
Fitelberg, Jerzy - Kammermusikwerke
Fisch in der Nacht
Label/Verlag: Chandos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Jerzy Fitelbergs Kammermusik wird in den Ersteinspielungen des kanadischen ARC Ensembles lebendig und spannungsvoll vorgestellt.
Das kanadische ARC Ensemble ist immer wieder für hochinteressante Repertoireentdeckungen gut. Die vorliegende CD macht mit einem Musiker bekannt, dessen Vater heute bekannter ist als er selber. Grzegorz Fitelberg (1879–1953) war ein bedeutender Dirigent und Komponist in Polen, der nicht nur Werke von Szymanowski und Lutosławski aus der Taufe hob. Sein Sohn Jerzy Fitelberg (1903–1951) wurde in Warschau geboren und studierte, nach erstem Unterricht bei seinem Vater, 1922–1926 bei Walter Gmeindl und Franz Schreker an der Berliner Musikhochschule. Schon 1933 verließ er als Jude Deutschland und siedelte sich zunächst in Paris an, von wo aus er 1940 weiter nach New York floh; 1947 wurde er amerikanischer Staatsbürger.
Die vorliegende CD präsentiert Kompositionen aus den frühen 1920ern bis in die 1940er-Jahre und überspannt so nahezu Fitelbergs gesamte schöpferische Laufbahn. Noch aus der Teenagerzeit (1920 oder 1921, das auch sonst in Datierungsfragen nicht immer zuverlässige Booklet nennt beide Datierungen) stammt 'Fisches Nachtgesang' op. 9 nach Christian Morgensterns textlosem Gedicht. Die scheinbar rein visuell angelegte Vorlage ist (dies bleibt im Booklet leider unklar – leider ist die deutsche Übersetzung des reichlich kurz geratenen Booklettextes eine Zumutung, auch die Wahl des Coverfotos bleibt unverständlich) eine streng angelegte Fantasie über vorgegebene Metren, die in der Literaturwissenschaft mit Halbkreisen und Gedankenstrichen markiert werden. Die aparte Komposition für Klarinette, Cello und Celesta setzt die metrische Vorlage nicht streng um, bewegt sich vielmehr fast freitonal-expressiv zwischen Szymanowski und Berg sowie anderen Komponisten. Die Magie des durchaus (früh)reifen Werkes wird von Joaquin Valdepeñas, Brian Epperson und Kara Huber kongenial verlebendigt.
1926 und 1928 entstanden die ersten beiden Streichquartette, das erste frech und konzise wie von Milhaud oder dem jungen Hindemith, das zweite etwas ausladender und (in der Fassung für Streichorchester) heute auch gelegentlich im Konzertsaal zu hören. Die Originalfassung ist aber ebenso wie das erste Quartett eine Tonträgerpremiere (die CD besteht ausschließlich aus Ersteinspielungen). In beiden Fällen bieten Erika Raum, Marie Bérard, Steven Dann und Brian Epperson inspirierte Interpretationen, die die kompositorische Persönlichkeit ebenso wie das Idiom der Zeit äußerst erfreulich lebendig werden lassen. Beide Quartette sind stilistisch eng miteinander verwandt, das zweite ist kontrapunktisch noch dichter, mit noch größerer Innenspannung angelegt als das erste, nicht zuletzt dadurch weitaus ernster. Im zentralen langsamen Mittelsatz bietet Fitelberg den einzelnen Instrumenten reichen Raum zum Atmen und greift seine Kompositionen für zwei Solostreicher vorweg, mit denen er sich knapp zehn Jahre später weiter profilieren wird.
1935 vollendete Fitelberg in Paris seine Sonatine für zwei Violinen, ein fast neoklassisches Werk, dessen graziöse Eleganz für diese Zeit schon fast anachronistisch ist. Benjamin Bowman und Erika Raum gelingt eine poetisch-feinsinnige Wiedergabe, die den feinen Farbvaleurs der Komposition mit großer Sensibilität nachspürt.
Die jüngste Komposition auf der CD, eine Serenade für Viola (oder Violine) und Klavier, entstand 1943 in New York, Uraufführungsinterpreten waren Isaac Stern und Alexander Zakin. Das expressiv-dunkle Werk ist nicht untypisch für Kompositionen der Emigration – auch andere Komponisten haben in vergleichbarem Tonfall ihre Emigrationserfahrungen verarbeitet. Steven Dann und Kara Huber füllen die musikalisch äußerst reiche Komposition mit viel Wärme und Feingefühl, wo erforderlich aber auch expressiver Verve.
Ausgezeichnete Aufnahmetechnik, durch die sich die Notwendigkeit einer SACD-Veröffentlichung erübrigt, bietet den Interpretationen die bestmögliche Entfaltungsfreiheit, alle Werke werden in großer Natürlichkeit und erfreulicher weiträumiger Wärme erlebbar.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Fitelberg, Jerzy: Kammermusikwerke |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Chandos 1 02.10.2015 |
Medium:
EAN: |
CD
095115187722 |
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Chandos Chandos Records was founded in 1979 by Brian Couzens and quickly established itself as one of the world's leading classical labels. Prior to forming the label, Brian Couzens, along with his son Ralph, worked for 8 years running a mobile recording unit recording for major labels (including RCA, Polydor, CFP, etc.) with many of the world's leading artists.
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