
Vasks, Peteris - Orchesterwerke
Elegische Ströme
Label/Verlag: WERGO
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Atvars Lakstigala und das Liepaja Symphony Orchestra spüren den Spannungswellen der drei hier aufgenommenen Orchesterwerke von Peteris Vasks feinfühlig nach. Allerdings überzeugt nicht jedes Werk gleichermaßen.
Die Musik des lettischen Komponisten Pēteris Vasks erfreut sich großer Beliebtheit. Dies gilt zumindest in Bezug auf jene Hörer, die neben dem Fortschrittsmantra Neuer Musik auch andere Wege zeitgenössischen Komponierens gelten lassen. Vasks verortet sich selbst in der Tradition, wirkt dabei aber nicht nostalgisch. Das klare Bekenntnis zur Tonalität ist eines der Grundströme, die sein Schaffen durchziehen (auch wenn nicht jedes seiner Werke davon bestimmt ist); hinzu kommt ein religiös oder zumindest spirituell grundierter Fluchtpunkt, in dem verschiedene Bezugsstränge seines Komponierens zusammenlaufen und letzterem eine humanistisch grundierte Bekenntnishaftigkeit verleihen. Kunst nur um der Kunst willen ist Vasks entschieden zu wenig. Das macht ihn in manchen Lagern geradezu ‚verdächtig‘, andere nehmen diesen ästhetischen Überschuss, der sich ebenso etwa bei James MacMillan findet, als willkommene Verankerung von Kunst in tieferen Dimensionen und somit als Widerpart zu bloßem Oberflächenglanz und Effektfixierung.
Phoenix aus der Asche
Für die Verbreitung der Werke Pēteris Vasks‘ hat das Label Wergo bereits viel getan. Vorliegende Aufnahme dreier Orchesterwerke jüngeren Datums ist ein weiterer Baustein in der Vasks-Reihe. Wie schon in der Werke für Solovioline und Orchester ins Zentrum rückenden Folge zeichnen sich auch die drei hier aufgenommenen Werke durch einen ähnlichen Aufbau aus. Charakteristisch für die Dramaturgie der drei Einsätzer ist ein wellenartiger Aufbau, getragen von sich langsam voran bewegenden elegischen Strömen, die sich oft aus einem an Bruckner erinnernden Streicherflimmern herausschälen und auf Klangflächen und Orgelpunkten basieren. Regelmäßig wird die anfängliche lyrische Idylle durch dissonante Einbrüche getrübt, die sich zunehmend durch Überlagerungen verdichten; nach deren Zuspitzung in tumultuösen Ballungen erhebt sich wie ein Phoenix aus der Asche tröstend die anfängliche Kantilene. Häufig leitet Vasks tektonische Verschiebungen an entscheidenden Wendepunkten des Verlaufs durch Kontrabass-Glissandi ein. Unterschiedlich sind jedoch die Schlusswendungen, die von affirmativem Pomp – wie hier in 'Credo' (2009) – bis zu musikalischen Fragezeichen und ins Nichts verhallenden Entschwebungen – wie in 'Sala' (2006) – reichen. Vasks erweist sich auch hier als ein ‚Adagio-Komponist‘, dessen Musik, auch wenn die Oberfläche bewegt schraffiert ans Ohr dringt, mit einem lavaähnlichen, unaufhaltsam voran wälzenden Strömen für sich einnimmt.
Offenes Ende
Das dramaturgisch schlüssigste Werk dieser Zusammenstellung ist meines Erachtens 'Sala', eine Bogenform mit offenem Ausgang ausprägend. In Gang gesetzt wird das Idyll sukzessive von Englischhorn, Klarinette, Flöte und Horn mit einem bukolischen Thema, wobei sich der Fokus nach und nach zu elegischen Streicherlinien verlagert. Nach dramatisch-dissonanten Zuspitzungen und einer choralartigen, modal gefärbten Bläsermelodie ereignet sich ein durchführungsartig konfliktreiches Zusammentreffen der Themen und damit verbundenen Atmosphären. Hier zeigt sich neben dem handwerklichen Können Vasks‘ auf kompositorisch-thematischer Ebene auch seine instrumentatorische Kunst, etwa in der klangfarblichen Einbindung des Schlagwerks, das zuweilen die Klarinetten wie ein Tremulant einfärbt. Auch wenn hier der Einsatz der geräuschhaften Percussion etwas effektheischend daherkommt, erweist sich 'Sala' mit seinem offenen Ende ohne Auflösung der exponierten Spannungen doch grundsätzlich als überzeugend.
Affirmativ
Während die 'Musica appassionata' (2002, für Streichorchester) für Vasks eher untpyisch kraftvoll, leidenschaftlich und mit Vehemenz beginnt, zeigt sich 'Credo' (ein Auftragswerk der Bremer Philharmoniker) von ähnlichem Aufbau wie 'Sala', allerdings ohne konfliktreiche Zuspitzung. Das als Teil eines orchestralen Triptychons angelegte 'Credo' erweist sich als überemphatisch in der Affirmation, damit gleichzeitig ein wenig überdreht und in seiner Aussagekraft eigenwillig ‚hohl‘, weil ‚zu schön‘.
Ungeachtet der wechselnden Qualität der aufgenommenen Werke präsentiert sich das Liepāja Symphony Orchestra unter der Leitung von Atvars Lakstīgala als exzellenter Klangkörper, der den Klangfarbenkombinationen in den drei Orchesterwerken Pēteris Vasks‘ sensibel nachspürt. Lakstīgala hat den Streicherklang auch in dynamischer Hinsicht sehr fein ausgearbeitet, so dass die Spannungswellen ihre Wirkung optimal entfalten können. Besondere Hervorhebung verdienen die exzellenten solistischen Anteile der Holzbläser, die ihre Eigenfarbe deutlich hervorkehren, jedoch auch im Verbund zu einem dichten gemeinsamen Klang zusammenfinden. Somit bleiben in technischer Hinsicht keine Wünsche offen, zumal auch die Klangwiedergabe genug dynamische Reserven hat und das Farbenspektrum differenziert abbildet.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Vasks, Peteris: Orchesterwerke |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: |
WERGO 1 12.06.2015 59:38 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4010228732320 WER 73232 |
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WERGO Als 1962 die erste Veröffentlichung des Labels WERGO erschien - Schönbergs "Pierrot lunaire" mit der Domaine musicale unter Pierre Boulez -, war dies ein Wagnis, dessen Ausgang nicht abzusehen war. Werner Goldschmidt, ein Kunsthistoriker, Sammler und Enthusiast im besten Sinne, war es, der - gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler Helmut Kirchmayer - den Grundstein zu dem Label legte, das seit inzwischen 50 Jahren zu den führenden Labels mit Musik unserer Zeit zählt. Mehr Info... |
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