
Muffat, Georg - Florilegium Primum 1695
Vereinte Nationalstile
Label/Verlag: Challenge Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Muffat vermischte die ländertypische Musik seiner Zeit. Nicht nur deren spezifische Melodik und Harmonik eignete er sich an, sondern auch deren individuelle Ausführung. Vorliegende Aufnahme lässt in diesem Punkt einige Lebendigkeit vermissen.
Schon im 17. Jahrhundert reifte der Gedanke, die nationale Vielfalt Europas zu vereinen, auch wenn dies damals nur auf die unterschiedlichen musikalischen Merkmale der einzelnen Länder abzielte. Insbesondere Georg Muffat beförderte hier in der zweiten Jahrhunderthälfte die Synthese zwischen dem französischen, dem deutschen und dem italienischen Stil. Geboren worden war Muffat 1653 in Mégève in den französischen Alpen. Die frühe Übersiedelung der Familie ins habsburgische Elsass war wohl der Grund dafür, dass Muffat ungeachtet seiner mütterlicherseits französischen Abstammung im Vorwort seiner 1695 in Passau entstandenen Sammlung ‚Florilegium primum‘, die nun in einer neuen Einspielung mit dem Ensemble Salzburg Barock vorgelegt wurde, kurzerhand bekannte, ein Deutscher zu sein.
Für sechs Jahre – wohl zwischen 1663 und 1669 – war Georg Muffat in Paris, um dort musikalisch ausgebildet zu werden. Daher rührt seine intensive Kenntnis des damaligen französischen Stils, wie ihn Jean-Baptiste Lully (im übrigen selbst von Geburt kein Franzose, sondern ein Italiener!) geprägt hatte. Zurückgekehrt ins Elsass fand Muffat 1671 in Molsheim eine erste Anstellung als Organist. Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Wien und Paris veranlassten den Musiker 1674 zur Flucht. In Ingolstadt immatrikulierte er sich an der dortigen Jesuitenuniversität zum Jurastudium, vordergründig allerdings dürfte er sich um Stellungen als Musiker in Habsburger Diensten bemüht haben. 1678 folgte Muffat einem Ruf als Organist an den Salzburger Hof Fürsterzbischof Max Gandolphs, der ihm 1681 ein Studienjahr in Rom gewährte. Das Studium bei Bernardo Pasquini, ja überhaupt die italienische Musik und da insbesondere Arcangelo Corellis Concerti gaben Muffat den Impuls zu eigenen Werken dieses Genres, die er in seiner Sammlung ‚Armonico Tributo‘ dem Fürsterzbischof widmete. Er erwartete seine Beförderung, doch 1684 stieg der bisherige Vizekapellmeister Heinrich Ignaz Franz Biber zum Salzburger Hofkapellmeister auf, Muffat blieb die Übernahme des erhofften Postens verwehrt. Verbittert, doch auch wegen der von Max Gandolphs Nachfolger Johann Ernst eingeleiteten Sparmaßnahmen am Hof plante Muffat seinen Abschied aus Salzburg. 1690 trat er als Kapellmeister in die Dienste des Passauer Fürsterzbischofs Johann Philipp von Lamberg, damals die wichtigste geistliche Residenz der habsburgischen Erblande. Dort blieb Muffat bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1704.
Muffats ‚Florilegium primum‘ ist aufgeteilt in sieben in sich geschlossene ‚Fazikuli‘, die der musikalischen Form der französischen Suite unterliegen. In aller Regel folgen auf einen Ouvertürensatz sechs Tanzsätze, die in Typus und der Anordnung variieren. In der Vorrede zu dieser Sammlung gibt Muffat auch detaillierte Hinweise zur Aufführungspraxis der französischen Musik seiner Zeit. Und eben selbige hätte das Ensemble Salzburg Barock ein wenig mehr beherzigen sollen. Von den beiden Violinen (Jochen Grüner und Kathrin Tröger), den Bratschen (Clarissa Miller und Lothar Haas), dem Violone (Günter Holzhausen) und dem Cembalo (Veronika Braß) bekommt man eingangs in den Ouvertüren und ebenso in den nachfolgenden Tanzsätzen oftmals einen merkwürdig weich gezeichneten und klanggesättigten Gestus zu hören, der den differenziert und individuell gearbeiteten Charakteren von Muffats Suitensätzen nicht immer genügend agil, prägnant und konturenreich begegnet und Farbkraft und individuelles Profil vermissen lässt. Mit Ausnahme der vergleichsweise vital gezeichneten Giguen und Bouréen hätte man sich vielfach ein geschärfter herausgearbeitetes artikulatorisches Profil gewünscht, das im Vertikalen zu mehr Transparenz und im Horizontalen zu höherer Spannkraft und rhetorisch federnder Lebendigkeit hätte führen können. So fehlt es häufig an diffiziler Feingliedrigkeit und an der kleinteiligen Brechung der melodischen Klangbögen, und es mangelt bisweilen auch einfach am nötigen Temperament.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Muffat, Georg: Florilegium Primum 1695 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Challenge Classics 1 09.10.2015 |
Medium:
EAN: |
SACD
608917267822 |
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