
Farnaby, Giles und Bull, John - The Fitzwilliam Virginal Book, Vol.4
Neuer Ausflug ins britische Cembalorepertoire
Label/Verlag: Brilliant classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Den vierten Teil seiner Gesamteinspielung des 'Fitzwilliam Virginal Book' bestreitet Pieter-Jan Belder mit Kompositionen von Giles Farnaby und John Bull.
Die Handschrift des ‚Fitzwilliam Virginal Book‘, heute aufbewahrt im Fitzwillam Museum in Cambridge und benannt nach ihrem früheren Besitzer Viscount Richard Fitzwilliam, ist eine der bedeutendsten und umfangreichsten britischen Sammlungen von Musik für Tasteninstrumente. Der Folioband versammelt rund 300 Einzelwerke, darunter vor allem zahlreiche zwischen 1562 und 1612 entstandene Stücke von Komponisten wie William Byrd, Orlando Gibbons oder Peter Philips, aber auch anonyme Beiträge und Stücke weniger bekannter Tonsetzer wie William Inglott, John Mundy, Edward Johnson und Martin Peerson. In der bislang vierten bei Brilliant Classics erschienen Folge seiner Gesamteinspielung fokussiert der Cembalist Pieter-Jan Belder mit jeweils einer CD auf die beiden britischen Komponisten Giles Farnaby (um 1563–1640) – in biografischer Hinsicht als Protestant eine Ausnahmefigur unter den der Sammlung vertretenen Persönlichkeiten – und John Bull (1562 oder 1563–1628).
Besonders gelungen ist Belders Umgang mit Farnaby, dessen gesamtes Schaffen für Tasteninstrumente im ‚Fitzwilliam Virginal Book‘ überliefert ist. Hier ragen vor allem die längeren Stücke hervor, so die eröffnende 'Farmers Pavan' mit ihren unterschiedlichen Abschnitten, stärker aber noch die vier 'Fantasias', deren freiere Diktion der Cembalist in einem Schwanken zwischen gesanglichem und deklamatorischem Zugang zu den Linienführungen umsetzt. Einer der Höhepunkte – neben der kantablen Wiedergabe der reich verzierten Bearbeitung von John Dowlands 'Lachrimae Pavane' (CCXC) – ist die Pavana Nr. XXXIX, deren drei Großteile Belder als logisch aufeinander aufbauende Umschreibungen gestaltet und dabei sehr frei mit dem Verhältnis zwischen führenden und harmonisch gearbeiteten Stimmen umgeht. Die Möglichkeiten der benutzten Cembali – verwendet werden Instrumente von Cornelis Bom, Gerhard Boogard und Titus Crijnen, doch erfährt man nicht, welche Stücke damit jeweils vorgetragen werden – kommen vor allem in Werken wie dem Variationsstück 'Wooddy-Cock' (CXLI) zur Geltung, wo Belder der Musik mit Vollgriffigkeit einen stellenweise geradezu majestätischen Klang verleiht. Kürzere Stücke hingegen sind, wie beispielsweise der 'Meridian Alman' (CCXCI) oder 'Quodlings Delight' (CXIV), prägnant auf die jeweiligen Tanzcharaktere hin ausformuliert, die jedoch zumeist durch Momente freierer Gestaltung eine Brechung erfahren.
