
Biber, Heinrich Ignaz Franz - Rosenkranzsonaten
Feinsinnige Lesart eines bedeutenden Sonatenzyklus
Label/Verlag: BIS Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Der Geigerin Ariadne Daskalakis gelingt im Dialog mit dem Ensemble Vintage Köln eine sehr farbenreiche Lesart von Heinrich Ignaz Franz Bibers 'Rosenkranzsonaten'.
Erstaunlich oft sind Heinrich Ignaz Franz Bibers ‚Rosenkranz‘- oder ‚Mysteriensonaten‘ in den vergangenen Jahren eingespielt worden. In dieser bei BIS veröffentlichten Neuproduktion findet der sechzehnteilige Zyklus, dessen einzelne Teile mit ihrer jeweiligen Thematik an die 15 heiligen Mysterien des Rosenkranzes – den wichtigen Stationen in der Geschichte der Jungfrau Maria und Jesu Christi zugewiesen – erinnern und durch eine weitere, solistische Sonate abgerundet werden, zu einer sehr schlüssige Gestalt. Verantwortlich hierfür ist die Geigerin Ariadne Daskalakis die es gemeinsam mit dem Ensemble Vintage Köln auf eine dialogische Wiedergabe abgesehen hat. Zu dieser Wirkung trägt maßgeblich die klanglich vielfältige Besetzung des Basso continuo mit Cembalo oder Orgel (Gerald Hambitzer), Theorbe (Simon Martyn-Ellis) und Viola da gamba (Rainer Zipperling) bei, die gleich im Variationssatz der Sonata I a-Moll ('Die Verkündigung') zur Herausarbeitung einer aufs Ende gerichteten musikalischen Steigerungsanlage ausgeschöpft wird und vom gezupften Continuobass bis hin zur jeweils farblich unterschiedlichen Kombination von Theorbe und Cembalo oder Orgel reicht.
Wie hier werden die Möglichkeiten der Instrumentation auch im weiteren Verlauf immer wieder geschickt dazu benutzt, die Dramaturgie ausgedehnter Sätze oder auch – wie im Falle der Sonata V A-Dur ('Der zwölfjährige Jesus im Tempel') – den mehrsätzigen architektonischen Aufbau ganzer Sonaten zu unterstreichen. Damit gehen die Musiker einen Schritt weiter als viele andere Interpreten, die eher den funktionalen Charakter des Zyklus – nämlich den Einsatz der Sonaten als Meditationsmusiken zum Rosenkranzgebet – zu akzentuieren versuchen und dies vor allem durch eine strengere Bindung an die der Kirchensphäre entstammende Klangfarbe der Orgel akzentuieren.
Diesen vorwiegend zur Gestaltung der Makroebene eingesetzten Mitteln steht die feinsinnige Lesart der Geigerin gegenüber: Daskalakis tastet den Biber’schen Notentext gekonnt auf seine Möglichkeiten hin ab – eine interpretatorische Aufgabe, die besonders in den präludierenden Eingangssätzen extrem gut gelingt – und schafft es dabei, dem Vortrag selbst dort einen Anschein von Schlichtheit zu verleihen, wo der Komponist technische Höchstleistungen fordert. Darüber hinaus beeindruckt ihre Wiedergabe durch einen dynamischen Reichtum sowie, wenn die Musik dies erlaubt, durch ein hohes Maß an Eleganz.
Ihre Fähigkeiten zur Binnendifferenzierung setzt Daskalakis immer wieder ein, um dem Violinpart überraschende Farben zu verleihen, so beispielsweise innerhalb der als 'Ciacona' komponierten Variationsform von Sonata IV d-Moll ('Christi Darstellung im Tempel'), deren harmonisches Gerüst – was dem Stück einen ganz besonderen Reiz verleiht – lediglich von Theorbe und Cembalo vorgetragen wird. In Bezug auf den Klang außergewöhnlich weich ist Sonata XI G-Dur ('Die Auferstehung') geraten, da die Geigerin hier mit Dämpfer spielt, wodurch die Violine beim Vortrag des Chorals optimal mit den Continuoinstrumenten Orgel und Gambe verschmilzt. Dass auch die extrovertierten Momente sehr gut umgesetzt sind, beweist die voller triumphierender Fanfaren steckende Sonata XII C-Dur ('Christi Himmelfahrt'), die sich stellenweise gar dem tänzerischen Duktus zuwendet. Zudem gewinnt man als Hörer den Eindruck, dass Zusammenhänge zwischen den Sonaten gestaltet werden: So wirkt das knappe Finale der Sonata IX a-Moll ('Die Kreuztragung') wie eine Frage, die sich zur kurzen, illustrativen Einleitung der Sonata X g-Moll ('Die Kreuzigung') zu öffnen scheint, um dann im ausgedehnten Variationssatz zwischen Erregung und Erschöpfung ihr Ziel zu finden.
Als Ergänzung wartet die Doppel-SACD mit der Sonate D-Dur für Violine und Basso continuo aus der Feder von Bibers Zeitgenossen Georg Muffat (1653-1704), der einzigen überlieferten Sonate dieses Komponisten, auf und präsentiert damit ein selten gespieltes Werk, das sich durch einen ausgedehnten langsamen Satz voller affektreicher enharmonischer Modulationen auszeichnet. In klanglicher Hinsicht ist die gesamte Einspielung sehr angenehm und weist eine große räumliche Tiefe auf, was die feinen Details des Vortrags sehr gut zur Geltung kommen lässt.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Biber, Heinrich Ignaz Franz: Rosenkranzsonaten |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
BIS Records 1 01.07.2015 |
Medium:
EAN: |
SACD
7318599920962 |
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BIS Records Most record labels begin with a need to fill a niche. When Robert von Bahr founded BIS in 1973, he seems to have found any number of musical niches to fill. The first year's releases included music from the renaissance, Telemann on period instruments, Birgit Nilsson singing Sibelius and works by 29 living composers - Ligeti and Britten as well as Rautavaara and Sallinen - next to Purcell, Mussorgsky and Richard Strauss. A musical chameleon was born, a label that meant different things to different - and usually passionate - devotees. Mehr Info... |
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