
Walton, William - London Concert
Das Beste zum Schluss
Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das Konzert zu Ehren des 80. Geburtstages von William Walton ist ein bewegendes Dokument. Die Feierlichkeiten dauerten erheblich länger und sind hier nicht komplett abgebildet, doch die musikalische Seite ist vorzüglich.
Dass Arthaus Musik nicht im Stande sind, den vorliegenden Konzertmitschnitt vom 29. März 1982 aus der Londoner Royal Festival Hall sauber zu datieren, zeugt von dem dürftigen Dokumentationsverständnis des Labels, das sich auf der DVD selbst wie im Booklet nur äußerst ungenügend zu dem Anlass des Konzerts (Waltons 80. Geburtstag) äußert. Pressestimmen sucht man vergebens, ebenso wirklich vertiefende Informationen zu den Interpreten wie auch zu den Werken. So leicht hätte man auch eine BBC-Dokumentation zu Walton zu demselben Anlass mit auf die DVD (die keine 89 Minuten läuft) brennen können – aber nein, Fehlanzeige! Die New York Times berichtet von einer dreistündigen Galaveranstaltung, die im Fernsehen übertragen wurde – offenbar hat Arthaus nur einen Teil veröffentlicht (das eigentliche Konzert).
Wie auch immer, wir haben hier ein insgesamt äußerst interessantes Programm, dargeboten von den besten Walton-Interpreten der damaligen Zeit. Sir André Previn, berühmt für seine Einspielung der Ersten Sinfonie, der Violin- und Bratschenkonzerte (mit Nigel Kennedy) und der Britten-Improvisationen, leitet das Philharmonia Orchestra (Konzertmeister Christopher Warren-Green). Eröffnet wird das Programm durch das Erscheinen des Achtzigjährigen und seiner Frau Susana, begrüßt durch stehende Ovationen. Auch im Alter ist Walton immer noch eine stattliche Erscheinung, trotz seiner offenkundigen Gehbeschwerden.
Kaum ist der Beifall verebbt, eröffnet Previn das Konzert mit der Nationalhymne in Waltons selten zu hörender Einrichtung für Chor und Orchester von 1961 (faktisch die Uraufführung dieser Fassung) – allein hierfür ist das Konzert bereits ein wichtiges Dokument. Doch die Höhepunkte reißen nicht ab: Der Krönungsmarsch 'Orb and Sceptre' für Königin Elizabeth II (1953) wird eröffnet durch die 'Anniversary Fanfare' (im Booklet nicht ausgewiesen). Das Orchester ist hier nicht immer ganz der präzisesten eines, doch Previns Elan reißt mit und viele Momente werden mit großer Sorgfalt ausgespielt. Die vielen mehrfachen Punktierungen machen den Marsch zu einem Teststück selbst für versierte Sinfonieorchester, das Philharmonia schlägt sich wenn schon nicht absolut tadellos, so doch weit mehr als beachtlich. Previn ist ein sorgsamer Architekt der Walton‘schen Klangmassen und weiß die Effekte so zu platzieren, dass die Musik nicht äußerlich-virtuos klingt. Bildaufnahmen von der Krönung Elizabeth‘ II. begleiten die Darbietung.
Hauptpunkt der ersten Programmhälfte ist das Violinkonzert h-Moll, mit der Koreanerin Kyung-Wha Chung als Solistin (sie hatte das Konzert unter Georg Solti für Decca eingespielt). Das 1938-9 entstandene Werk erfährt eine glutvoll-emotionale Wiedergabe, Solistin und Orchester (samt der zahlreichen Solopartien im Orchester) sind dynamisch und auch sonst interpretatorisch auf das Beste aufeinander abgestimmt – die Nähe zur Klangwelt der Oper 'Troilus and Cressida' (obschon weitaus später entstanden) wie auch die Traditionslinie zurück zu Elgar wird auf das Vorteilhafteste betont, ohne die Eigenheiten des Werkes zu reduzieren. Selten hat man das Dialogisieren der Solistin mit den einzelnen Orchestersolisten und -gruppen so genuin gehört. In anderer Hinsicht – nämlich mit Blick auf die Gesamtarchitektur des Werks – gibt es ohne Frage noch überzeugendere Interpretationen, vielleicht auch durch die dort vorteilhaftere Klangtechnik. Previns Dirigat lässt dem Werk Zeit, ist also alles andere als überhetzt-drängend (sicher in Absprache mit dem Komponisten), wohl aber emotional dicht und kontrapunktisch reich (so eröffnet der Dirigent einen Blick auf die nie komponierte Dritte Sinfonie Waltons). Allerdings fällt spätestens im Scherzo-Mittelsatz auf, dass das Philharmonia Orchestra nicht über die Souveränität etwa des London Symphony Orchestra verfügt, die Waltons Musik gleichzeitig zu symphonisch überzeugenden Meisterwerken und musikalischen Feuerwerken macht. Zwar wird das Gesamtgefüge im Schlusssatz kohärenter, doch sind zu viele Orchestereinsätze zu unpräzise, um von einer rundum überzeugenden Interpretation sprechen zu können.
Die zweite Programmhälfte besteht aus der Kantate 'Belshazzar‘s Feast' (1930-1) mit dem Philharmonia Chorus (Choreinstudierung Andrew Greenwood a.G.) und dem Baritonsolisten Thomas Allen. Chor und Orchester (die das Werk unter Sir David Willcocks im Studio eingespielt haben) ebenso wie der Solist (der unter Leonard Slatkin in seinem Part auch im Studio einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat) haben hier eine Sternstunde. Zwar sind einzelne Soli zu Beginn aufnahmetechnisch etwas zu stark hervorgehoben, die Stimmen nicht so trennscharf mitgeschnitten wie in der heutigen Digitaltechnik, doch legt Previn hier eine kraft- und lebensvolle Interpretation des effektvollen und intrikat schweren Werkes vor, mit angemessen lyrischen Ruhepolen vor den emotionalen Steigerungen. ‚chief joy‘ bietet Allen noch delikater dar als in der Studioaufnahme, der Chor ist beeindruckend differenziert, im Pianissimo und den Crescendi und Decrescendi fein abgestuft. Der Schlusschor, der vorzugsweise ekstatisch geraten sollte, gerät ebenso (nachdem der Baritonsolist a cappella zuvor etwas gerutscht war – das Sound Remastering hätte dieses kleine Manko mit Leichtigkeit verbessern können (eine Verfälschung der Aufführung zwar, doch heute im Zeichen der Digitaltechnik gängige Technik) ...
Demgegenüber macht Bildregisseur Humphrey Burton das Beste aus dem eigentlich ja bescheidenen Auftrag (Mitschnitt eines Konzertes) – auch der heute wahrscheinlich immer wieder zu erwartende sensationsheischende Blick zu dem greisen Komponisten unterbleibt und wahrt so seine Privatsphäre als Konzertgast. Am Ende hat er Tränen in den Augen (‚Too much‘, sagt er zu seiner Begleitung) – ein bewegter Komponist und nicht zuletzt hierdurch ein bewegendes und bleibendes Dokument.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Walton, William: London Concert |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Monarda Music 1 25.09.2015 |
Medium:
EAN: |
DVD
807280911091 |
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Monarda Music Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
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