
Brahms, Johannes - Die Klaviertrios
Auf der Suche nach dem Gesang
Label/Verlag: Ondine
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Lars Vogt, Christian Tetzlaff und Tanja Tetzlaff legen eine ebenso spannende wie fein gestaltete Neueinspielung der Klaviertrios von Johannes Brahms vor.
Der interpretatorische Ansatz dieser Neueinspielung der Klaviertrios von Johannes Brahms lässt sich auf einen Punkt bringen: Es geht hier um die Suche nach dem Klang aus dem Geist des Gesangs. Vergleicht man unter diesem Aspekt verschiedene Aufnahmen miteinander, fällt sofort auf, wie stark Lars Vogt (Klavier), Christian Tetzlaff (Violine) und Tanja Tetzlaff (Violoncello) sich dieser Idee verschreiben. Vor allem das Trio Nr. 1 H-Dur op. 8, eingespielt in der revidierten Fassung von 1889, ist von Anfang an aus der Idee des instrumentalen Singens heraus entwickelt und dem strömenden Atems verpflichtet. Besonders faszinierend ist hier der Aufbau des Beginns, bei dem der Klaviervortrag um immer neue Streicherklangfarben ergänzt wird und der Bogen bis dorthin reicht, wo die Musiker das Thema zum ersten Mal im Forte artikulieren. Unterstrichen wird die Wirkung durch eine einheitliche Klangformung der Streicher, die gelegentlich durch dezentes Verschleifen der Tonhöhen eine sehr sinnliche Komponente erhält, wobei Duo Violine-Violoncello durchweg wie ein einziges, überdimensioniertes Streichinstrument erscheint.
Solche Momente, geprägt von außerordentlicher dynamischer und klangfarblicher Feingestaltung, begegnen im Verlauf der Doppel-CD immer wieder. Vor allem die leisen Passagen sind mit großer Spannung aufgeladen und strahlen eine enorme Intensität aus. Dies betrifft nicht nur die langsamen Sätze, in denen die Interpreten die melodischen Fäden genießerisch ausbreiten und gegeneinander differenzieren, sondern auch die Scherzi, die zusätzlich einen Spannungszuwachs erhalten, weil die rhythmisch präzise, aber stark zurückgenommene Gestaltung im Pianobereich immer wieder durch die warmen, plastischen Melodiephrasen der kontrastierenden Mittelteile unterbrochen wird. Entsprechend formulieren die Musiker das Scherzothemas des H-Dur-Trios zunächst wie eine karge, dahingetupfte Skizze, in die sich allmählich gewichtigere Akzentsetzungen einschleichen, wodurch der Gesang im Mittelteil umso bedeutsamer erscheint, zumal sein anfänglich verhaltener, hymnischer Tonfall nach und nach immer emphatischer wird. Als besonders positiv in Bezug auf die musikalische Gesamtwirkung erweist sich hier und an anderen Stellen Lars Vogts Hang, den Pedalgebrauch auf ein Minimum zu beschränken.
Es mangelt der Einspielung nicht an bedenkenswerten Momenten, die man hier noch aufzählen könnte: Beispielsweise setzen die Interpreten im Kopfsatz des Trios Nr. 2 C-Dur op. 86 ganz bewusst die Kurzatmigkeit der Phrasen als treibende Kraft ein, verleihen der Musik aber zusätzlich wiederum durch extrem leise musizierte Passagen eine enorme Spannung. In den Rahmensätzen des Trios Nr. 3 c-Moll op. 101 zelebrieren sie dagegen die treibende Kraft des Rhythmus, nicht ohne auch hier die Dynamik passagenweise sehr stark zurückzunehmen und damit dem Vortrag Intensität zu verleihen. Vielleicht einer der schönsten Augenblicke der Einspielung findet sich jedoch im Kopfsatz von op. 8, wenn der Satzbeginn in der Coda ein zartes Gegenstück erhält und sich – ein retardierendes Moment als Höhepunkt – unter Bezug auf den eingangs ausgesponnenen Gesang die Zurücknahme der Musik in einen Zustand völliger Beruhigung vollzieht, bevor die Schlussakkorde den Satz mit neuem Schwung beschließen. Dies alles unterstreicht den besonderen Stellenwert dieser neuen und empfehlenswerten Produktion aus dem Hause Ondine.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Brahms, Johannes: Die Klaviertrios |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Ondine 2 15.06.2015 |
Medium:
EAN: |
CD
761195127124 |
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Ondine The roots of Ondine date back to 1985 when founder Reijo Kiilunen released the very first Ondine album under the auspices of the renowned Finnish Kuhmo Chamber Music Festival. The label's initial mission was to produce one live album at the Festival each season. The fourth album, however, featured Einojuhani Rautavaara's opera Thomas (ODE 704-2), raising major international attention and opening the ground for overseas distribution. Kiilunen, who was running the Festival's concert agency and had begun the recording activity part-time, soon decided to devote himself fully to the development of this new business, producing and editing the first 50 releases himself. Since 2009 the company has been a part of the Naxos Group. Today Ondine's extensive catalogue includes nearly 600 recordings of artists and ensembles such as conductor and pianist Christoph Eschenbach, conductors Vladimir Ashkenazy, Vasily Petrenko, Mikhail Pletnev, Esa-Pekka Salonen, Hannu Lintu, Jukka-Pekka Saraste, Sakari Oramo, Leif Segerstam and John Storgårds, orchestras such as The Philadelphia Orchestra, Orchestre de Paris, London Sinfonietta, Bavarian Radio Symphony Orchestra, BBC Symphony Orchestra, Los Angeles Philharmonic, Russian National Orchestra, Czech Philharmonic, Finnish Radio Symphony Orchestra, Helsinki Philharmonic and Tampere Philharmonic, sopranos Soile Isokoski and Karita Mattila, baritone Dmitri Hvorostovsky and Gerald Finley, violinist Christian Tetzlaff, violist David Aaron Carpenter, cellist Truls Mørk and pianist Olli Mustonen. The label has also had a long and fruitful association with Finnish composers Einojuhani Rautavaara, Magnus Lindberg and Kaija Saariaho, having recorded the premieres of many of their works and garnering many awards along the way. Mehr Info... |
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