
Wolf, Ernst Wilhelm - Streichquartette
Eigene Wege
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die Streichquartette von Ernst Wilhelm Wolf sind unbedingt wert, entdeckt und gehört zu werden - zumal in einer so fulminanten Deutung, wie sie hier zu erleben ist.
Rezensenten wiederholen sich ungern. Dass dies bei manchen Interpreten unvermeidbar ist, gehört zu den positiven wie den negativen Erscheinungen des Metiers. Die vorliegende CD mit Kammermusik des mir bis dato unbekannten Ernst Wilhelm Wolf (1735–1792) reiht sich nahtlos in die Kette hochqualitativer Preziosen des Kölner Pleyel Quartetts ein. In Gotha aufgewachsen, ließ sich Wolf, nach Stationen in Leipzig, Naumburg und Italien in Weimar nieder, wo er 1772 zum Hofkapellmeister ernannt wurde. Heute sind zwölf Streichquartette Wolfs aus den rund letzten fünfzehn Lebensjahren des Musikers bekannt – fünf werden hier vorgelegt, drei von bilden das Sammelopus 3, die beiden anderen entstanden vermutlich 1781 bzw. sicher 1789. Musikalisch geht Wolf teilweise deutlich andere Wege als die Meister der Wiener Klassik, was die Musikgeschichte deutlich bereichert. Wolfs Kompositionen waren durchaus auf einen internationalen Markt ausgerichtet (die ersten beiden Quartettserien erschienen bei Johann Julius Hummel in Berlin und Amsterdam), doch schon bald war absehbar, dass Wolfs Ruhm nachlassen würde – die Quartette op. 3 erschienen 1785 im eher unbekannten Verlag von Philipp Baßler in Speyer. Dies hat nicht mit der Qualität der Kompositionen zu tun, eher an der ‚Übermacht‘ des Wiener Stils. Wolfs Streichquartette sind aus der traditionellen Triosonate abgeleitet – d.h. die Oberstimmen stehen einem ‚Grund- bzw. Generalbass‘ (Booklettext) gegenüber. Mit seinen Kompositionen schließt Wolf eine wichtige Lücke zwischen der Musik des Spätbarock und der Musik um 1800.
Das auf historischen Instrumenten musizierende Pleyel Quartett Köln (Ingeborg Scheerer, Milena Schuster, Andreas Gerhardus und Nicholas Selo) findet einen durchaus eigenen Ton für die Werke, denen man mit etwas anderen Eigenschaften gegenübertreten muss als Kompositionen von Haydn, Mozart oder Beethoven. Zum einen betrifft das die musikalische Balance, die etwas anders ausgerichtet werden muss. Doch auch die Stimmung darf angepasst werden – und beide Techniken sind im vorliegenden Fall optimal in den Dienst der Musik gestellt. Das g-Moll-Quartett op. 3 Nr. 3 gerät klanglich ganz anders als das Quartett Es-Dur op. 3 Nr. 1 – so bleiben die musikalischen Charaktere noch weitaus stärker gewahrt als dies durch ‚modernistische‘ Interpretationen möglich wäre. Auch das Changieren zwischen archaisierenden und modernistischen Aspekten in der Musik kommt herrlich zur Geltung. Das ist Musik nicht nur fürs Herz, sondern auch, gerade in der vorliegenden Interpretation, Musik für den Kopf. Nicht nur im Mittelsatz des g-Moll-Quartetts ist der Hörer beeindruckt von der Legatokultur der Musiker. Ganz eigene Klänge bietet das Es-Dur-Quartett op. 3 Nr. 2.
Wenn es vielleicht etwas kritisch zu vermerken gäbe, dann die Platzierung des C-Dur-Quartetts von 1789, das stilistisch den Opus 3-Quartetten bereits durchaus fernsteht, so dass sich hier eine Art hörbarer ‚Stilbruch‘ ergibt. Doch beeinträchtigt das nicht die musikalische Gesamtleistung. Ein erfreulich informatives Booklet komplettiert die auch aufnahmetechnisch vorbildliche Produktion.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Wolf, Ernst Wilhelm: Streichquartette |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 20.06.2015 |
Medium:
EAN: |
CD
761203785629 |
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Wolf, Ernst Wilhelm |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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