1915) - Allegro con fuoco
 - Sonata trilogica (1915) - Moderato
 - Sieben Konzerstücke op. 89 - Suite - Allegretto
 - Sieben Konzerstücke op. 89 - Suite - Fughetta, Andante tranquillo
 - Sieben Konzerstücke op. 89 - Suite - Kanon über ein schmackhaftes Motiv, ruhiges Walzertempo
 - Sieben Konzerstücke op. 89 - Suite - Dans uit Terschelling, Polka tempo
 - Sieben Konzerstücke op. 89 - Suite - Lento
 - Sieben Konzerstücke op. 89 - Suite - Andante tranquillo
 - Sieben Konzerstücke op. 89 - Suite - Vivace e giocoso


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Interpret(en):Schickedanz, Christoph
Breidenbach, Ernst


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cpo

Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
Besonders stolz macht uns dabei, daß cpo - 1986 gegründet - in Rekordzeit in die Spitze vorgestoßen ist. Das Geheimnis dieses Erfolges ist einfach erklärt, wenn auch schwierig umzusetzen: cpo sucht niemals den Kampf mit den Branchenriesen, sondern füllt mit Geschick die Nischen, die von den Großen nicht besetzt werden, weil sie dort keine Geschäfte wittern. Und aus mancher Nische wurde nach einhelliger Ansicht der Fachwelt mittlerweile ein wahres Schmuckkästchen.
Am Anfang einer Repertoire-Entscheidung steht bei uns noch ganz altmodisch das Partituren-lesen, denn nicht alles, was noch unentdeckt ist, muß auch auf die Silberscheibe gebannt werden. Andererseits gibt es - von der Renaissance bis zur Moderne - noch sehr viele wahre musikalische Schätze zu heben, die oft näher liegen, als man meint. Unsere großen Werk-Editionen von Pfitzner, Korngold, Hindemith oder Pettersson sind nicht umsonst gerühmt worden. In diesem Sinne werden wir fortfahren.
Letztendlich ist unser künstlerisches Credo ganz einfach: Wir machen die CDs, die wir schon immer selbst haben wollten. Seien Sie herzlich zu dieser abenteuerlichen Entdeckungsfahrt eingeladen!


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