> > > Fitelberg, Jerzy: Kammermusikwerke
Samstag, 23. September 2023

Fitelberg, Jerzy - Kammermusikwerke

Fisch in der Nacht


Label/Verlag: Chandos
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Jerzy Fitelbergs Kammermusik wird in den Ersteinspielungen des kanadischen ARC Ensembles lebendig und spannungsvoll vorgestellt.

Das kanadische ARC Ensemble ist immer wieder für hochinteressante Repertoireentdeckungen gut. Die vorliegende CD macht mit einem Musiker bekannt, dessen Vater heute bekannter ist als er selber. Grzegorz Fitelberg (1879–1953) war ein bedeutender Dirigent und Komponist in Polen, der nicht nur Werke von Szymanowski und Lutosławski aus der Taufe hob. Sein Sohn Jerzy Fitelberg (1903–1951) wurde in Warschau geboren und studierte, nach erstem Unterricht bei seinem Vater, 1922–1926 bei Walter Gmeindl und Franz Schreker an der Berliner Musikhochschule. Schon 1933 verließ er als Jude Deutschland und siedelte sich zunächst in Paris an, von wo aus er 1940 weiter nach New York floh; 1947 wurde er amerikanischer Staatsbürger.

Die vorliegende CD präsentiert Kompositionen aus den frühen 1920ern bis in die 1940er-Jahre und überspannt so nahezu Fitelbergs gesamte schöpferische Laufbahn. Noch aus der Teenagerzeit (1920 oder 1921, das auch sonst in Datierungsfragen nicht immer zuverlässige Booklet nennt beide Datierungen) stammt 'Fisches Nachtgesang' op. 9 nach Christian Morgensterns textlosem Gedicht. Die scheinbar rein visuell angelegte Vorlage ist (dies bleibt im Booklet leider unklar – leider ist die deutsche Übersetzung des reichlich kurz geratenen Booklettextes eine Zumutung, auch die Wahl des Coverfotos bleibt unverständlich) eine streng angelegte Fantasie über vorgegebene Metren, die in der Literaturwissenschaft mit Halbkreisen und Gedankenstrichen markiert werden. Die aparte Komposition für Klarinette, Cello und Celesta setzt die metrische Vorlage nicht streng um, bewegt sich vielmehr fast freitonal-expressiv zwischen Szymanowski und Berg sowie anderen Komponisten. Die Magie des durchaus (früh)reifen Werkes wird von Joaquin Valdepeñas, Brian Epperson und Kara Huber kongenial verlebendigt.

1926 und 1928 entstanden die ersten beiden Streichquartette, das erste frech und konzise wie von Milhaud oder dem jungen Hindemith, das zweite etwas ausladender und (in der Fassung für Streichorchester) heute auch gelegentlich im Konzertsaal zu hören. Die Originalfassung ist aber ebenso wie das erste Quartett eine Tonträgerpremiere (die CD besteht ausschließlich aus Ersteinspielungen). In beiden Fällen bieten Erika Raum, Marie Bérard, Steven Dann und Brian Epperson inspirierte Interpretationen, die die kompositorische Persönlichkeit ebenso wie das Idiom der Zeit äußerst erfreulich lebendig werden lassen. Beide Quartette sind stilistisch eng miteinander verwandt, das zweite ist kontrapunktisch noch dichter, mit noch größerer  Innenspannung angelegt als das erste, nicht zuletzt dadurch weitaus ernster. Im zentralen langsamen Mittelsatz bietet Fitelberg den einzelnen Instrumenten reichen Raum zum Atmen und greift seine Kompositionen für zwei Solostreicher vorweg, mit denen er sich knapp zehn Jahre später weiter profilieren wird.

1935 vollendete Fitelberg in Paris seine Sonatine für zwei Violinen, ein fast neoklassisches Werk, dessen graziöse Eleganz für diese Zeit schon fast anachronistisch ist. Benjamin Bowman und Erika Raum gelingt eine poetisch-feinsinnige Wiedergabe, die den feinen Farbvaleurs der Komposition mit großer Sensibilität nachspürt.

Die jüngste Komposition auf der CD, eine Serenade für Viola (oder Violine) und Klavier, entstand 1943 in New York, Uraufführungsinterpreten waren Isaac Stern und Alexander Zakin. Das expressiv-dunkle Werk ist nicht untypisch für Kompositionen der Emigration – auch andere Komponisten haben in vergleichbarem Tonfall ihre Emigrationserfahrungen verarbeitet. Steven Dann und Kara Huber füllen die musikalisch äußerst reiche Komposition mit viel Wärme und Feingefühl, wo erforderlich aber auch expressiver Verve.

