
Matthias Rácz spielt - Fagottkonzerte von Francaix, Tomasi, Jovilet, Villa-Lobos
Hanswurst
Label/Verlag: ARS Produktion
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das Fagott kann mehr, als den Faxenmacher zu spielen. Matthias Rácz zeigt das mit feinen Nuancen, zu denen das Stuttgarter Kammerorchester nicht in gleichem Maße herausgefordert wird.
Ach, das Fagott hat es nicht leicht. War es über Jahrhunderte hin nur Stützinstrument der Basslinie ohne eigenen Charakter, wurde es zum Hanswurst des Orchesters. Als ab dem 20. Jahrhundert das Instrument verstärkt mit hochanspruchsvollen Aufgaben betraut wurde, gerieten diese Werke schnell in das berühmte Regal mit der Beschriftung ‚Ach, gibt‘s das? Hab ich vergessen‘. Nicht zuletzt lag dies daran, dass sich viele Musiker in ihr unvermeidliches Schicksal ergeben haben und allenthalben in Kammermusik eine gewisse Selbstverwirklichung erleben können, weit weniger als Orchestermusiker und erst recht kaum in der Musik vor 1850.
Die hier vorliegenden Werke gehören natürlich dieser Kategorie ebenso wenig an wie ihr Interpret, der 1980 geborene Matthias Rácz, Solofagottist am Tonhalle-Orchester Zürich und im Lucerne Festival Orchestra. In Jean Françaix‘ ironischem Fagottkonzert (1979) wie auch in dessen Divertimento für Fagott und Streicher (1942/196) darf Rácz so auch wieder den Faxenmacher geben, wenn auch nicht ohne innige oder sentimentalische Anklänge. Ganz anders in Heitor Villa-Lobos‘ 'Ciranda das sete notas' (1933), in der das Fagott essenziell als lyrisches Instrument eingesetzt wird und seinen eigenen melancholischen Charakter mitbringt, ohne dass Villa-Lobos gänzlich auf Virtuosität verzichten würde. Emotional noch stärker überzeugt das zweisätzige Fagottkonzert von André Jolivet aus dem Jahr 1954 durch seine zahlreichen innerlichen Passagen; doch auch die virtuosen Momente haben Tiefgang. Leider gerät im Fagottkonzert von Henri Tomasi (1961) das Finale abermals etwas zu ‚wurstig‘. Wen‘s nicht stört, ist mit gut gemachter, aber eben nicht nachhaltig tiefgründiger Musik bedient.
Das Stuttgarter Kammerorchester erweist sich als engagierter Partner Ráczs, und wenn im Booklet der Werbetext für den Dirigenten Johannes Klumpp einen dem Intendierten gegenteiligen Effekt erzielt und den Hörer eher skeptisch denn überzeugt zurücklässt, ist dies mehr dem Booklet als dem Dirigenten anzulasten. Im direkten Vergleich mag Klumpp nicht ganz in einer Liga mit Alun Francis oder anderen wirken (besonders wären auch seine Einlassungen im Booklet dringend redaktionsbedürftig gewesen), auch wenn das vibratoarme Spiel des Orchesters der Musik gut tut. Allerdings hätte man sich noch mehr Klangfarbennuancen und dynamische Schattierungen vorstellen können, die der Solist in der Tat zuhauf bietet. So bleibt das Orchester (wohl weniger durch eigenes Verschulden als durch die Perspektive des Dirigenten) gelegentlich im Effekt etwas zu farblos, zu neutral im Ausdruck. Die Aufnahmetechnik gibt die Darbietung auf bestmögliche Weise wieder, und gerade in den ruhigeren Momenten gibt es richtiggehend faszinierende Klangmomente, die dann aber wieder durch veräußerlichte Virtuosität zunichte gemacht werden. Wofür die Kompositionen selbst nicht ganz unschuldig sind.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Matthias Rácz spielt: Fagottkonzerte von Francaix, Tomasi, Jovilet, Villa-Lobos |
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Label: Anzahl Medien: |
ARS Produktion 1 |
Medium:
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SACD
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Francaix, Jean |
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