> > > A Festival of English Organ Music Vol. 2: Werke von Elgar, Smart, Hollins u. a.
Montag, 2. Oktober 2023

A Festival of English Organ Music Vol. 2 - Werke von Elgar, Smart, Hollins u. a.

Nicht im Zentrum


Label/Verlag: MDG
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Ben van Oosten hat für den zweiten Teil seiner Zusammenstellung britischer Orgelmusik ein nicht ganz schlüssiges Programm gewählt. Die Ausführung allerdings profitiert von der Klarheit seines interpretatorischen und klanglichen Zugangs.

Auch wenn beachtliche acht Komponisten auf dem Cover der vorliegenden CD gelistet sind, handelt es sich bei nur wenigen der eingespielten Werke um wirklich bedeutende Werke der britischen Orgelliteratur. Dabei hat diese durchaus allerhand zu bieten. Stanfords Sonaten, Parrys große Phantasien, die späteren großen Werke von Elgar, Sumsion, Bairstow, Harris, Frederick Bridge oder anderen, von den epochalen Werken des späteren 20. Jahrhunderts von Kaikhosru Sorabji, Robert Simpson und vielen anderen ganz zu schweigen (die van Oosten aber a priori von der Betrachtung ausgeschlossen zu haben scheint). Stattdessen begnügt sich Ben van Oosten mit Musik, die qualitativ teils eher der zweiten Reihe entstammt, teils nicht einmal originäre Orgelmusik ist; auf jeden Fall ist seine Programmgestaltung hier weniger glücklich und vielfältig als in seiner ersten Folge, die u.a. auch Elgars Sonate enthält.

Edward Elgar (1857–1934) bildet Anfang und Ende seines Programmes (allesamt Arrangements): 'Imperial March' op. 32 (1897), 'Chanson de Nuit/Chanson de Matin' op. 15 (1897) sowie 'Pomp and Circumstance' op. 39 Nr. 1 (1901). Die Märsche machen in jeder Klanggestalt Effekt, und auch wenn die Akustik der Salisbury Cathedral nicht die Klarheit eines Konzertsaals bietet, ist die Willis-Orgel dank der Dabringhaus und Grimm-Aufnahmetechnik in herrlicher Differenziertheit eingefangen. Selbst das Piano-Trio des 'Imperial March' ist gut durchhörbar und reich an Farben. Van Oosten bewegt die Musik eher in Richtung einer französischen denn einer genuin britischen Klangästhetik, was der Musik aber nicht schadet. Die beiden Chansons verlieren viel von ihrer originalen Ästhetik und werden vollends ‚französisiert‘, die rhythmische Präzision, die das 'Chanson de Matin' ausmacht, wird bewusst in den Hintergrund gerückt.

Zwei Stücke des Programms entstammen der Mitte des 19. Jahrhunderts, Henry Smarts (1813–1879) Choral mit Variationen Es-Dur (ca. 1864) und Samuel Sebastian Wesleys (1810–1876) 'Larghetto' fis-Moll aus den 'Drei Stücken für Kammerorgel' (1842-3). Beide Stücke funktionieren auf der 1877 erbauten und 1934 umfassend erweiterten Orgel überraschend gut, nicht zuletzt dank van Oostens differenzierter Registrierung.

Zu den bedeutendsten britischen Orgelkomponisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählten Hubert Parry (1848–1918) und Herbert Howells (1892–1983), beide hier leider jeweils nur durch ein Stück repräsentiert. Parrys Verbindung zur deutschen Orgeltradition (Bach, Mendelssohn, Rheinberger, selbst Reger) ist offenkundig, dennoch behält er seinen eigenen Ton. Hier, in van Oostens Interpretation von Phantasie und Fuge G-Dur op. 188 (1877/1882/1912) tritt Parrys Stil etwas zurück. Die Steigerung der Fuge kommt hier leider nicht ganz in jener Klarheit und Brillanz zur Geltung, wie es die Musik verdienen würde. Auch Howells‘ 'Psalm-Prelude Set 2' Nr. 3 (1938-9) erlangt durch die Raumakustik der Salisbury Cathedral in der Stereoabspielung nicht ganz jene Klarheit, die andere Einspielungen bieten können. Immerhin scheint sich van Oosten hier deutlich wohler zu fühlen als beim Parry, kann er doch sämtliche Möglichkeiten der Orgel in vollem Maße nutzen.