Die CD mit Werken John Bulls unterscheidet sich insofern von diesen Farnaby-Lektüren, als Belder hier immer wieder dezidiert übergeordnete Zusammenhänge zwischen einzelnen Stücken hervorhebt: Während er in der 'Pavana of my Lord Lumley' (XLI) die einzelnen Abschnitte durch abweichende klangliche Dispositionen mittels Registrierung voneinander absetzt und dabei einen deklamierenden Duktus anstimmt, folgt er in der nachfolgenden 'Galliarda to my Lord Lumley’s Pavan' (XI) ganz den tänzerischem Duktus, den er freilich agogisch ausgestaltet, wobei er zusätzlich die motivischen Gemeinsamkeiten beider Stücke hervorhebt. Quasi als Finale der Veröffentlichung fungieren die drei gedanklich zusammenhängenden Stücke 'The Quadran Pavan' (XXXI), dessen 'Variation' (XXXII) und die 'Galiard to the Quadran Pavan' (XXXIII), da hier im Rahmen einer rund 20-minütigen musikalischen Abfolge all das vereinigt ist, was die besondere Qualität von Belders Einspielungen ausmacht.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Farnaby, Giles und Bull, John: The Fitzwilliam Virginal Book, Vol.4 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Brilliant classics 2 22.01.2016 |
Medium:
EAN: |
CD
5028421952543 |
![]() Cover vergössern |
Bull, John |
![]() Cover vergössern |
Brilliant classics Brilliant Classics steht für hochwertige Klassik zu günstigen Preisen! Mit den Veröffentlichungen von komplettierten Gesamtwerks- Editionen und Zyklen berühmter Komponisten, hat sich das Label erfolgreich am Musikmarkt etabliert. Der Klassikmusikchef, Pieter van Winkel, ist Musikwissenschaftler und selbst Pianist. Mit seinem professionellen musikalischen Gespür für den Klassikmarkt, hat er in den letzten Jahren ein umfangreiches Klassikprogramm aufgebaut. Neben hochwertigen Lizenzprodukten fördert er mit Eigenproduktionen den musikalischen Nachwuchs und bietet renommierten Musikern eine ideale Plattform. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Von Prof. Dr. Stefan Drees zu dieser Rezension empfohlene Kritiken:
-
Mit souveränem Zugriff: Der Cembalist Pieter-Jan Belder empfiehlt sich mit einer Doppel-CD, die den ersten Teil einer Einspielung des bedeutenden 'Fitzwilliam Virginal Book' umfasst. Weiter...
(Prof. Dr. Stefan Drees, 02.04.2012)
-
Geschmackvoll und detailgenau: Pieter-Jan Belder legt den zweiten Teil seiner Gesamtaufnahme des 'Fitzwilliam Virginal Book' vor. Weiter...
(Prof. Dr. Stefan Drees, 31.01.2013)
-
Freie Formgebung und kontrapunktische Architektur: Den dritten Teil seiner Gesamteinspielung des 'Fitzwilliam Virginal Book' widmet der Cembalist Pieter-Jan Belder dem Repertoire aus den Niederlanden. Weiter...
(Prof. Dr. Stefan Drees, 18.11.2014)
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Brilliant classics:
-
Nicht verwandt und nicht verschwägert: Klaviermusik vom Mozart-Freund. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Medtner auf deutsch: Folge vier der entstehenden Gesamteinspielung aller Lieder Nikolaj Medtners mit Ekaterina Levental und Frank Peters liegt vor. Weiter...
(Dr. Jan Kampmeier, )
-
Reise durchs pianistische Hochgebirge: Emanuele Delucchi präsentiert eine virtuose, aber nie aufgeregte Darstellung der Chopin-Bearbeitungen und anderer Werke von Leopold Godowsky, dem 'Hexenmeister des Klaviers'. Weiter...
(Dr. Michael Loos, )
Weitere CD-Besprechungen von Prof. Dr. Stefan Drees:
-
John Bull und andere: Im sechsten Teil seiner Gesamteinspielung des 'Fitzwilliam Virginal Book' kombiniert der Cembalist Pieter-Jan Belder Stücke von John Bull mit einzelnen Kompositionen unbekannterer Tonsetzer. Weiter...
(Prof. Dr. Stefan Drees, )
-
Arbeit an klanglichen Feinheiten: Die zweite DVD der Reihe 'Lachenmann Perspektiven' widmet sich der Komposition 'Air'. Weiter...
(Prof. Dr. Stefan Drees, )
-
Blick in die Interpretationswerkstatt: Eine neue DVD-Reihe vermittelt unschätzbare Einblicke in die musikalischen und technischen Problemstellungen von Helmut Lachenmanns Musik. Weiter...
(Prof. Dr. Stefan Drees, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Russische Cello-Raritäten: Marina Tarasova stellt hier zwei bemerkenswerte russische Cellosonaten des 20. Jahrhunderts vor. Weiter...
(Dr. Jan Kampmeier, )
-
Nicht verwandt und nicht verschwägert: Klaviermusik vom Mozart-Freund. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Federleicht wie Träume: Aufbruch in die Klangwelten Salvatore Sciarrinos. Weiter...
(Michael Pitz-Grewenig, )
Portrait

"Bei der großen Musik ist es eine Frage auf Leben und Tod."
Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich