
Little, Tasmin spielt - Violinwerke von Coleridge-Taylor, Delius und Wood
Gefühlig
Label/Verlag: Chandos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Tasmin Little erweist sich als beredte Anwältin für Raritäten ihrer englischen Heimat. Allerdings hat man diese Stücke von Geigern der Vergangenheit auch schon noch tiefer empfunden und klarer erfasst gehört.
Die aus London gebürtige Tasmin Little hat sich in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren den Platz der bedeutendsten britischen Geigerin ihrer Zeit erarbeitet; besonders ihr Einsatz für die Musik ihres Heimatlandes hat ihre viele Freunde gemacht, die Violinkonzerte von Frederick Delius und William Walton hat sie bereits zweimal auf CD vorgelegt. Ihre zweite CD mit dem BBC Philharmonic unter Sir Andrew Davis für das Label Chandos hat sie Kompositionen von Frederick Delius, Samuel Coleridge-Taylor und Haydn Wood gewidmet.
Samuel Coleridge-Taylor (1875-1912) vollendete sein Violinkonzert g-Moll op. 80 1912, doch blieb das Werk bis 2005 nahezu völlig vergessen, als Anthony Marwood es fast zeitgleich mit Lorraine McAslan auf CD vorlegte. Coleridge-Taylor ist noch stark der Vor-Elgar-Ära verhaftet, doch auch nicht ganz mit der Tiefe etwa eines Charles Villiers Stanford. Das BBC Philharmonic bietet leichten, charmanten Touch (vielleicht etwas zu leicht, etwas zu charmant), die Solistin hingegen gerät leider etwas zu vibratolastig. Die Emotion, mit der Little die Komposition aufzuwerten versucht, widerspricht ihrer eher klassizistischen Faktur. So sehr sie sich für das Werk einsetzt – es bleibt eine eher retrospektive Komposition à la Grieg.
Delius‘ (1862-1934) Suite für Violine und Orchester (ca. 1888-91) erlebt hier erst ihre dritte Einspielung, nachdem das substanzreiche Werke erst 1984 durch die BBC ihre Uraufführung erlebt hatte und kurz darauf durch Ralph Holmes und Vernon Handley für den Tonträgermarkt wiederentdeckt wurde. Little ist heute eine der herausragendesten Exponenten der Musik Delius‘ – dennoch wird die Überzeugung, die Holmes in der Tonträgerpremiere beisteuert, nicht von ihr erreicht. Immer wieder fällt auch auf, dass auch das BBC Philharmonic, das durchaus mit Delius‘ Stil etwas anzufangen weiß, unter Andrew Davis‘ Leitung mal zu zurückhaltend, mal zu nonchalant seinen Beitrag leistet. Im Intermezzo vermeint man bei Little überdies gewisse Zögerlichkeiten zu spüren, das Spiel ist nicht ganz flüssig und selbstüberzeugt.
Haydn Wood (1882-1959) ist vornehmlich als Komponist von Werken eher der leichteren Muse bekannt. Sein Violinkonzert a-Moll aus dem Jahr 1928 erlebte seine CD-Premiere 2010. Auch in diesem Werk nähert sich die vorliegende Einspielung eher der Larmoyanz den der echten Expression, die Konkurrenzeinspielung mit Lorraine McAslan ist insgesamt rundum überzeugender (obschon als Begleitkörper ‚nur‘ das BBC Concert Orchestra aufgeboten wird).
Die CD ist dem Gründer des CD-Label Chandos, Brian Couzens gewidmet, der nur wenige Tage vor Beginn der Aufnahmen im April 2015 verstarb. Sein Sohn Ralph hat das Label längst ins 21. Jahrhundert geführt – leider in einer gewissen Wegbewegung von dem früheren besonderen Schwerpunkt, der Pflege vergessener britischer Musik. Auch hier spürt man, dass der unmittelbare Zugang zu eher abseitiger britischer Musik nicht mehr zur Verfügung steht, Manieriertheiten an die Stelle echter Expression treten und der äußerliche Klang wichtiger wird als der innere Ausdruck. Der gleichen Ästhetik sind die Fotos im Booklet untergeordnet, während der Begleittext vielleicht nicht mehr ganz so viel Autorität ausstrahlt wie früher bei Chandos anzutreffen war, aber zumindest keinen Ausreißer nach unten darstellt. Aufnahmetechnisch brillant, wäre mehr Arbeit an der Tiefe der Interpretation für einen nachhaltigen Einsatz für die Kompositionen wünschenswert gewesen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Little, Tasmin spielt: Violinwerke von Coleridge-Taylor, Delius und Wood |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Chandos 1 06.11.2015 |
Medium:
EAN: |
CD
095115187920 |
![]() Cover vergössern |
Chandos Chandos Records was founded in 1979 by Brian Couzens and quickly established itself as one of the world's leading classical labels. Prior to forming the label, Brian Couzens, along with his son Ralph, worked for 8 years running a mobile recording unit recording for major labels (including RCA, Polydor, CFP, etc.) with many of the world's leading artists.
Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Chandos:
-
Mehr Fantasie als Ordnung: Federico Colli fasziniert und irritiert mit Klavierwerken W. A. Mozarts. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Neue Facetten des Kanons: Jean-Efflam Bavouzet und die Manchester Camerata unter Gabor Takacs-Nagy beleben Mozarts Klavierkonzerte KV 482 und 488. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Kraft und Kalkül: Louis Lortie bietet nuancierten Chopin Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:
-
Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Kein überzeugendes Plädoyer: Dem Constanze Quartett mangelt es an rhetorischer Überzeugungskraft, um drei Streichquartette Emilie Mayers zu einem besonderen Erlebnis zu machen. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Pionierleistungen: Bedeutsame Dokumente der Havergal-Brian-Diskografie. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Großes Violinkonzert – großartig interpretiert: Ewelina Nowicka und das Polish National Radio Symphony unter Zygmunt Rychert meistern (unbekannte) Violinwerke von Ludomir Różycki. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Mehr Fantasie als Ordnung: Federico Colli fasziniert und irritiert mit Klavierwerken W. A. Mozarts. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Lohnende Neuauflage: Hochwertige Liszt-Aufnahmen von Michael Korstick, gesammelt in einer neuen Edition. Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
Portrait

"Casals kämpfte für den Frieden."
Roger Morelló über seine neue CD, die dem katalanischen Cellisten Pau Casals gewidmet ist.
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich