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Montag, 25. September 2023

Bach, Johann Sebastian - Geburtstags-Kantaten

Vorentlehnt


Label/Verlag: BIS Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Masaaki Suzuki setzt in Bachs weltlichen Kantaten, deren Teile man großenteils aus anderen Zusammenhängen kennt, eigene Akzente und überzeugt mit sorgsamster Phrasierung und Dynamisierung.

Johann Sebastian Bachs weltliche Kantaten führen seit langem ein ‚museales‘ Dasein im Konzertsaal, entstanden doch fast alle von ihnen für spezielle Anlässe, zumeist fürstliche Geburtstage und zur Ratswahl (man stelle sich vor, zu Kommunalwahlen würden heutzutage regelmäßig neue Kompositionen geboten – eine Herausforderung für jeden Kulturdezernenten!). Zumeist betonen diese Kantaten Tugenden (berühmte Ausnahmen bestätigen die Regel), so auch in den beiden hier vorliegenden Kantaten aus dem Jahr 1733: Die erste Kantate (zum 11. Geburtstag des sächsischen Kurprinzen Friedrich Christian) zeigt den jungen Herkules (Altus) am Scheideweg zwischen Wollust (Sopran) und Tugend (Tenor), beobachtet von den Göttern (Chor) und Götterboten Merkur (Bass). Die zweite Kantate ist eine Huldigungskantate zum 34. Geburtstag der Kurfürstengattin, die Soli sind dramaturgisch unlogisch auf die Göttinnen Bellona, Pallas, Irene und Fama verteilt, womöglich auch weil die Entscheidung zu einer Huldigungsfeier erst sehr spät fiel.

Ein überraschendes Adjektiv kam dem Rezensenten beim Hören der ersten Takte der ersten der beiden zu hörenden Kantaten unmittelbar in den Sinn: Das klingt aber gemütlich. Masaaki Suzuki wählt für den Eröffnungschor seiner Interpretation von Bachs ‚Dramma per musica‘ 'Herkules am Scheidewege' BWV 213 (1733) eher bedächtige Tempi, vielleicht auch weil die Hörner mit eklatanten Intonationsproblemen zu kämpfen haben. Später zeigt sich, dass dies eine bewusste Entscheidung ist, um dem Satz ein eigenes Gepräge zu geben: Den Eröffnungschor wie alle fünf Arien sollte Bach im Folgejahr im Weihnachtsoratorium wiederverwenden (und nur eine der Arien hat er substanziell verändert).

Dennoch kommen schon in diesem ersten Satz mehrere besondere Qualitäten von Suzukis Bach-Interpretationen rundum zum Vorschein: sorgsamste Phrasierung und Dynamisierung, hohe Transparenz in der musikalischen Gestaltung sowie phänomenale Aussprache von Chor und Solisten gleichermaßen. Dass es Suzuki gelingt, in diversen Sätzen der Kantate die Weiterverwendung in der weitaus bekannten Komposition vergessen zu lassen und eigene Akzente zu setzen, spricht für seinen sorgfältigen Zugang zu dem Werk. Joanne Lunn, Robin Blaze, Makoto Sakurada und Dominik Wörner, die vorbildlich auch im Chor mitwirken, verweisen viele westeuropäische Bachsänger auf die hinteren Ränge (letzterer weniger als die drei anderen – Wörner wird später durch gewisse Verzierungsschwierigkeiten und ein etwas uniformes Timbre auffallen).

Der Eröffnungschor des ‚Dramma per musica‘ 'Tönet, ihr Pauken, erschallet Trompeten! ' BWV 214 teilt die ‚postkompositorische‘ Berühmtheit durch die Wiedernutzung im Weihnachtsoratorium (hier sogar als Eröffnungschor des Gesamtwerkes) – und nicht nur der Eröffnungschor, sondern auch der Schlusschor und zwei Arien. Hier setzt Suzuki aber nicht auf Kontrast zum Folgewerk, sondern greift das in der Aufführungstradition übliche 'Allegro con moto' auf (aber wie er hier phrasieren lässt, das hinterlässt denn doch einen eindeutig nachhaltigen Eindruck). Hier sind die Hörner durch Trompeten ersetzt, sodass hier das Hörerlebnis völlig ungetrübt ist. Die Musiziertransparenz wird durch die Aufnahmetechnik auf das Schönste gespiegelt, und bis auf eine etwas unglückliche Verkürzung im Tracklisting ist auch das umfangreiche mehrsprachige Booklet vorbildlich gearbeitet.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Bach, Johann Sebastian: Geburtstags-Kantaten

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
BIS Records
1
02.09.2015
Medium:
EAN:

SACD
7318599921617


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BIS Records

Most record labels begin with a need to fill a niche. When Robert von Bahr founded BIS in 1973, he seems to have found any number of musical niches to fill. The first year's releases included music from the renaissance, Telemann on period instruments, Birgit Nilsson singing Sibelius and works by 29 living composers - Ligeti and Britten as well as Rautavaara and Sallinen - next to Purcell, Mussorgsky and Richard Strauss. A musical chameleon was born, a label that meant different things to different - and usually passionate - devotees.


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