Ausgezeichnete Aufnahmetechnik, durch die sich die Notwendigkeit einer SACD-Veröffentlichung erübrigt, bietet den Interpretationen die bestmögliche Entfaltungsfreiheit, alle Werke werden in großer Natürlichkeit und erfreulicher weiträumiger Wärme erlebbar.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Fitelberg, Jerzy: Kammermusikwerke

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Chandos
1
02.10.2015
Medium:
EAN:

CD
095115187722


Cover vergössern

Chandos

Chandos Records was founded in 1979 by Brian Couzens and quickly established itself as one of the world's leading classical labels. Prior to forming the label, Brian Couzens, along with his son Ralph, worked for 8 years running a mobile recording unit recording for major labels (including RCA, Polydor, CFP, etc.) with many of the world's leading artists.
The company has championed rare and neglected repertoire, filling in many gaps in the record catalogues. Initially focussing on British composers (Alwyn, Bax, Bliss, Dyso, Moeran, Rubbra, Walton etc), it subsequently embraced a much wider field. Chandos' diverse catalogue contains over 2000 titles, from early music to contemporary, with composers from around the world. The company's aim is to present an exciting and varied selection of superbly recorded music to as many people as possible.
The following artists are strongly associated with, or exclusive to, the label: Richard Hickox, Matthias Bamert, I Fagiolini, Neeme Järvi, Louis Lortie, Jean-Efflam Bavouzet, Rumon Gamba, James Ehnes, Sir Charles Mackerras, David Parry, Valeri Polyansky, The Purcell Quartet, Gennady Rozhdestvensky, Howard Shelley, Simon Standage, Yan Pascal Tortelier, Vernon Handley, the BBC Philharmonic, BBC National Orchestra of Wales, the City of London Sinfonia and Collegium Muscium 90.
Chandos is universally acclaimed for the excellence of its sound quality and has always been at the forefront of technical innovation. In 1978, Chandos was one of the first to record in 16bit/44.1kHz PCM digital, as well as being one of the first to edit a digital recording completely in the digital domain (Holst: the Planet ? SNO/Gibson). In 1983, Chandos was one of the first to produce and release Compact Discs into the marketplace ? a revolution in the recorded music industry.
Today, Chandos has kept up with technology by recording mostly in 24bit/96kHz PCM but now also in DSD for producing ?surround sound? SACDs. Chandos releases at least five new recordings a month, together with imaginative re-issues of back-catlogue material.
The company has received countless awards, including several Gramophone Awards, notably the 2001 ?Record of the Year? for Richard Hickox?s recording of the original version of Vaughan Williams? A London Symphony; ?Best Choral Recording of 2003? for its recording of an undiscovered mass by Hummel and the ?Best Orchestral Recording? of 2004 for its set of Bax Symphonies. Other highlights include the American Grammy for Britten?s opera Peter Grimes, and most recently (2008), two further Grammy Awards, one for Hansel and Gretel and the other for Grechaninov?s Passion Week. Jean-Efflam Bavouzet?s debut on Chandos was also awarded Record of the Year by Monde de la Musique this year.
Chandos remains an independent, family run company which produces and markets its recordings from its office in Colchester, England, and is distributed worldwide.


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...
Titel bei JPC kaufen


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Chandos:

  • Zur Kritik... Neue Facetten des Kanons: Jean-Efflam Bavouzet und die Manchester Camerata unter Gabor Takacs-Nagy beleben Mozarts Klavierkonzerte KV 482 und 488. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
  • Zur Kritik... Kraft und Kalkül: Louis Lortie bietet nuancierten Chopin Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
  • Zur Kritik... 60-jähriges Dirigierjubiläum: 1963 wurde der mittlerweile 85-jährige Neeme Järvi musikalischer Leiter des Eesti Riiklik Sümfooniaorkester. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
blättern

Alle Kritiken von Chandos...

Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:

  • Zur Kritik... Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Kein überzeugendes Plädoyer: Dem Constanze Quartett mangelt es an rhetorischer Überzeugungskraft, um drei Streichquartette Emilie Mayers zu einem besonderen Erlebnis zu machen. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Pionierleistungen: Bedeutsame Dokumente der Havergal-Brian-Diskografie. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
blättern

Alle Kritiken von Dr. Jürgen Schaarwächter...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

  • Zur Kritik... Lohnende Neuauflage: Hochwertige Liszt-Aufnahmen von Michael Korstick, gesammelt in einer neuen Edition. Weiter...
    (Oliver Bernhardt, )
  • Zur Kritik... Komplexe Kunst: Verlässlich bringt das Orlando Consort wie hier mit Machaut ferne Musik ans Ohr der Gegenwart und lässt sie ebenso regelmäßig auf erstaunliche Weise bei aller Komplexität frisch, relevant und dringlich klingen. Weiter...
    (Dr. Matthias Lange, )
  • Zur Kritik... "Mannheimer goût" mit enormem Eigenwert: David Castro-Balbi und das Württembergische Kammerorchester Heilbronn unter Kevin Griffiths überzeugen auf ganzer Linie mit Werken von Johann Stamitz. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (4400 KByte)

Anzeige

Jetzt im klassik.com Radio

Georges Bizet: Jeux d'enfants op.22

CD kaufen


Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Der Pianist und Organist Aurel Davidiuk im Gespräch mit klassik.com.

"Man muss das Ziel kennen, bevor man zur ersten Probe erscheint."
Der Pianist und Organist Aurel Davidiuk im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich