
Arias for Luigi Marchesi - Werke von Sarti, Zingarelli, Mayr, Pugnani & anderen
Atemlos durch den Abend
Label/Verlag: Glossa
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Ann Hallenberg ist eine großartige Sängerin mit wendiger Stimme, die Luigi Marchesis unvergleichliche Stimmakrobatik in die Gegenwart transportiert. Ihre Virtuosität macht sprachlos.
Luigi Marchesi (1754-1829) galt als einer der berühmtesten Soprankastraten seiner Zeit, berühmt wie berüchtigt durch seine musikalischen Fertigkeiten wie seine Allüren. Die unglaubliche Virtuosität Marchesis versetzte die Zeitgenossen in grenzenloses Erstaunen, doch war er auch differenzierter Affektgestaltung fähig, ohne äußerliche Virtuosität in den Vordergrund zu stellen. Die vorliegende CD präsentiert Opernarien von Sarti, Zingareli, Mayr, Cherubini, Pugnani, Bianchi, Cimarosa und Mysliveček, allesamt Stücke, die heute eher als vergessen bezeichnet werden müssen. Den Beginn von 'Oh qual contento' aus Johann Simon Mayrs 'Lauso e Lidia' vermeinen wir aus Mozarts 'Don Giovanni' zu kennen, doch handelt es sich um eine Anlehnung aus Sartis 'Fra i due litiganti' (1782) – Mayrs Arie entstand erst 1798.
Marchesi war berühmt für seine solide Bruststimme, seine hochprofessionelle Virtuosität sowohl Koloraturen als auch Sprünge betreffend und seinen beeindruckenden Stimmambitus. Die schwedische Mezzosopran Ann Hallenberg erweist sich als gleichermaßen atemberaubend kongenial nachschaffende Künstlerin, tatkräftig unterstützt durch das italienische Ensemble Stile Galante unter Leitung von Stefano Aresi sowie (in zwei Nummern) die Sopranistin Francesca Cassinari. Die Koloraturen verursachen fast Schwindelgefühle, die Sprünge lassen den Atem stocken, die ‚bomba di Marchesi‘ (hier interpretiert als Crescendo-Accelerando-Koloraturkette aufwärts) lassen den Mund offen stehen, einzig bei Staccato-Läufen zeigen sich gewisse Grenzen von Hallenbergs Stimme, die sich vom Timbre mittlerweile stark in Richtung Teresa Berganzas entwickelt hat, doch mit weitaus stärkeren Fähigkeiten im Bereich sowohl des musikalischen Ausdrucks wie der Virtuosität. Die vorgestellten Arien machen deutlich, wie natürlich sich die Oper des 18. Jahrhunderts in den Stil des sogenannten Belcanto entwickelt hat, dass musikgeschichtliche Epochen eben doch zumeist in irgendeiner Weise organisch aufeinander aufbauen und eigene Charakteristika ausbilden. Wenn entsprechende Künstler dann nicht mehr zur Verfügung stehen, muss es nahezu zwangsläufig zu stilistischer Weiterentwicklung kommen.
Marchesis (und Hallenbergs) exzeptionelle Stimme macht klar, warum das betroffene Repertoire heute (auch) so vergessen ist: Mit Durchschnittsstimmen kommt man dieser Musik nicht bei, nur das Beste ist gut genug. Aufnahmetechnisch ist die Gesangsstimme vielleicht etwas zu stark in den Vordergrund geholt, doch kommen Hallenbergs Fähigkeiten so umso schöner zum Vorschein. Die Streicher sind im Vergleich zu den Bläsern etwas zu leise eingefangen. Doch bedeutet dies kaum Abstriche bei dieser insgesamt rundum erfreulichen Produktion, deren Booklet in bester Glossa-Manier in Bezug auf die Musik vorbildlich ist (nur Informationen zu den – im Foto abgebildeten – Interpreten fehlen). Vor allem erfahren wir viel über die nicht ganz unkomplexe Rekonstruktion der Verzierungen aus unterschiedlichen Quellen – von der Arie 'Quanto è fiero il mio tormento' aus Cherubinis 'Alessandro nelle Indie' (1784) werden zwei Alternativeinspielungen vorgelegt.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Arias for Luigi Marchesi: Werke von Sarti, Zingarelli, Mayr, Pugnani & anderen |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Glossa 1 04.09.2015 |
Medium:
EAN: |
CD
8424562235052 |
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Glossa Spaniens renommiertestes Klassiklabel wurde 1992 von Carlos Céster und den Brüdern José Miguel und Emilio Moreno gegründet. Sein "Hauptquartier" hat es in San Lorenzo del Escorial in den Bergen nahe Madrid. Zahlreiche herausragende Künstler und Ensembles aus dem Bereich der Alten Musik (z.B. Frans Brüggen und das Orchestra of the 18th Century, La Venexiana, Paolo Pandolfo, Hervé Niquet und sein Concert Spirituel u.v.a.) finden sich im Katalog des Labels. Doch machte GLOSSA von Anfang an auch wegen der innovativen Gestaltung und Produktionsverfahren von sich reden. Zu nennen wären hier die Einführung des Digipacks auf dem Klassikmarkt und dessen konsequente Verwendung, der Einsatz von Multimedia Tracks oder die Platinum-Serie mit ihrem avantgardistischen Design. Innerhalb der vergangenen knapp zwei Jahrzehnte konnte GLOSSA so zu einem der interessantesten Klassiklabels auf dem Markt avancieren. Zu verdanken ist dies nicht zuletzt auch dem Spiritus rector und Gesicht des Labels, Carlos Céster. Mehr Info... |
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