
Schumann Edition - Sämtliche Werke
Schumann kompakt
Label/Verlag: Brilliant classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Brilliant Classics setzt die Veröffentlichung von umfangreichen Komponisten-Boxen mit einer 45 CDs umfassenden Sammlung der Werke Robert Schumanns fort, die allerdings viele unzureichende Aufnahmen enthält.
Wie viele andere Komponisten-Boxen von Brillant Classics ist auch diese mit 45 einzelnen CDs ausgestattete Schumann-Edition – sie versammelt Lizenzaufnahmen älterer Produktionen unterschiedlicher Provenienz und Eigenproduktionen des Labels – vom Gesamtergebnis eher durchwachsen. Um einen großen Teil der Musik Robert Schumanns kennenzulernen, ist dies sicher eine kostengünstige Möglichkeit. Doch anders als in vergleichbaren Fällen wird man hier mitunter mit Aufnahmen konfrontiert, die man eigentlich nicht dauerhaft in seiner Sammlung behalten möchte. Die Einspielungen sind nach den Kategorien Orchesterwerke (CDs 1–5), Kammermusik mit und ohne Klavier (CDs 6–14), Musik für Klavier und Orgel (CDs 15–28), Lieder (CDs 29–33), Chorwerke (CDs 34–37) und großbesetzte Vokalmusik (CDs 38–45) geordnet und umfassen damit einen Großteil der Schumann’schen Werke, wenn es auch so manche bedauerliche Lücke gibt. So fehlen beispielsweise die komplette 'Manfred'-Musik und sämtliche Werke für Klavier zu vier Händen, während die ziemlich randständige Gruppe von Cellobearbeitungen zahlreicher Lieder und Violinwerken durch Friedrich Grützmacher-Bearbeitungen dokumentiert ist, obgleich sie eigentlich nur für Kenner interessant ist.
Orchesterwerke und Kammermusik
Was die Sinfonien und bekannten Ouvertüren – unbekanntere Ouvertüren fehlen hier – anbelangt, so hat man auf eine ältere Aufnahme mit einem im Zusammenspiel unpräzise agierenden Gewandhausorchester Leipzig unter Franz Konwitschny von 1960/61 zurückgegriffen, die ihre besseren Tage schon längst hinter sich hat und lediglich aus historischen, nicht aber aus musikalischen Gründen interessant ist. Der dumpfen, unausgewogenen Klangqualität – Resultat der Entstehungszeit – entspricht eine steife, schwerfällige Diktion: ein Musizieren ohne Elastizität, das über viele Details der Partituren hinweggeht und oft auch ein Denken in Bögen und Zusammenhängen vermissen lässt. Auch die Konzerte hinterlassen gemischte Gefühle: Einerseits gibt sich in der aus dem Jahr 1994 stammenden Aufnahme die Südwestfälische Philharmonie unter Florian Merz im Violoncello- und Violinkonzert aus unerfindlichen Gründen extrem grob mit abgerissenen Akkorden und übermäßig laut dreinschlagender Pauke, doch hat man es andererseits zugleich mit hörenswerten Umsetzungen durch die Solisten Julius Berger (Violoncello) und Hansheinz Schneeberger (Violine) zu tun.
Die von Brillant Classics produzierten Aufnahmen der Kammermusik enthalten eine ansprechende Wiedergabe der drei Streichquartette, die hier mit viel Verve, energetischem Zusammenspiel sowie mitunter auch einem gewissen Grad an Wildheit vom Quartetto Savinio musiziert werden. Auch die Klaviertrios unter Beteiligung einzelner Quartettmitglieder und des Pianisten Matteo Fossi folgen dieser interpretatorischen Richtung und sind sehr hörenswert. Marek Jerie und Ivan Klánský hingegen spielen die im Original für Cello zugänglichen Werke zwar hingebungsvoll, doch liegt Jerie mit seiner Intonation sehr häufig daneben. Die Werke für Bratsche, von Lorenzo Falconi (Viola) und Sara Bacchini (Klavier) dargeboten, sind eher schwach und überzeugen weder in Bezug auf intonatorische Qualitäten noch im Hinblick auf die dahinplätschernde musikalische Gestaltung. An der Grenze zum Erträglichen bewegen sich allerdings die Violinsonaten in einer Eigenproduktion von 2015 mit Andrea Cortesi (Violine) und Marco Venturi (Klavier). Allein schon in klanglicher Hinsicht – sowohl in Bezug auf den Klang der einzelnen Instrumente als auch im Hinblick auf die Balance (die Violine steht viel zu stark im Vordergrund, das Klavier wirkt – auch wegen des Pedalgebrauchs – verschwommen) lässt die Einspielung viel zu wünschen üblich, zumal technische Fähigkeiten und Zusammenspiel viel zu wünschen übrig lassen.
