
Liszt, Franz - Klavierkonzert Nr. 2
Angenehm unspektakulär
Label/Verlag: BIS Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel
In seiner Einspielung der Lisztschen Klavierkonzerte legt Alexandre Kantorow viel Wert auf die lyrischen Momente der Musik.
Eigentlich hat man Franz Liszts Klavierkonzerte schon dermaßen oft gehört, dass es schwierig ist, die Besonderheiten einer neuen Aufnahme zu würdigen. Diese neue SACD-Einspielung der Kompositionen beim Label BIS – sie enthält neben den beiden bekannteren Konzerten Nr. 1 Es-Dur (S. 124) und Nr. 2 A-Dur (S. 125) auch das Konzert e-Moll 'Malédiction' für Klavier und Streicher (S. 121), leider aber nicht den Liszt’schen 'Totentanz', der ohne Probleme noch auf die Scheibe gepasst hätte – nimmt jedoch sofort durch ihren angenehm unspektakulären Ansatz für sich ein. Gemeinsam mit der Tapiola Sinfonietta unter Leitung seines Vaters Jean-Jacques Kantorow lenkt der junge französische Pianist Alexandre Kantorow nämlich die Aufmerksamkeit des Hörers auf die besonderen lyrischen Qualitäten von Liszts Musik. Anders gesagt bedeutet dies, dass sich hier eine interpretatorische Verschiebung von der Virtuosität auf jene poetischen Momente ereignet, die sich der Entfaltung von Liszts Gesang verdanken. Nicht von ungefähr gemahnt die Aufnahme daher in ihren stärksten Passagen immer wieder an den Ausdrucksreichtum des immer noch stark unterschätzten Liedkomponisten Liszt oder auch an dessen raffinierte pianistische Auseinandersetzung mit der Liedkunst Franz Schuberts.
Tatsächlich entfaltet Kantorow mithilfe seiner runden, kantablen Anschlagstechnik permanent entsprechende Spuren: Die ruhigen Passagen – beispielsweise gleich die erste Retardation nach dem Fortissimo-Beginn des Es-Dur-Konzert, in der unterschiedliche Soli aus dem Orchester mit dem Pianisten dialogisieren – rücken in den Mittelpunkt der Darstellung und überzeugen dabei sowohl durch ihre klangfarbliche Feingestaltung wie durch eine dem pianistischen Fantasieren angenäherte interpretatorische Grundhaltung. Besonders schön ausgesungen erscheint daher auch der langsame 'Quasi adagio'-Abschnitt des ersten Konzerts, in dem – aufbauend auf der zart von gedämpften Streichern dargebotenen Kantilene – Kantorow einen Tastengesang von betörender Schönheit und Zurückhaltung zu auszuspinnen beginnt, den er nach und nach in die Diktion eines dramatischen Rezitativs überführt. Vergleichbar hiermit ist auch der Beginn des A-Dur-Konzerts durch die große, ruhige Geste bestimmt: Der Pianist vermeidet hier emphatische Einsätze zugunsten einer kammermusikalischen Gesamtdarstellung, die erst allmählich zu einer Steigerung führt und dann in das raschere 'Allegro deciso' mit seinem akkordisch artikulierten Duktus führt.
Im Gegensatz zu den ruhig ausgesungenen Passagen wirken die vielen virtuosen Momente fast schon beiläufig. Entsprechende Passagen wie der 'Allegro maestoso'-Beginn des ersten oder der 'Marziale'-Teil des zweiten Konzerts treten eher ins Zentrum, weil sie als Impulse, als Durchgangsstationen oder als musikalisches Auffangbecken für die lyrischen Ausdruckswelten fungieren. Dass dies meist wie ein Perspektivwechsel wirkt, wird deutlich, wenn man der erstaunlich leichtfüßigen, technisch makellosen Wiedergabe von Passagen wie dem scherzoartigen 'Allegretto vivace' des Es-Dur-Konzerts lauscht oder im anschließenden 'Allegro marziale animato' bemerkt, wie stark das in anderen Einspielungen dezidiert akzentuierte Pathos auf einen markanten Grundzug reduziert ist und ansonsten zugunsten einer facettenreichen Farbgestaltung aus der Musik verschwunden ist. Das mag vielleicht nicht jedem gefallen, überzeugt aber letzten Endes, weil es die Aufmerksamkeit für andere Aspekte der Liszt’schen Konzerte schärft.
Zwischen den beiden groß besetzten Werken platziert, wirkt das kurze 'Malédiction'-Konzert aufgrund der orchestralen Reduktion auf einen Streicher-Klangkörper wie ein retardierendes Moment. Die einzigartige Farbgebung wird durch das solistische Pendeln zwischen kraftvollem Zugriff und extrem zarter Klangzeichnung unterstrichen, wobei das dialogische Verhältnis zwischen Pianist und Streichern auf mitunter sehr intime Weise ausgereizt und auf die Spitze getrieben wird. Dass hier wie in den ruhigen Passagen der übrigen Kompositionen die Spannungsbögen immer gewahrt bleibt, darf dabei gleichfalls als Leistung der Interpreten verstanden werden.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Liszt, Franz: Klavierkonzert Nr. 2 |
|||
Label: Anzahl Medien: |
BIS Records 1 |
Medium:
EAN: |
SACD
7318599921006 |
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BIS Records Most record labels begin with a need to fill a niche. When Robert von Bahr founded BIS in 1973, he seems to have found any number of musical niches to fill. The first year's releases included music from the renaissance, Telemann on period instruments, Birgit Nilsson singing Sibelius and works by 29 living composers - Ligeti and Britten as well as Rautavaara and Sallinen - next to Purcell, Mussorgsky and Richard Strauss. A musical chameleon was born, a label that meant different things to different - and usually passionate - devotees. Mehr Info... |
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