Überraschenderweise wird das Orgelschaffen von Frank Bridge (1879–1941) und John Ireland (1879–1962) allerorten deutlich überschätzt – andere Komponisten wie York Bowen, Herbert Murrill, Harold Darke, Heathcote Statham oder Edwin Lemare (um nur wenige zu nennen) haben unter dieser verzerrten Sichtweise (der auch die Fokussierung auf Elgar zu danken ist) zu leiden. Irelands 'Capriccio' C-Dur (1911) ist kaum mehr als eine nett klingende Miniatur von Intermezzo-Charakter, Bridges 'Adagio' E-Dur aus den 'Drei Orgelstücken' (1905) immerhin ein genuin orgelmäßig empfundenes, aber noch insgesamt konventionelles Stück, das man ebenso gut durch ein Stück von John Alcock, Charles Naylor oder Cyril Rootham hätte substituieren können. Dem Ireland-Stück vergleichbar ist 'A Song of Sunshine' (1912, nicht, wie im Booklet, 1913) des von Geburt blinden Organisten Alfred Hollins (1865–1942), ein Stück, das sich immerhin offen zu außermusikalischen Aspekten bekennt.

Die Bookletnotizen behandeln trotz ihres Umfangs längst nicht alle Werke im genügenden Detail, und auch wenn Ben van Oosten in ihnen selbst sein Programm lebendig zu machen versucht – dem Kenner fällt doch schnell auf, dass seine Repertoirekenntnis der britischen Orgelmusik noch ausbaufähig wäre.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    A Festival of English Organ Music Vol. 2: Werke von Elgar, Smart, Hollins u. a.

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
MDG
1
15.06.2015
Medium:
EAN:

CD
760623190723


Cover vergössern

MDG

Die klangrealistische Tonaufnahme

»Den beim Sprechen oder Musizieren entstehenden Schall festzuhalten, um ihn zu konservieren und beliebig reproduzieren zu können, ist eine Idee, die seit langem die Menschen beschäftigte. Waren zunächst eher magische Aspekte im Spiel, die die Phantasie beflügelten wie etwa bei Giovanni deila Porta, der 1598 den Schall in Bleiröhren auffangen wollte, so führte mit fortschreitender Entwicklung naturwissenschaftlichen Denkens ein verhältnismäßig gerader Weg zur Lösung...« (Riemann Musiklexikon)

Seit Beginn der elektrischen Schallaufzeichnung ist der Tonmeister als »Klangregisseur« bei der Aufnahme natürlich dem Komponisten und dem Interpreten, aber auch dem Hörer verpflichtet. Die Mittel zur Tonaufzeichnung sind hinlänglich bekannt. Die Kriterien für ihren Einsatz bestimmt das Ohr. Deshalb für den Hörer hier eine Beschreibung unserer Hörvorstellung.

Lifehaftigkeit

In der Gewißheit, daß der Konzertsaal im Wohnzimmer (leider) nicht realisierbar ist, konzentriert sich unser Bemühen darauf, die Illusion einer Wirklichkeit zu vermitteln. Die Musik soll im Hörraum so wiedererstehen, daß spontan der Eindruck der Unmittelbarkeit entsteht, das lebendige Klanggeschehen mit der ganzen Atmosphäre der »Lifehaftigkeit« erlebt wird. Da wir praktisch ausschließlich menschliche Stimmen und »klassische« Instrumente - auch sie haben ihren Ursprung im Nachahmen der Stimme - aufnehmen, konzentriert sich unsere Klangvorstellung auf natürliche Klangbalance und tonale Ausgeglichenheit im Ganzen, und instrumentenhafte Klangtreue im Einzelnen. Darüber hinaus natürliche, ungebremste Dynamik und genaueste Auflösung auch der feinsten Spannungsbögen. Weitestgehend bestimmend für die Illusion der Lifehaftigkeit ist auch die Ortbarkeit der Klangquellen im Raum: freistehend, dreidimensional, realistisch.