Die Einspielungen der Klavierwerke durch Klára Würz oder Michael Endres gehören zu den besten Posten dieser Sammlung. Endres überzeugt beispielsweise durch seinen Zugang zum 'Album für die Jugend' op. 68, während Würz insbesondere bei der Wiedergabe der Schumann’schen Klaviersonaten ein gutes Bild abgibt. Auch die Aufnahmen von Peter Frankl – lizensiert von Vox und bereits aus dem Jahr 1974 stammend – sind hörenswert.
Vokalkompositionen
Liederzyklen wie die 'Dichterliebe' op. 48 und der 'Liederkreis' op. 24 nach Heinrich Heine oder der 'Liederkreis' op. 39 nach Josef Freiherr von Eichendorff sowie zahlreiche Einzellieder für hohe Männerstimme erklingen mit Peter Schreier (Tenor) und Norman Shetler (Klavier). Die Aufnahmen aus den frühen 1970er Jahren mögen für Liebhaber des Schreier’schen Interpretationsstils ein Höhepunkt sein. Hört man sie jedoch unbefangen, fällt nicht nur der stellenweise extreme Hang zum Sentimentalen auf, sondern vor allem auch die Unfähigkeit, sich anhand entsprechender Vokalfärbungen mit der Ironie der Heine-Texte auseinanderzusetzen, was gelegentlich noch durch weinerlichen Tonfall und in die Breite gezogene Tempi (etwa in 'Ich grolle nicht' oder 'Die alten, bösen Lieder') verstärkt wird. Die Sopranlieder, gleichfalls in einer Aufnahme aus den 1970er Jahren, bleiben der Sopranistin Arleen Auger vorbehalten, die hier gemeinsam mit dem Pianisten Walter Olbertz (Klavier) agiert.
Die weltlichen Chorwerke sind beim Studio Vocale Karlsruhe und Renner Ensemble gut aufgehoben und weisen insbesondere unter den Romanzen und Balladen einige Höhepunkte auf. Im Bereich der großbesetzten Vokalmusik sticht Christoph Sperings Aufnahme des Oratoriums 'Der Rose Pilgerfahrt' mit dem Neuen Orchester und dem Chorus Musicus Köln aus dem Jahr 1998 hervor, und auch Schumanns 1987 eingespieltes 'Requiem' op. 148 mit dem Budapest Chorus und der ungarischen Staatsphilharmonie unter Miklós Forrai kann überzeugen. Demgegenüber lassen sich Schumanns Oper 'Genoveva' op. 81 in der schwerfälligen und klanglich zähen Einspielung mit Kurt Masur und dem Gewandhausorchester aus dem Jahr 1976 heute kaum mehr positive Seiten entlocken, zumal die Wahl von Peter Schreier und Dietrich Fischer-Dieskau in den Rollen von Golo und Siegfried als Fehlbesetzung anmutet. Immer noch reizvoll ist dagegen die 1981er Einspielung des Oratoriums 'Das Paradies und die Peri' op. 50 mit dem Rundfunkchor und -orchester Leipzig unter Leitung von Wolf-Dieter Hauschild, da hier auch Solisten wie Magdaléna Hajóssyová (Sopran) und Hermann Christian Polster (Bass) überzeugen. Die 'Szenen aus Goethes Faust' wiederum erklingen in einer mittelprächtigen Aufnahme mit Antoni Wit (2011 bei Naxos erschienen), die zwar einige schöne Stellen aufweist, aber dem Werk nicht immer gerecht wird.
Fazit
Neben einigen sehr guten Aufnahmen enthält die vorliegende Box eine ganze Reihe eher unzureichender Einspielungen. Wer damit leben kann und gern ziemlich viel Schumann auf einmal im Schrank haben möchte oder vieles einfach nur kennenlernen möchte, ist mit der Veröffentlichung bestens bedient; wer sich dagegen mehr für musikalisch reizvolle Auseinandersetzungen interessiert, der sollte insbesondere in Bezug auf Oper und Orchestermusik zu besseren Alternativen greifen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Schumann Edition: Sämtliche Werke |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Brilliant classics 45 04.09.2015 |
Medium:
EAN: |
CD
5028421950204 |
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