
Bach, Johann Sebastian - Dialogkantaten für Sopran und Bass
Altmodisch
Label/Verlag: OehmsClassics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese Aufnahme ist unaufdringlich, die Wiedergabe stilistisch angemessen. Ein großer Wurf ist es allerdings nicht geworden.
Drei Kantaten von Johann Sebastian Bach hat Christoph Spering, der sich auf CD bislang eher mit Repertoire aus dem 19. Jahrhundert profiliert hat (inklusive Mendelssohns Fassung der Matthäus-Passion), für seine neue CD ausgewählt, sogenannte Dialogkantaten für Sopran, Bass, Chor und Orchester. Chor wie Orchester sind denkbar klein, der Chor aber nicht solistisch besetzt. Diese Entscheidung geht mit sorgsamer Kalkulation der Tempi einher, die, so das Booklet, entgegen der romantischen Tradition eben nicht äußerlich, sondern rhetorisch gebunden zu verstehen sind. Sperings Tempi sind wohltuend normal, er verzichtet auf agogische Spreizungen, die Musik kann natürlich fließen, tanzen, schreiten.
Dass die Darbietung der Kantaten 'Selig ist der Mann' BWV 57, 'Liebster Jesu, mein Verlangen' BWV 32 und 'Ach Gott, wie manches Herzeleid' BWV 58 dennoch etwas altmodisch Romantisches an sich hat, liegt sowohl an den Klangfarben als auch an der gesamten Darbietung. Man fühlt sich an Gustav Leonhardt und vergleichbare Interpreten der vergangenen vierzig Jahre erinnert, deren innerliche, rhetorisch-religiös empfundene Bach-Ausdeutungen wichtiger sind als alle äußerliche Klangrede, und die das Wort in seiner liturgisch-religiösen Bedeutung ins Zentrum setzen. Der kirchenmusikalische Bezug erfreut umso mehr, als durch ihn der Gefahr einer ‚säkularen‘ Interpretation der Boden entzogen wird.
Thomas E. Bauer hat einen prachtvollen Oratorienbass, der in den äußersten Tiefen und bei extremen Koloraturen etwas überfordert ist. Man kann ihn in der Tradition Max van Egmonds, Wolfgang Schöne oder Gotthold Schwarz‘ sehen; sein Schwerpunkt Liedgesang (er hat bereits zweimal die 'Winterreise' eingespielt) kommt seinem Bachverständnis entgegen. Johanna Winkels Sopran ist warmstimmig-silbern, von eigenem Charakter, mit starken Ausdrucksmöglichkeiten, die aber nie äußerlich-dramatisch eingesetzt werden. Ihre Textverständlichkeit ist nicht immer ganz so groß wie Bauers, doch immer gut. Dafür ist ihre Phrasierung, ihre Gestaltung von Melodiebögen makellos und ansprechend (besonders fällt dies auf, wenn sie ihre Stimme mit dem Cantus firmus über die anderen Stimmen erheben darf).
Das Orchester pflegt einen etwas überraschenden Mischklang, in dem die Holzbläser und die Orgel die Streicher teilweise fast überdecken, ihnen jedenfalls gleichberechtigt sind; dies bewirkt einen warmen, attraktiven Klang, der selbst in einer kalten evangelischen Pfarrkirche so etwas wie Wärme verbreiten kann. Dass für die Schlusschoräle ein gemischter Chor und kein Knabenchor herangezogen wurde, ist eine Konzession an heutige Hörgewohnheiten und äußerliche Zwänge, aus musikalischer Sicht (trotz seines nur kleinen Beitrags) aber ein Fehler, wird doch so der protestantische Geist der Musik, der Eindruck musikalischer Keuschheit, passend zur Liturgie der protestantischen Kirche im 18. Jahrhundert, gebrochen.
Das CD-Booklet bietet die kompletten Gesangstexte, dazu eine ausführliche Einführung (deren zweisprachige gleichsam synoptische Darbietung normalen Lesegepflogenheiten entgegensteht), doch nichts über die Interpreten; entsprechende Informationen muss sich der Interessierte aus dem Internet zusammenklauben.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Bach, Johann Sebastian: Dialogkantaten für Sopran und Bass |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
OehmsClassics 1 15.10.2015 |
Medium:
EAN: |
CD
4260330918154 |
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OehmsClassics Ein erfülltes Leben ist ohne Musik kaum denkbar. Musik spiegelt unsere Wahrnehmung der Umwelt und die Realität heutiger wie vergangener Zeiten. Gute Musik ist immer neu, immer frisch, immer wieder entdeckenswert. Deshalb bin ich überzeugt: Es gibt nicht -die- eine, definitive, beste Interpretation der großen Werke der Musikgeschichte. Und genau das macht klassische Musik so spannend: Jede Musikergenerationen experimentiert, entdeckt neue Blickwinkel, setzt unterschiedliche Schwerpunkte - derselbe Notentext wird immer wieder von anderen Strömungen belebt. Deshalb ist ein Musikstück, egal aus welchem Jahrhundert, auch immer Neue Musik. OehmsClassics hat es sich zur Aufgabe gemacht, am Entdecken der neuen Seiten der klassischen Musik mitzuwirken. Unser Respekt vor den künstlerischen Leistungen der legendären Interpreten ist gewiss. Unser Ziel als junges CD-Label sehen wir jedoch darin, den interpretatorischen Stil der Gegenwart zu dokumentieren. Junge Künstler am Anfang einer internationalen Karriere und etablierte Künstler, die neue Blickwinkel in die Interpretationsgeschichte einbringen - sie unterstützen wir ganz besonders und geben ihnen ein Forum, um auf dem Tonträgermarkt präsent zu sein. Sie, liebe Musikhörer, bekommen damit die Gelegenheit, heute die Musikaufführung zu Hause nachzuvollziehen, die Sie gestern erst im Konzertsaal oder Opernhaus gehört haben. Wir laden Sie ein, gemeinsam mit uns die neuen Seiten der klassischen Musik zu erleben!
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