Musik entsteht im Raum

Um diesen »Klangrealismus« einzufangen, ist bei den Aufnahmen von MDG eine natürliche Akustik unbedingte Voraussetzung. Mehr noch, für jede Produktion wird speziell in Hinblick auf die Besetzung und den Kompositionsstil der passende Aufnahmeraum ausgesucht. Anschließend wird »vor Ort« die optimale Plazierung der Musiker und Instrumente im Raum erarbeitet. Dieser ideale »Spielplatz« ermöglicht nun nicht nur die akustisch beste Aufnahme, sondern inspiriert durch seine Rückwirkung die Musiker zu einer lebendigen, anregenden Musizierlust und spannender Interpretation. Können Sie sich die Antwort des Musikers vorstellen auf die Frage, ob er lieber in einem trockenen Studio oder in einem Konzertsaal spielt?

Die Aufnahme

Ist der ideale Raum vorhanden, entscheidet sich der gute Ton an den Mikrofonen - verschiedene Typen mit speziellen klanglichen Eigenheiten stehen zur Auswahl und wollen mit dem Klang der Instrumente im Raum in Harmonie gebracht werden. Ebenso wichtig für eine natürliche Abbildung ist die Anordnung der Mikrofone, damit etwa die richtigen Nuancen in der solistischen Darstellung oder die Kompensation von Verdeckungseffekten realisierbar werden. Das puristische Ideal »nur zwei Mikrofone« kann selten den komplexen Anforderungen einer Aufnahme mit mehreren Instrumenten gerecht werden. Aber egal wie viele Mikrofone verwendet werden: Stellt sich ein natürlicher Klangeindruck ein, ist die Frage nach dem Zustandekommen des »Lifehaftigen« zweitrangig. Entscheidend ist, es klingt so, als wären nur zwei Mikrofone im Spiel.

Ohne irgendwelche »Verschlimmbesserer« wie Filter, Limiter, Equalizer, künstlichen Hall etc. zu benutzen, sammeln wir die Mikro-Wellen übertragerlos in einem puristischen Mischpult und geben das mit elektrostatischem Kopfhörer kontrollierte Stereosignal linear und unbegrenzt an den AD-Wandler und zum digitalen Speicher weiter. Dadurch bleiben auch die feinsten Einschwingvorgänge erhalten. Auf der digitalen Ebene wird dann ohne klangmanipulierende Eingriffe mit dem eigenen Editor in unserem Hause das Band zur Herstellung der Compact Disc für den Hörer erstellt, für Ihr hoffentlich großes Hörvergnügen.


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...
Titel bei JPC kaufen


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag MDG:

  • Zur Kritik... Auf der Suche nach einer verlorenen Zeit: Alexander Glasunows aparte Streichquartette liegen nun endlich in einer Gesamteinspielung vor. Weiter...
    (Michael Pitz-Grewenig, )
  • Zur Kritik... Vergessene Symphonik neu belebt: Hermann Bäumer und das Osnabrücker Symphonieorchester überzeugen mit einer Gesamtaufnahme der Symphonien von Josef Bohuslav Foerster. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
  • Zur Kritik... Herber Charme: In einer neuen Edition widmet sich das Beethoven Orchester Bonn Bläseroktetten und Sextettet, es dirigiert Lorenzo Coppola. Beethoven wird hier kombiniert mit Grétry und Reicha. Weiter...
    (Dr. Kevin Clarke, )
blättern

Alle Kritiken von MDG...

Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:

  • Zur Kritik... Klangprächtig: Ein äußerst ansprechendes Plädoyer für die Musik Friedrich Gernsheims. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Mehr Männer: Drei Countertenöre, ein Sopranist und ein Tenor gegen zwei Soprane. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
blättern

Alle Kritiken von Dr. Jürgen Schaarwächter...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

  • Zur Kritik... Kollaboratives Komponieren: Das Label Kairos präsentiert facettenreiche Ensemblemusik des schwedischen Komponisten Jesper Nordin. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
  • Zur Kritik... Klangprächtig: Ein äußerst ansprechendes Plädoyer für die Musik Friedrich Gernsheims. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Hoher Abstraktionsgrad: Marco Fusi beeindruckt mit Violin-'Werken' Giacinto Scelsis. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

Class aktuell (2/2023) herunterladen (5500 KByte) NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (4400 KByte)

Anzeige

Jetzt im klassik.com Radio

Max Bruch: Kol Nidrei

CD kaufen


Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Sponsored Links

Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich