
Ries, Ferdinand - Violinsonaten
Kennen Sie Ries?
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die Violinsonaten von Ferdinand Ries erweisen sich als lohnendes Repertoire aus dem frühen 19. Jahrhundert.
Warum eigentlich – so kann man angesichts dieser bei cpo erschienenen CD fragen – spielt die Musik des Komponisten Ferdinand Ries (1784–1838) im heutigen Konzertleben eine so untergeordnete Rolle? Drei Werke – die Sonate F-Dur op. 8 Nr. 1 (1807), die Sonate cis-Moll op. 71 (1812) und die Sonate B-Dur op. 16 Nr. 2 (1806) – haben die Geigerin Ariadne Daskalakis und der Pianist Wolfgang Brunner für ihre ebenso aufschlussreiche Einspielung ausgewählt und dabei ganz offensichtlich ein Maximum an musikalischem Abwechslungsreichtum angestrebt. Von Anfang an arbeiten die beiden Interpreten die dialogische Struktur der drei Werke heraus, stellen also, auch unterstützt durch den durchsichtigen Klang des verwendeten Fortepianos – eines Instrumentes, zu dem es leider keinerlei weitere Informationen im Booklet gibt – den Aspekt der Kommunikation in den Mittelpunkt ihrer Interpretation. Dabei kann das Duo immer wieder durch fintenreichen und dynamisch vielfältigen Zugang zu den Notentexten überraschen.
Außerordentlich gelungen ist es beispielsweise, wie Daskalakis und Brunner im Kopfsatz der F-Dur-Sonate die Trugschlüsse angehen, wie sie sich im Mittelteil des Scherzos zwar dem melodischen Fluss unterordnen, ihn aber immer wieder auch durch leichtere oder stärkere Verzögerungen modifizieren und aufstauen, und wie sie sich im Rondo-Finale die musikalischen Einfälle gegenseitig zuspielen. Erstaunlich ist übrigens, wie stark der Kopfsatz dieses Werkes thematisch und harmonisch an Ludwig van Beethovens rund sechs Jahre zuvor entstandene 'Frühlingssonate' op. 24 erinnert. Dennoch verweist gerade dieses Beispiel auf bedeutsame Unterschiede in der Sonatenkonzeption beider Komponisten, da der musikalische Verlauf bei Ries weitaus weniger zwingend erscheint und seine Wirkungen gelegentlich gar aus der kontrastierenden Reihung unterschiedlich konzipierter Passagen schöpft.
Gegenüber diesem Stück weist die cis-Moll-Sonate – auch durch die ungewöhnliche Tonart bedingt – eine weitaus dramatischere Tönung auf. Auch hier erweckt der Kopfsatz, vor allem aufgrund der in einen Dreiertakt eingepassten Unisono-Diktion, die Erinnerung an ein Beethoven’sches Thema, nämlich an jenes aus dem Klaviertrio c-Moll op. 1 Nr. 3. Während Ries die Höhepunkte des Satzes dadurch unterstreicht, dass er in der Durchführung einen Aufeinanderprall zerklüfteter Melodie- und Phrasensplitter inszeniert, unterbricht er diesen Diskurs mit einem zarten 'Adagio', nur um die Dramatik dann im Finale wieder umso stärker aufleben zu lassen. Mit klanglich ausgefeiltem Zusammenspiel unterstreichen Daskalakis und Brunner nicht nur diese energetischen musikalischen Situationen, sondern sie loten darüber hinaus auch die erstaunliche Tiefe des langsamen Satzes aus der ansonsten eher heiteren B-Dur-Sonate aus. Insgesamt ist hier eine sehr lohnenswerte Produktion entstanden, die wieder einmal darauf aufmerksam macht, wie beschränkt die heute in den Konzertsälen erklingende Musikauswahl eigentlich ist.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Ries, Ferdinand: Violinsonaten |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 15.10.2015 |
Medium:
EAN: |
CD
761203767625 |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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